Hintergrund
Die Synthese von spezifischen Nanomaterialien durch Zerstäubung und Verbrennung von Lösungen geeigneter Prekursor-Mischungen in Form von Sprayflammen hat ein hohes Potenzial. Sie ermöglicht, in einem kontinuierlichen Prozess und auf Basis von kostengünstigen Ausgangssubstanzen, komplexe und hochreine Nanomaterialien im Abgas der Sprayflamme in der Gasphase herzustellen. Durch das Sprayverfahren kann dabei eine große Vielfalt an chemischen Elementen genutzt und kombiniert werden. Dies unterscheidet den Sprayflammenprozess wesentlich von der industriell etablierten Partikelherstellung in Gasflammen. Bei geeigneter Prozessführung gelingt die Herstellung von Materialien mit definierter Zusammensetzung, Partikelgröße und Morphologie – auch jenseits der thermodynamischen Stabilitätsgrenzen und damit außerhalb des erreichbaren Materialspektrums von Syntheseverfahren in der Flüssigphase. Ebenfalls lassen sich in Sprayflammen nanoskopische Mischungen und Komposite unterschiedlicher Materialsysteme erzielen. Solche Materialien sind von großem praktischem und kommerziellem Interesse in einem weiten Anwendungsfeld, das z.B. technische Katalyse, Batteriespeicher und Photovoltaik einschließt. In über 600 Veröffentlichungen der letzten Jahre wurde von etwa 30 akademischen Arbeitsgruppen weltweit die Sprayflammensynthese von ca. 300 verschiedenen Materialien beschrieben und somit die prinzipielle Machbarkeit im Experiment nachgewiesen. Darüber hinaus zeigen die Untersuchungen ein großes Potenzial für bisher nicht erschlossene Materialien.
Dass die Produktion von Nanomaterialien aus flüssigen Vorläufermaterialien in Gasphasensyntheseprozessen im industriellen Maßstab grundsätzlich gelingt, zeigen etablierte Prozesse zur Herstellung von SiO2 (fumed silica), TiO2 und technischem Ruß (carbon black). Auch erste Kleinanlagen für die Sprayflammensynthese sind kommerziell verfügbar. Eine Übertragung in den technischen Maßstab und eine damit verbundene Anwendung von hochattraktiven Materialien in großflächig eingesetzten Produkten hat bisher aber nur ansatzweise stattgefunden. Dadurch können vielfältige Anwendungsfelder bisher nicht untersucht und weiter entwickelt werden, weil die erforderlichen Materialien für die Weiterverarbeitung und Produktentwicklung nicht in auseichender Menge zur Verfügung stehen. Die großtechnische Nutzung scheitert bisher insbesondere an dem Hindernis, dass für die Sprayflammensynthese mit dem bisherigen Kenntnisstand vielfach teure Spezialchemikalien (metallorganische Ausgangsstoffe) und teure Lösungsmittel (Xylol, etc.) eingesetzt werden müssen. Zudem sind zentrale Prozesse wie der Übergang der Substanzen aus dem Tropfen in die Gasphase, deren Reaktionen und die Interaktion der primären Zerfallsprodukte mit der Flamme bisher nicht genügend verstanden. Damit fehlen Ansätze, die es erlauben, die Prozesse kostengünstig zu steuern, beispielsweise unter Einsatz von Salzlösungen (Nitrate, Carbonate) mit üblichen Lösungsmitteln (einfache aliphatische Kohlenwasserstoffe, Alkohole oder sogar Wasser). Diese Hürde zu überwinden, erfordert eine deutliche Erweiterung des Detailverständnisses der Prozesskette von Lösungsstabilisierung – Spraybildung und -verdampfung – Interaktion der Prekursoren und Metallatome mit der Flammenchemie – und Partikelbildung und -wachstum im komplexen turbulenten reaktiven Strö-mungsfeld. Bisher auftretende Schwierigkeiten sind beispielsweise die vorzeitige Hydrolyse von noch nicht verdampften Ausgangsstoffen, die Bildung großer Feststoffpartikel während der Tropfenverdampfung, die Verunreinigung des Produktes durch Rußbildung infolge einer lokal unvollständigen Verbrennung oder die Ausbildung einer breiten Eigenschaftsverteilung durch großräumige Wirbel. Viele dieser Probleme lassen sich auf unerwünschte Inhomogenitäten, Rückvermischung oder nicht aufeinander abgestimmte Kinetiken zurückführen, die bisher noch nicht unter Kontrolle sind.
Die Entwicklung der derzeit existierenden Verfahren zur Sprayflammensynthese erfolgte bisher weitgehend phänomenologisch mit dem Fokus auf den Eigenschaften der erzeugten Materialien. Der Ansatz beruhte in der Regel auf einer Ex-situ-Charakterisierung der hergestellten Materialien und einer weitgehend empirischen Variation von Ausgangssubstanzen, Reaktionsbedingungen und Brennergeometrien. Diese Entwicklung war in der Vergangenheit weitestgehend abgekoppelt von den Fortschritten in verwandten Themenfeldern, insbesondere der klassischen Verbrennungsforschung, der Sprayerzeugung, der Interaktion von Prekursoren und Brennstoffen bzgl. Lösungsstabilisierung und -verdampfung sowie der Beschreibung von Mehrphasenströmungen. Daher ist – trotz der demonstrierten Erfolge – offensichtlich, dass durch die synergetische Nutzung der teilweise jahrzehntelangen Vorerfahrungen im Bereich des Brennerdesigns, der Nanopartikelsynthese in vorgemischten Gasphasensystemen, der neuen In-situ-Messverfahren und Simulationsansätze für reaktive Strömungen, dem verbesserten mechanistischen Verständnis von Verbrennungsprozessen sowie der neuen Möglichkeiten zur theoretischen Beschreibung der Eigenschaften der Lösungen von Prekursoren in Lösungsmitteln erstmals die realistische Chance besteht, die oben genannten Hürden zu überwinden.
Strukturierung der Fragestellung
Zur erfolgreichen Beschreibung des Gesamtprozesses ist daher eine enge Zusammenarbeit verschiedener Fachdisziplinen erforderlich, die jeweils unterschiedliche, sich gegenseitig stützende Themenfelder innerhalb des Schwerpunktprogramms verfolgen. Viele dieser Themen werden hier erstmals im Zusammenhang der Partikelsynthese betrachtet und damit durch dieses zentrale Thema verknüpft. Die folgenden Abschnitte beschreiben den Stand der Technik in diesen vier Themenfeldern, die jeweils von den vier Initiatoren des Schwerpunktprogramms repräsentiert werden. Die eigenen Forschungsbeiträge der Initiatoren nehmen darin einen wichtigen Stellenwert ein.