Das Gegenstandsfeld

Das Gegenstandsfeld

Die Nachwuchsforschergruppe untersucht in drei Promotionsprojekten die Steuerung, Organisation und das Erleben von Bildungsprozessen in segregierten Quartieren. Sie verbindet Analysen zur Entwicklung lokaler Bildungssysteme mit solchen zu organisationalen sowie lebensweltlichen Bildungsprozessen.

Der Rahmen: Segregierte Quartiere als Bildungsräume

Die Promotionsprojekte in der Nachwuchsforschergruppe „Segregierte Quartiere als Bildungsräume“ erforschen Bildungsprozesse aus einer sozialräumlichen Perspektive. Dabei werden Stadtteile und Stadtviertel als durch das praktische Zusammenwirken und -handeln von Menschen, Institutionen und materieller Umwelt hervorgebracht betrachtet, also ganz umfassend als Sozial-Räume verstanden.

Durch die Arbeit der Gruppe sollen vor allem zwei Aspekte grundlegend untersucht werden: Zum einen die Frage danach, welche Rolle sozial- und infrastrukturelle sowie institutionelle Bedingungen von Quartieren bei der Gestaltung von Bildungsprozessen spielen; zum anderen, in welchem Verhältnis Bildung und Sozialraum zueinander stehen. Diesen Forschungsfragen gehen die empirischen Studien der Gruppe auf verschiedenen Ebenen des Bildungssystems und mit Blick auf unterschiedliche Phänomene nach:

Theoretische Grundlage der interdisziplinären Gruppe bildet die Wissenssoziologie. Entstehung, Verbreitung und Wirkung von Wissen werden analysiert und in Verbindung mit den machtanalytischen, ungleichheitstheoretischen und bildungstheoretischen Perspektiven der Arbeiten gebracht. Die Forschungsprojekte der Gruppe sind rekonstruktiv angelegt und arbeiten mit qualitativen Methoden der Sozialforschung. Das Verhältnis von Sozialraum und Bildung wird dabei auf der Ebene des Wissens und Handelns der beteiligten Akteure in Bildungspolitik und -verwaltung, Bildungsinstitutionen und darüber hinaus im Sozialraum untersucht.

Unsere Analysen gehen von sogenannten benachteiligten Quartieren aus. Diese sind in besonderem Maße durch das Aufeinandertreffen von sozio-ökonomischer Benachteiligung und sozialer Exklusion ihrer Bewohner_innen gekennzeichnet. Projektspezifisch werden vergleichende Fallstudien zu weiteren Quartieren angefertigt.

Entwicklung lokaler Bildungssysteme

Die Dissertation von Stefanie Wittich untersucht aus einer politikwissenschaftlichen Perspektive das Quartierswissen kommunaler bildungspolitischer Akteure. Sie fragt nach charakteristischen Merkmalen des Images bestimmter Stadtviertel sowie  nach der handlungsleitenden Wirkung damit einhergehender Orientierungen von AkteurInnen in der bildungspolitischen Arbeit. Theoretisch orientiert sich ihre Analyse an zwei Strängen, zum einen an der Raumtheorie mit einem speziellen Fokus auf Raumproduktion, Urban Governance und Images von Räumen, zum anderen an der Wissenssoziologie mit einem speziellen Fokus auf Formen des Differenzwissens bei Professionellen. Die Untersuchung wird am Beispiel dreier Quartiere durchgeführt, die sich in der Konstitution ihres Bildungsraums unterscheiden. Untersucht werden politische Dokumente und Interviews mit bildungspolitischen Akteuren. Erwartet wird eine intensive Beschreibung der Bildungssituation in den Quartieren sowie eine Analyse des impliziten und expliziten Quartierswissens. Am Ende steht eine Bewertung der Rolle des Quartierswissens in der Wechselwirkung von sozialräumlicher Segregation und Bildungsungleichheit.

Schulische Ordnung und Subjektivierung

Das Promotionsprojekt von Thorsten Hertel untersucht Praktiken der Etablierung und Aufrechterhaltung, aber auch der Brechung und des Unterlaufens schulischer Ordnungsstrukturen aus machtanalytischer Perspektive. Dazu wählt das Projekt einen Fokus auf sozial benachteiligten Quartieren deutscher Großstädte, wobei davon ausgegangen wird, dass sich die Widersprüche sozialer Verfasstheit mit ihren ausgrenzenden und marginalisierenden Effekten in diesen Räumen verschärft zeigen und ebendiese Effekte auf der anderen Seite durch schulische Praktiken reproduziert und verstetigt werden.

Über die Interpretation von Gruppendiskussionen und Interviews mit schulischen Akteuren aus vier kontrastiv angelegten Fallstudien mittels der dokumentarischen Methode (Bohnsack) sollen dazu Strukturen und Praktiken der Verhaltensnormierung, insbesondere solche des Disziplinierens und Strafens, durch die Rekonstruktion der ihnen zugrundeliegenden handlungsleitenden Wissensbestände erschlossen werden. Die Arbeit soll damit 1) zu einem tieferen Verständnis schulischer Ordnungspraxis beitragen, diese 2) im Zusammenhang übergeordneter sozialer Strukturen verstehen und 3) einen Beitrag zu Erklärung aktueller Ungleichheitslagen im Bildungssystem leisten. Damit soll 4) eine Basis für die anschließende Entwicklung von Perspektiven der Überwindung ebendieser Strukturen und Routinen geleistet werden.

Informelles Lernen

Das Promotionsvorhaben von Daniel Ganzert beschäftigt sich mit der Frage, welche Foren und Räume Jugendlichen in benachteiligten Quartieren aktuell zur Verfügung stehen und inwiefern sie ihre eigenen Ideen an diesen Orten entwickeln können. Es handelt sich dabei um eine rekonstruktive Studie, die im Zusammenhang der Erforschung sozialstruktureller Benachteiligungen im Kontext sozialräumlicher Segregation auf der Ebene der Sozialisation steht. Die Arbeit konzipiert eben genannte Lernhandlungen als Bildungsprozesse, die empirisch mithilfe von Gruppendiskussionen und ihrer Auswertung mit der dokumentarischen Methode analysiert werden sollen.