Originalität der wissenschaftlichen Fragestellungen

Die Synthese von spezifischen Nanomaterialien durch Zerstäubung und Verbrennung von Lösungen geeigneter Prekursor-Mischungen in Form von Sprayflammen hat ein hohes Potenzial. In zahlreichen Veröffentlichungen wurde die prinzipielle Machbarkeit nachgewiesen. Eine Übertragung in den technischen Maßstab hat bisher aber nur ansatzweise stattgefunden. Die Nutzung scheitert bisher an dem Hindernis, dass für die Sprayflammensynthese mit dem bisherigen Kenntnisstand vielfach teure Spezialchemikalien eingesetzt werden müssen. Zudem sind zentrale Prozesse nicht genügend verstanden. Damit fehlen Ansätze, die es erlauben, die Prozesse kostengünstig zu steuern. Diese Hürde zu überwinden, erfordert eine deutliche Erweiterung des Detailverständnisses der Prozesskette von Lösungsstabilisierung über Spraybildung und -verdampfung sowie Interaktion der Prekursoren und Metallatome mit der Flammenchemie bis hin zur Partikelbildung und -wachstum im komplexen turbulenten reaktiven Strömungsfeld.

Die Entwicklung der derzeit existierenden Verfahren zur Sprayflammensynthese erfolgte bisher weitgehend phänomenologisch mit dem Fokus auf den Eigenschaften der erzeugten Materialien. Daher ist – trotz der demonstrierten Erfolge – offensichtlich, dass durch die synergetische Nutzung der teilweise jahrzehntelangen Vorerfahrungen im Bereich des Brennerdesigns, der Nanopartikelsynthese in vorgemischten Gasphasensystemen, der neuen In-situ-Messverfahren und Simulationsansätze für reaktive Strömungen, dem verbesserten mechanistischen Verständnis von Verbrennungsprozessen sowie der neuen Möglichkeiten zur theoretischen Beschreibung der Eigenschaften der Lösungen von Prekursoren in Lösungsmitteln erstmals die realistische Chance besteht, die oben genannten Hürden zu überwinden.

Bisher werden die genannten Themen in weitgehend disjunkten Fachgemeinschaften erforscht. Der Mehrwert dieses Vorhabens liegt darin, diese bisher entkoppelten, für sich aber jeweils hoch entwickelten und auf höchstem internationalen Niveau arbeitenden Fachgemeinschaften in einem Themenfeld von hoher praktischer Relevanz („Emerging Field“) zusammen zu führen. Daraus ist – neben der Entwicklung von Lösungsansätzen für die unmittelbare technologischen Fragestellung der Nanopartikelsynthese – eine erhebliche Befruchtung des grundlegenden Verständnisses komplexer Mehrphasenprozesse zu erwarten, mit Nutzen für über das Themenfeld der Nanopartikelsynthese hinausgehende Gebiete wie beispielsweise dem theoretischen Verständnis der Verbrennung von Stäuben, der Aerosol- und Partikelbildung aus Lösungen und der Prozessierung von partikelbeladenen Strömungen. Die Voraussetzungen im deutschen Forschungsumfeld sind wegen der Konzentration der Expertise in den erforderlichen Feldern außerordentlich gut, so dass durch die in diesem Schwerpunktprogramm koordinierte Vernetzung eine internationale Führungsrolle erreicht werden kann. Das fach- und ortsübergreifende Netzwerk des SPP1980 ermöglicht zudem die Ausbildung von wissenschaftlichem Nachwuchs in einem inspirierenden Umfeld, dessen fachliche Kooperation Modellcharakter hat Das Schwerpunktprogramm profitiert – parallel zur Entwicklung der Nanomaterialsynthese und -charakterisierung – von den folgenden aktuellen Entwicklungen:

  • Die messtechnischen Möglichkeiten zur Untersuchung reaktiver Strömungsprozesse wurden in den letzten Jahren revolutioniert. Dies schließt (Laser-)optische Messung der Gasphasenprozesse, Beobachtung von Partikelbildungs- und -wachstumsprozessen, Röntgenstreuung und Experimente mit Synchrotronstrahlung bis hin zu Probenahmeverfahren wie zum Beispiel mit Molekularstrahlverfahren ein. Diese detaillierten Messdaten liefern eine hervorragende Grundlage zur Entwicklung und Validierung von Modell- und Simulationsansätzen.
  • Simulationsverfahren haben aufgrund der mittlerweile verfügbaren Rechnerleistung, sich entwickelnder Turbulenz- und Verbrennungsmodelle, der zugenommenen Information über die Kinetik von Elementarreaktionen und die Interaktion auf molekularer sowie Partikel-Partikel-Ebene in den letzten Jahren dramatische Fortschritte bei der Beschreibung reaktiver Mehrphasenströmungen gemacht.
  • Das theoretische Verständnis intra- und intermolekularer Prozesse entwickelt sich rapide weiter. Mit den Verfahren der Theoretischen Chemie zur Beschreibung der Reaktionen metallorganischer Substanzen gelingt die Unterstützung der Entwicklung von Reaktionsmechanismen. Die Beschreibung der molekularen Interaktion von Salzen und komplexen Molekülen in Lösungsmitteln ermöglicht die Vorhersage von Lösungs-, Zerstäubungs- und Verdampfungseigenschaften der Prekursor-Lösungen. Molekulardynamik bietet darüber hinaus Zugang zur Beschreibung der Interaktion von Partikeln mit der umgebenden Gasphase und mit anderen Partikeln zur Beschreibung von Wachstums- und Sinterprozessen.

In Analogie zu den in der Verbrennungsforschung seit Jahrzehnten höchst erfolgreich eingesetzten Standardflammen, mit denen es gelungen ist, durch die vereinte Expertise zahlreicher Arbeitsgrup-pen hochkomplexe Prozesse aufzuklären und mit hoher Genauigkeit zu simulieren, soll nun erstmalig ein Standardprozess für die Sprayflammensynthese definiert werden. Dieser Prozess soll sowohl eine für die Simulation als auch für die In-situ-Messtechnik optimale Geometrie aufweisen, die Interaktion von Fluiddynamik, Wärmeübertragung und Kinetik minimieren, einfach zu duplizieren und reproduzierbar zu betreiben sein. Ein solches standardisiertes Experiment (SpraySyn-Brenner) soll im ersten Projektjahr von einer Arbeitsgruppe aus Messtechnikern und Simulationsexperten des SPP1980 mit dem erforderlichen Prozessverständnis entwickelt werden. Es wird dann als verbindendes Element in zahlreichen Projekten des Schwerpunktprogramms dienen und wird einen weltweiten Standard als Referenzexperiment setzen, der einerseits die Ergebnisse dieses Schwerpunktprogramms langfristig als Validierungsdaten für die internationale Community nutzbar macht und es andererseits ermöglicht, außerhalb des SPP1980 erzeugte Messdaten im SPP zu nutzen.

Mit diesem Ansatz wird das SPP1980 das Forschungsfeld nachhaltig prägen und den derzeit in Deutschland existierenden Vorsprung der Gasphasensynthese funktionaler Nanopartikel auf Sprayflammen erweitern und im internationalen Umfeld weiter ausbauen.

Übergreifende Ziele:

  • Umfassendes Verständnis der Sprayflammensynthese auf Basis einer physikalisch fundierten Modellierung der Subprozesse
  • Schaffung von Methoden zur skalenübergreifenden Simulation zur Auslegung, Skalierung und Optimierung von Sprayflammen-Syntheseanlagen
  • Design von ökonomischen und nachhaltigen Prozessen durch Substitution von Ausgangsmaterialien hin zu kostengünstigen Brennstoffen, Metallsalzen statt metallorganischen Substanzen, sowie kostengünstigen Lösungsmitteln (ggf. auch Wasser)
  • Ertüchtigung der Sprayflammensynthese zur kostengünstigen Herstellung hochspezifischer nanoskaliger Materialien im industriellen Maßstab

Kurzfristige Ziele (Erste Projektphase)

  • Entwickeln und Etablieren einer Standardkonfiguration (SpraySyn-Brenner) unter Berücksichti-gung der praktischen Relevanz, reproduzierbaren Fertigung, Vermessbarkeit und Simulierbarkeit
  • Aufbau eines umfangreichen, gut dokumentierten und öffentlich zugänglichen Datensatzes für ausgewählte Betriebszustände (Benchmarking)
  • Entwicklung und Bereitstellung von messtechnischen Ansätzen
  • Entwicklung und Bereitstellung von Simulationsverfahren
  • Aufklären zentraler Subprozesse
    • Spraybildung und Verdampfung Prekursor-beladener Tröpfchen
    • Interaktion der Prekursoren mit der Flammenchemie: Untersuchung atomarer/molekularer Intermediate und deren Einfluss auf die Reaktionsmechanismen
    • Einfluss der Tropfen und Partikelbeladung auf die turbulente Strömung

Mittelfristige Ziele (zweite Projektphase)

  • Nutzen des SpraySyn-Ansatzes zum Design von optimierten und skalierten Syntheseanlagen, die dann zur Validierung der Simulationsverfahren eingesetzt werden
  • Nutzen des SpraySyn-Ansatzes für mehrstufige und kombinierte Synthese komplexer Materialien

Langfristige Ziele (Visionen)

  • Entwicklung von Prozessdesignregeln für die industrielle Umsetzung
  • Entwicklung integrierter Sprayflammenprozesse, z.B. durch Unterstützung der Sprayflammen-synthese durch Plasmaprozesse
  • Evaluierung der Möglichkeit einer kohlenstofffreien Sprayflammensynthese zum vollständigen Ausschluss von Karbidbildung und Kohlenstoffverunreinigungen
  • Übertragung und Verallgemeinerung der im SPP1980 entwickelten Strategien der Interaktion von Theorie und Experiment auf weitere komplexe Fragestellungen der Materialsynthese (nicht begrenzt auf die Sprayflammensynthe

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