Professionalisierung der inklusiven Lehrer*innensprache zur Sicherung des Sprachverständnisses (PROF-I-SV)

Professionalisierung der inklusiven Lehrer*innensprache zur Sicherung des Sprachverständnisses (PROF-I-SV)

Projektleitung
Prof. Dr. Tanja Ulrich (Universität Duisburg-Essen) Logo GKQL neu

Mitarbeit
Anne-Katrin Swoboda (wiss. Mitarbeiterin)

Kooperationspartner
Schulamt Duisburg

Laufzeit
7/ 2023 – 06/ 2026

Hintergrund

Ausgangspunkt des Projektes ist der komplexe Prozess des Sprachverstehens als bedeutsame Kompetenz zur Erfassung von Unterrichtsinhalten und damit zum Erreichen von Lern- und Bildungszielen. Dieser wird häufig als selbstverständlich angesehen (vgl. ELBEN, 2000) und findet sowohl in der Wissenschaft als auch in der pädagogischen und therapeutischen Arbeit wesentlich seltener Beachtung als der Prozess der Sprachproduktion (vgl. ELBEN, 2000; HACHUL/ SCHÖNAUER-SCHNEIDER 2020).
Einige wenige Studien wie die von BERG/ SCHIEFELE (2021) verweisen auf eine hohe Prävalenz von Schwierigkeiten im Sprachverständnis in den Klassen 1 und 2 an Schulen mit dem Förderschwerpunkt Sprache. Rund 60% dieser Schülerschaft zeigte Einschränkungen im Wort-, Satz- und Textverstehen (vgl. EBD.). Auf Basis dieser Datenlage, ist davon auszugehen, dass auch bei einer Vielzahl von Schüler*innen im Gemeinsamen Lernen (GL) der Grundschule derartige Einschränkungen vorliegen. Studien zum Ausmaß der Sprachverstehens-Problematik im GL der Grundschule fehlen bislang jedoch.
Da Sprache im Unterricht nicht nur als Lerngegenstand an sich, sondern darüber hinaus auch als Träger der zur Verfügung gestellten Informationen fungiert, ist es nur logisch, dass Schüler*innen mit Einschränkungen im Sprachverstehen zusätzliche Hilfen und Differenzierungsmaßnahmen benötigen, um dem Unterricht folgen zu können (vgl. SALLAT/ HOFBAUER/ JURLETA, 2017; SALLAT/ SCHÖNAUER-SCHNEIDER, 2015). Im GL in inklusiven Unterrichtskontexten bedeutet dies eine erhebliche Individualisierung und Differenzierung. Bleiben diese Hilfen aus, bergen Sprachverständnisstörungen ein erhebliches Entwicklungsrisiko in sämtlichen Bereichen des gegenwärtigen und zukünftigen privaten sowie beruflichen Lebens (vgl. ACOSTA-RODRÍGUEZ/ HERNÁNDEZ-EXPÓSIT/ RAMÍREZ-SANTANA (2021); BERG/SCHIEFELE 2021; HACHUL/ SCHÖNAUER-SCHNEIDER 2020; HAGEN/ MELBY-LERVAG/ LERVAG, 2017).
Aus sprachheilpädagogischer Sicht sind für das Gelingen von Unterricht bei Einschränkungen des Sprachverstehens zwei Perspektiven relevant: Zum einen die gezielte Förderung der Sprachverstehenskompetenzen der Lernenden und zum anderen die Reduktion der sprachlichen Komplexität, z.B. durch sprachverständnisunterstützende Elemente der Lehrer*innensprache.
Es lässt sich feststellen, dass das Thema der Lehrer*innensprache eine eher untergeordnete Rolle in der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften spielt und zumeist darauf abzielt, bestimmte Unterrichtsgeschehnisse methodisch-didaktisch zu gestalten (vgl. JUNGMANN/ MIOSGA/ NEUMANN 2021, 12). Neben den allgemeinen Kriterien professioneller Lehrer*innensprache, bedarf es jedoch weiterer spezifischer Maßnahmen, wie z.B. der Einsatz von Modellierungstechniken, um auch tatsächlich sprachfördernd bei Sprachentwicklungsproblematiken wirken zu können (vgl. WESTDÖRP 2010).
Es mangelt jedoch an Studien im Bereich der effektiven Förderung von Schüler*innen mit Sprachentwicklungsstörungen in der Inklusion (vgl. MAHLAU 2015, 146).  NELSON/ ET AL. (1996) zeigten, dass nicht nur Kinder mit, sondern auch Kinder ohne Sprachentwicklungsstörungen vom Einsatz von Modellierungstechniken seitens der Lehrkraft profitierten (zitiert nach KURTZ/ MAHLAU 2022). Somit bieten diese Erkenntnisse einige wichtige Anhaltspunkte für die Arbeit an einer Professionalisierungsmaßnahme der Lehrer*innensprache, von der alle Lernende in inklusiven Unterrichtskontexten profitieren können. Diese müssen durch Studien, die auf das Sprachverstehen abzielen, ergänzt werden.

Ziel

Entwicklung einer Professionalisierungsmaßnahme zur Sicherung des Sprachverständnisses in inklusiven Unterrichtskontexten (PROF-I-SV)

Methode

Das Projekt wird wie folgt gegliedert:
1. Analyse des Ist-Zustand und Ableitung der Bedarfe
1.1 Zunächst wird das mündliche Sprachverstehen von Kindern im gemeinsamen Lernen der Grundschule fokussiert. Dazu wird eine empirische Untersuchung mit einer quantitativen Methodik mit Hilfe standardisierter Testverfahren durchgeführt, um genau aufzeigen zu können, welches Wort, Satz-, und Textverständnis die Schüler*innen im inklusiven Klassenzimmer aufweisen.
1.2 Als nächstes wird die Frage geklärt, welche gängigen sprachverständnisunterstützenden Maßnahmen die Lehrer*innen im GL der Grundschule bereits kennen. Hier werden neben einschlägigen Veröffentlichungen auch Ausbildungsverordnungen für den Vorbereitungsdienst der Bundesländer herangezogen und auf Inhalte zur Unterstützung des Sprachverstehens im inklusiven Unterricht hin analysiert.
2. Professionalisierung und Evaluation
Im Anschluss wird eine Erhöhung von Quantität und Qualität sprachverständnisunterstützender Merkmale der Lehrer*Innensprache mit Hilfe einer eigens entwickelten Professionalisierungsmaßnahme angestrebt. Durchgeführt wird dies im Rahmen einer empirischen Untersuchung mit quantitativer und qualitativer Methodik, bei der der Mixed-Methods-Ansatz (z.B. KUCKARTZ 2014) gewinnbringend sein kann.  Neben quantitativen Auswertungsmethoden können videografierte Unterrichtsstunden und Interviews mit Lehrkräften mit Hilfe qualitativer Inhaltsanalysen (vgl. MAYRING 2015) auf Effekte der Professionalisierungsmaßnahme hin analysiert werden.

Literatur

ACOSTA-RODRÍGUEZ, V. M./ HERNÁNDEZ-EXPÓSIT, S./ RAMÍREZ-SANTANA, G. M. (2022): Intervention for oral language comprehension skills in preschoolers with developmental language disorder. In: International Journal of Language & Communication Disorders. 57:1 (90–102).

BERG, M./ SCHIEFELE, C. (2021): Entwicklung des kindlichen Sprachverständnisses in den ersten beiden Schuljahren am SBBZ Sprache. In: Forschung Sprache. E-Journal für Sprachheilpädagogik, Sprachtherapie und Sprachförderung. 3/2021(19 – 30). Online unter: https://www.forschung-sprache.eu/fileadmin/user_upload/Dateien/Heftausgaben/2021-3/Berg_Schiefele.pdf Zugriff: 17.07.2023, 12.20 Uhr.

ELBEN, C. E. (2000): Sprachverständnis bei Kindern. Untersuchungen zur Diagnostik im Vorschul- und frühen Schulalter. Münster: Waxmann.

HACHUL, C./ SCHÖNAUER-SCHNEIDER, W. (2020): Sprachverstehen bei Kindern. Grundlagen, Diagnostik und Therapie. 4. Auflage. München: Elsevier.

HAGEN, A. M./ MELBY-LERVAG, M./ LERVAG, A. (2017): Improving language comprehension in preschool children with language difficulties: a cluster randomized trial. In: The Journal of Child Psychology and Psychatrie. Special Issue: Developmental Language Disorders. 58:10 (1132 – 1140).

JUNGMANN, T./ MIOSGA, C./ NEUMANN, S. (2021): Lehrersprache und Gesprächsführung in der inklusiven Grundschule. München: Ernst Reinhardt.

KUCKARTZ, U. (2014): Mixed Methods. Methodologie, Forschungsdesigns und Analyseverfahren. Wiesbaden: Springer VS.

KURTZ, M./ MAHLAU, K. (2022): Einsatz von Modellierungen im sprachheilpädagogischen und inklusiven Unterricht. In: Forschung Sprache. E-Journal für Sprachheilpädagogik, Sprachtherapie und Sprachförderung. 1/2022 (33 – 50). Online unter: https://www.forschung-sprache.eu/fileadmin/user_upload/Dateien/Heftausgaben/2022_1/Forschung_Sprache_1_22_4_Kurtz_Mahlau.pdf Zugriff: 25.07.2023, 10:03.

MAHLAU, K. (2015): Evaluationsstudie zur Effektivität von Sprachförderung und Unterricht im Rügener Inklusionsmodell bei Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen. In: GROHNFELD, M. (Hrsg.): Inklusion im Förderschwerpunkt Sprache. 1. Auflage. Stuttgart: Kohlhammer.

MAYRING, P. (2022): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinheim: Beltz.

SALLAT, S./ HOFBAUER, C./ JURLETA, R. (2017): Inklusion an den Schnittstellen von sprachlicher Bildung, Sprachförderung und Sprachtherapie. Eine Expertise der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WIFF). München: Deutsches Jugendinstitut e.V. Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF). Band 50.

SALLAT, S./ SCHÖNAUER-SCHNEIDER, W. (2015): Unterricht bei Kindern mit Sprach- und Kommunikationsstörungen. In: Sprache Stimme Gehör (Sprache · Stimme · Gehör) 39 (02) (70-75).

WESTDÖRP. A. (2010): Möglichkeiten des gezielten Einsatzes der Lehrersprache in kontextoptimierten Lernsituationen zum sprachfördernden Unterricht. In: Sprachheilarbeit. Fachzeitschrift für Sprachheilpädagogik und akademische Sprachtherapie. 1/10 (2 – 8).