Pressemitteilung der Universität Duisburg-Essen

Bildungs- und Karrierewege von Frauen

Luxus oder Utopie: Kind und Karriere?

[31.05.2005] Frauen in Deutschland stehen in der Doppelbelastung, Familie und Arbeit flexibel zu managen. Dabei greifen mehrere Problematiken ineinander, deren Zusammenhänge bisher weitgehend übersehen wurden.

Zu diesem Ergebnis kommen die TeilnehmerInnen der Jahrestagung der Sektion Frauen- und Geschlechterforschung der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE), die jetzt an der Universität Duisburg-Essen stattgefunden hat.

Schon lange wird über die Vereinbarkeit von beruflicher und familiärer Arbeit in Wissenschaft, Politik und Wirtschaft diskutiert. Entwickelt wurden dabei zahlreiche theoretische Optimierungskonzepte zur Unterstützung von Frauen mit Doppelbelastung. Aber wie sieht die Realität aus? Dieser Frage gingen rund 90 Kongressteilnehmer-innen auf der 5. Jahrestagung der Sektion Frauen- und Geschlechterforschung der DGfE nach, die von Prof. Dr. Anne Schlüter von der Universität Duisburg-Essen organisiert und geleitet wurde.

Thema waren Bildungs- und Karrierewege von Frauen in Vergangenheit und Gegenwart mit besonderem Blick auf bestehende Wissensbestände, Erfahrungen und Widerstände. In verschiedenen Arbeitsgruppen wurden drei Tage lang unterschiedliche Aspekte des Themenkomplexes diskutiert. So stellte Prof. Dr. Renate Nestvogel von der Universität Duisburg-Essen Karriereverläufe afrikanischer Migrantinnen zwischen struktureller und symbolischer Gewalt dar, während Prof. Dr. Ursula Boos-Nünning einen Einblick in das Leben bildungserfolgreicher junger Frauen mit Migrationshintergrund ermöglichte. Ines Schell-Kiehl, Doktorandin aus Duisburg, präsentierte Mentoring als mögliche Handlungsstrategie für beruflichen Erfolg.

Prof. Dr. Hildegard Macha, thematisierte die Diskrepanz zwischen männlichem und weiblichem Denken innerhalb der Debatte um die zunehmende Kinderlosigkeit in Deutschland. Während Männer aus finanziellen und zeitlichen Gründen dazu neigen einen zeitlichen Aufschub der Familiengründung zu erreichen, stehen Frauen vor dem Problem, dieses Zeitfenster nicht wahrnehmen zu können. Ab dem Alter von 35 Jahren geht bei ihnen der Kinderwunsch zurück und so sehen sich viele von ihnen in der Entscheidungsfalle: Kind oder Karriere?

Barrieren aus Wirtschaft und Bildungspolitik

Dabei wird das Hauptproblem von der Öffentlichkeit übersehen: Nicht selten ist das Bild der erfolgreichen Karrierefrau als qualifizierte flexible Mutter vorherrschend. So wird die Entscheidung des Verzichts auf eigene Kinder als Entscheidung der Frau verstanden, nicht aber als gesellschaftlich strukturiertes Problem erkannt.
Der vorhandene „Gebärstreik“, der Wirtschaft und Politik beeinflusst, so Macha, wird durch die hier bestehenden Anforderungen hervorgerufen. Lange Ausbildungszeiten bilden eine erste Bremse des Kinderwunsches und somit eine Verkürzung der Chance zur Elternschaft. Die zweite Hürde ist die veraltete Ungleichgewichtung des Marktwertes beider Geschlechter: Obwohl Frauen in ihrer Bildung einen Vorsprung vor den Männern aufweisen, verdienen sie immer noch weniger Geld und haben schlechtere Aufstiegschancen im Beruf.

Konzepte aus anderen europäischen Ländern, wie beispielsweise Skandinavien, wonach ein Drittel der Elternzeit vom Mann wahrgenommen werden muss, um nicht zu verfallen und der Staat 80 % des Gehalts des besser verdienenden Elternteils zahlt, erscheinen in Deutschland utopisch. Dabei bedeutet das Ausscheiden für Frauen aus dem Berufsleben bereits nach drei Jahren oft das Ende der Karriere.

Vereinbarkeit- kein reines Frauenproblem

Fatal ist die Tatsache, dass die Entscheidung, die Frau als verzichtende Person zu begreifen, eine rationale ist. So haben wir es weniger mit konservativen Rollenvorstellungen zu tun, als vielmehr mit berechenbaren Konsequenzen. Resultat dieser Fallensituation ist die aktuelle Geburtenrate. Innerhalb Europas steht Deutschland auf einem der letzten Plätze.

Aktuelle Zahlen zeigen, dass beispielsweise 40 % der deutschen Akademikerinnen keine Kinder haben. 57,7 % der Männer zwischen 30 und 34 Jahren sind kinderlos. Frauen gleichen Alters leben zu 37,8 % ohne Kind. Zwischen 35 und 39 Jahren sinkt die Zahl der kinderlosen Männer auf 33,6 % und bei Frauen auf 17,4 %. Der Trend geht zu einem problematischen Lösungsmodell, wonach Kinder immer ältere Väter und junge Mütter haben. So findet kein frühzeitiger Aushandlungsprozess zwischen den Eheleuten statt, sondern lediglich eine Verlegenheitslösung, die dazu führt, dass viele Frauen mit jungem Partner kinderlos bleiben.

Fehlende Perspektiven

Was muss getan werden, um jungen Familien eine bessere Perspektive zu bieten? „Frauen, die sich in der Doppelbelastung Beruf und Familie befinden müssen neue Strategien entwickeln“, so Marianne Dierks, Doktorandin an der Universität Hamburg. Um den Spagat zwischen beiden Bereichen zu schaffen, müssen Eltern nach alternativen Betreuungsmöglichkeiten wie Kindertagesstätten und Privatpersonen suchen. Dabei entsteht das Problem der Stigmatisierung als „Rabenmutter“.

Während beispielsweise In Frankreich gefragt wird, warum Kinder mit eineinhalb Jahren noch zu Hause bleiben sollten, anstatt in Kinderkrippen weitaus mehr Anregungen zu erhalten, wird Müttern in Deutschland das Weggeben ihrer Kinder zum Vorwurf gemacht. Zu diesem gesellschaftlichen Problem, dem Zwiespalt zwischen Verantwortungsgefühl für Kind und Beruf, kommt ein weiters politisches Problem: Die Förderung von Einrichtungen zur Kinderbetreuung, wie z.B. betriebseigene Kindergärten, wird als notwendig, nicht aber als selbstverständlich betrachtet.

Unterschätzte Zusammenhänge und mangelnde Forschung

Unterschätzt wird die hohe gesamtpolitische Bedeutung einer besseren Unterstützung der Eltern, die zu einer höheren Geburtenrate beitragen könnte und eine Hebung des allgemeinen Bildungsniveaus durch Frühförderung zur Folge hätte. Dabei wird vor allem das Ineinandergreifen von unzureichender Elternunterstützung und mangelnder Frühförderung von Kindern mit Migrationshintergrund übersehen. Als Konsequenz existieren Stimmen aus Akademiker Kreisen, die ihre fehlende Bereitschaft kundtun, Kinder in die Welt zu setzen, die die „Hartz IV-Kinder“ später unterstützen müssten. Auch von politischer Ebene ist kein Familienzuwachs in unteren Lohngruppen erwünscht. Nicht nur politisch ein Schlag ins Gesicht.

Das Problem des sensiblen Themas – so wurde auch in Duisburg noch einmal deutlich – ist nicht nur die fehlende intensivere Forschung in bestimmten Bereichen, um mehr faktisch gestützte Aussagen treffen zu können, sondern auch die unzureichende Umsetzung bestehender Konzepte, die eine Erleichterung der Vereinbarkeit bedeuten würden. So scheinen Problem und Lösung in derselben Falle zu stecken: Keine Zeit für sich, keine Zeit für Kinder, keine Zeit für die Umsetzung guter Ideen!

Redaktion: Nina Hucklenbruch, Beate H. Kostka, Tel 0203/379-2430

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