Kalliope-Blog

Von Johannes Küssner Hinweg, Rückweg, in sich gekehrt

 

Sobald die Tür sich leise geschlossen hat und er, wie immer, müde von gestern noch sich setzt, den Kopf zurück geneiget. Langsam nun fährt er so hin und schweiget. Und trotz der Vielen tritt bei ihm Stille ein. Vorüber ziehen etliche Menschen ihm. Doch er senkt nicht den Blick zu ihnen. Niemanden hört er, bloß seine Stimmen. All jene welche schweigend gewesen sind, die stellen plötzlich nagende Fragen ihm: „Obwohl du wenig Muße hattest, weißt überhaupt du noch etwas? Wenn dann so sage uns doch, was du erklären kannst! Ganz klar und deutlich soll deine Antwort sein! Doch nichts! Nur wirre Bilder ohne jegliche Ordnung und sonst bloß Chaos!“ Doch alle Stimmen hallen nur dumpf in ihm und keiner gibt er, hätt er es auch versucht, nur eine Antwort, da er lieber schwelget in seiner so kurzen Ruhe. Sobald die Tür sich leise geöffnet hat und er, wie immer, langsam nur sich erhebt. So wie von einer fernen Reise, geht er nun zögernd der Hast entgegen.

                                                                                                    

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Zurück kommt er und setzt sich wie vorher, still und müde wartend. Keine Erkenntnis war ihm heut‘ beschieden, nur noch neue Informationen, die jetzt in seinem so müden Hirn sich türmen und türmen. Doch er kann sie nicht mehr ordnen, weshalb er nun vermeint, dass er nichts weiß und könne. Alles verschwindet in dieser Fülle. Warum denn lernt er? Alles verrinnt sofort! Doch jetzt ganz plötzlich tritt bei ihm Stille ein. Vertraut‘ und unbekanntes Raunen wispert kaum merklich nun seine Klage:

 

Große Mühe war mir und doch ist mir nichts geblieben.

Vieles hab ich gelernt, nichts davon bleibet in mir.

Stetig sind meine Blicke in die Ferne gerichtet.

Ist die Stufe erreicht, wartet die nächste bereits.

Alma Mater! Warum ist keine Zeit mir gegönnet?

Diese aber ich brauch, um zu verstehen den Sinn.

Deine Früchte der Lehre habe so ich verschlungen:

Ohne Rast und Genuss! Ist dies von dir so gewollt?

 

Sollte nicht zum Verstehen Zeit mir bleiben und Ruhe?

Wiedergeben allein heißt nicht begreifen den Kern!

Daher bleiben so deine Worte wirkungslos mir, sie

Gehen kurz durch mich durch, treten jedoch keine Spur.

 

Und darauf hebt er freudig den hellen Blick. Denn seine Klage hat ihm jetzt offenbart, dass möglich ist, dass alle Lehren unbewusst ihm, ihn durchsogen haben, dass trotz der Hektik alle vorhanden sind. Und keine Früchte, wie er geglaubet hat, denn wurden ihm geboten, sondern Keime, die langsam und leise sprießen. Sobald die Tür sich leise geöffnet hat und er, nun diesmal sicher jetzt sich erhebt, da traf ihn letztlich der Gedanke: „Was wäre wenn bereits all mein Denken von all den Dingen, die ich gelernet hab, schon so durchtränkt ist, dass ich es kaum noch fühl‘? Verändert wär so auch mein »Denken über das Denken«, was ich nicht merkte.“ Was ihm zur Kenntnis, ward ihr zum Lob gemacht, denn die Gedanken waren ein kunstlos Lied. Und leise lächelnd stieg sodann er sicheren Schrittes der Welt entgegen.

 

 

 

(c) Riessdo

Von Cornelia Schneider Studentisches Faultier

 

Am Morgen schält sich der Student aus den Federn. Das tut er der Art, wie sich eine Banane aus ihrer Hülle schält, wenn sie noch unreif aber schon essbar ist; wo sie noch recht viel Grün und recht wenig Gelb trägt also. Von solcher Art Banane lösen sich die aus Bitterstoffen geflochtenen Fädchen nicht wie gewollt  beim Schälvorgang ab, sondern kleben unverfroren weiter  an der eigentlichen Frucht. Ebenso bemüht sich der Student des Morgens seine warmen Daunenhüllen abzustreifen von der müden Haut, die sich jetzt beim besten Willen nicht aus den warmen Kissen pellen mag. In der Nacht zuvor hat diese Haut seine durstige Seele zuverlässig durch die Semesterparty getragen und  dabei hie und da ein deodorantes Gemisch transpiriert. Ob  Prüfungspanik-Schweiß   oder ein Rinnsal den  das Tanzen stiftete. Das kann er - der Student-  nicht mehr gänzlich diagnostizieren, als am Morgen seine Nase im Halberwachen in seine rechte Achselhöhle vorstößt. Dies ist aber doch der Moment, in dem jener beißende Geruch ihn ganz erwachen lässt. Er rafft sich auf, sein Bettzeug rafft er irgendwie - nur nicht ordentlich-  zusammen;  und ob er selbst gleich im Seminar etwas raffen wird, darüber denkt er jetzt nicht nach.

Auf seinem Schreibtisch strecken sich blasse Eselsohren schlapp unter Bücherkanten hervor. Seine Augen flimmern leicht suchend aber mehr betrachtend über diese Stapelhochburg. „Fulminant diese Türme und Anhöhen, geradezu anmutig!“, denkt er bei sich. Dort kreuzt ein Stift die getragene Socke und an der Kaffetasse, unweit der Tischkante, kräuseln sich die Skripte, die er sucht, zu einem knitterfaltigen, staubbetupften Mosaik zusammen. Ein wenig wehmütig fühlt er sich gedrängt, die monumentale Schreibtischkunst zu zerstören und zerrt beherzt an jenen Papieren, die er  für heute in seine Tasche stopft.

Frühstück wird überbewertet, meint er, und schlachtet im Bad die akademische viertel Stunde aus, die ihm an eigentlicher Stelle nachher fehlen wird. In später Minute erreicht er seine U-Bahn und gleich darauf die Masse aus Studierenden und Professoren, die ihm das Bindeglied zum Aufzug sind. Von diesem sieht er keinen splittergroßen  Ausschnitt  und doch kann er zwischen den gedrungenen Gehirnmassen hindurch erahnen, dass sich an dortiger Stelle immer schon die Aufzugtür befand. So bleibt er unerschütterlich in seinem Glauben, dass sie wohl auch heute noch eben dort sei, hinter der Menschenansammlung stehen.  Seine Beharrlichkeit zahlt sich aus, als er sich inmitten der Gehirnmassenverdichtung einem schleusenähnlichen Vorgang hingibt und sich von der allgemeinen menschlichen Bewegung in den gähnenden  Schlund des Aufzugs mitziehen lässt. „Irgendjemand drückt immer die richtige Etage“, denkt er sich und überlässt den Fingerslalom, den er jetzt betreiben müsste, um zwischen Professorenanzügen und  studentischen Hipster-Bärten bis zum Etagenknopf hindurchzugreifen,  jemand anderem.  im Grunde, fällt ihm ein, dass gar niemand seine Etage, die drei, drücken muss, denn erfahrungsgemäß gehen selbst Aufzüge hier einem akademischen, Kant’schen Habitus nach und haben Mut sich ihrer eigene Ratio zu bedienen, denn sie pausieren sogar selbstständig auf jenen Etagen, für die niemand gedrückt hat. Kaum zu Ende gedacht, steigt er aus und sieht den vielen Gehirnen,  beim Auseinanderstreben in alle Richtungen zu. Er muss an Formationen der Zugvögel denken, und fliegt seinerseits  gedankenbehangen durch die Flure, hin zu seinem Seminarraum. An der Tür angelangt, blickt ihn ein karger Zettel an: „Das Seminar für angewandte, universitäre Inhalte fällt heute krankheitsbedingt aus.“ Auf seiner Zunge bettet sich süß der Geschmack von Bananen. Er weiß nicht recht warum. 

Von Lisa Kischel halb eins

 

magisch. weltfremd. faszinierend. euphorisch. surreal.

Meine Welt. Unsere Welt.
Wir feiern Partys. Nichts Neues? Wir feiern Partys im Präpsaal. Neugierig? Nun denn. Tod und Leben gehen immer einher. Wir verdrängen dies oft. Nicht nur wir. Ihr auch. Aber wir können nicht die Augen davor verschließen. Können nicht nicht hinsehen. Müssen nicht ignorieren. Wollen wissen, wollen lernen.
Wie damals bei der Einschulung. Große Augen. Sie leuchten. Sie zucken. Sie spiegeln. Spiegeln das kalte Licht, die weißen Fliesen. Hallende Nervosität zwischen den niedrigen Decken. Festklammern an vertrauten Händen. Erzwungenes Loslassen. Allein. Allein in der Gruppe. Statt Schultüte ein Kasten. Statt Schokolade scharfes Metall. Dieselben, unsicheren Blicke. Dieselbe Angst. Davor, was jetzt kommen mag.
Blicke schweifen. Blicke bleiben hängen. An den unförmigen Bergen. Bedeckt mit Plastik. Und den Konturen. Menschlichen Konturen. Kaum Halt. Nur noch der kleine Kasten. Fest umklammert. Nervöses Grinsen. Lachen. Nur der Mund. Augen weit.
Und doch. Angst schweißt zusammen. Eine Einheit. Jeder Tisch. Und jetzt Neugier. Neugier vor dem Tod. Dem Menschen. Dem Menschen unter dem Tuch. Der Schnittstelle zwischen Theorie und Realität. Zwischen Buch und Fleisch. Zwischen Ideal und Natur.

Noch vor kurzem wars eine Tanzfläche. Des Lebens.
 Leben. Trinken. Tanzen. Im Präpsaal. Bunte Lichter auf den weißen Fliesen. Kondensierter Schweiß an den Wänden. Nasse Bierpfützen am Boden. Dreckige Fußabdrücke. Melancholie der Alten. Faszination der Jungen. Euphorie was kommen mag.

Ganz anders nun. Und doch gleich. Wieder kondensierter Schweiß. Statt Bier Desinfektionsmittel. Dreckige Fußabdrücke. Das Tuch wird gelüftet. Schock. Moment. Neugier. Erleichterung. Der Tod hat sich konserviert. Hat sich verkleidet. Sieht aus wie eine Puppe. Kein Mensch. Ein Mensch. Wir schauen auf. Nur durch Tod auch Leben. Erstaunlich.
Wir werden eine Einheit. Eine Familie. Lehrer und Schüler. Freunde. Kommilitonen.
Leiden gemeinsam. Lernen gemeinsam. Lehren gemeinsam. Schneiden. Sehen. Vergleichen. Theorie und Realität. Buch und Fleisch. Ideal und Natur. Leben und Tod.

Wir schwitzen nicht mehr. Nur bei den Prüfungen. Transformation. Gewohnte Umgebung wird gefürchtet. Aber wir. Wir sind eine Einheit. Bestehen gemeinsam. Versagen gemeinsam. Feiern gemeinsam.

Und es geht schnell. Der Tod? Das Ende. Respekt vor dem Tod. Respekt vor den Toten. Respekt vor den Menschen. Dankbarkeit. Trauer. Abschied.

Der Kreis schließt sich. Leben. Trinken. Tanzen. Im Präpsaal. Melancholie. Alles so fern. Alles so nah. So surreal. Und wir treffen uns. Eine Einheit. Familie. Freunde. Um halb eins. An der Theke. Im Präpsaal. Und wir trinken. Auf den Tod, das Leben und auf uns. Salz. Tequila. Zitrone. Auf den Tod, das Leben und auf uns.

Von Isabell Boyer An den Grenzen des Vermöglichbaren – oder: Die Geschichte des Campus Copernikus und dem verlorenen Credit Point.

 

Die heutige Gesellschaft hegt eine große Anzahl von Normen, Erwartungen und Vorstellungen, die ein jeder Student erfüllen muss. Ist er einerseits ein moderner Nachfahre der antiken Gelehrten und muss somit Weisheit und Können für das sich stetig verändernde Gesicht der Forschung aufbringen, so ist er andererseits der heranwachsende Spross eben jenes Verbundes erwachsener Menschen, die die Geschichte und Kultur unseres Landes geprägt haben. Sie erwarten, dass der Studierende weiß, wie er ein selbstständiges Leben zu führen hat, mitsamt allen Regeln, Verhaltensweisen, finanziellen Eskapaden und aufkommenden Eventualitäten. Was viele dabei vergessen, ist, dass nicht wenige Studierende heutzutage von der Schule direkt in die Uni katapultiert werden, aus ihren Ausbildungsberufen eine Auszeit nehmen, um sich weiterzubilden, oder den klaren Weg verfehlen, den sie eigentlich nach Bologna gehen sollten und somit erste, zweite und dritte Anläufe nehmen, begleitet von häufig kraftraubenden Nebenberufen. Die Studierenden treten somit an ihre körperlichen und psychischen Grenzen; oder besser: an die Grenzen des Vermöglichbaren. Der Begriff des Vermöglichbaren basiert auf den Lehren des allseits bekannten Philosophen Barnabus Stinsonian, dessen direkter Nachfahre in der Populärkultur wiederzufinden ist. Nicht wenige kennen die Filmreihe „Wie ich deine Mutter traf“, in der sein Erbe sein Debüt feierte und die 150 Gebote der Broschaft etablierte. Barnabus Stinsonians Theorie des Vermöglichbaren äußert sich wie folgt: Wo das Mögliche und das Unmögliche aufeinandertreffen, tritt das Vermöglichbare in Kraft. Lediglich der Mensch ist zum Vermöglichbaren fähig. Dabei nimmt er das Unmögliche in den Fokus, verformt und verändert dies nach seinem Ermessen und schafft es schließlich, am unmöglichen Sachverhalt vorbeizuziehen und diesen möglich zu machen. Studierende schaffen dies in erstaunlich vielen Dingen: ob sie durch ihre Arbeiten in der Forschung neue Erkenntnisse erzielen oder nach einer langen, durchzechten Nacht am nächsten Morgen um sieben Uhr in der Uni erscheinen; ob sie nach getaner Arbeit über ihren Hausarbeiten grübeln oder am Wochenende ihre Familie, ihren Referatspartner und ihre Fachschaftskollegen treffen, bevor sie zu ihrer Nachtschicht aufbrechen – dem Studierenden scheinen keinerlei Grenzen gesetzt. Die Gesellschaft geht davon aus, diese Leistung tagtäglich von ihren Zöglingen erwarten zu können. Doch leider, so mussten die Universitäten, Familien und Arbeitgeber feststellen, werden ihre Sprösslinge schwächer und schwächer. Kaum einer der bereits ausgewachsenen Vorbilder versteht, warum ein Student nach dem anderen sich immer mehr zurückzieht, seine Wahl des Werdegangs anzweifelt oder möglicherweise sogar sein Lager abbricht. Das Vermöglichbare fordert seinen Tribut. Leben ist für viele Studierende nur noch Luxus. Etwa ein erfülltes Leben oder Erfolg in Lehre und Forschung. Muss das so sein? Um dieses Problem näher zu beleuchten, berichte ich nur zu gern von einem speziellen, aber aktuellen, Fall. Es handelt sich dabei um einen jungen Mann, der zu der von Zweifeln geplagten Rasse gehört: Campus Copernicus, 22 Jahre alt, 3 Jahre nach dem Abitur, 1 Jahr nach seinem Fachwechsel von der Naturwissenschaft in die Geisteswissenschaften. Campus hat in seinem derzeitigen Semester mit zahlreichen Monstern zu kämpfen – PO, Psycho und Finanzio nennen sie sich. Sein einziger Freund, mit Namen Muse (er besteht auf die englische Aussprache seines Namens) steht ihm in seinem tapferen Kampf gegen die Eintönigkeit zur Seite, doch kann dieser verhindern, welch folgenreiche Tragödie den armen Campus ereilen wird?

Ein weiterer trostloser Tag in der Cafeteria. Campus stocherte lustlos in seinem Stück Käsekuchen herum, das zu seinem Entsetzen erneut im Preis angehoben worden war. Nicht nur, dass der Supermarkt in der Nähe seiner WG wegen Umbaus zurzeit geschlossen war und er eine halbe Weltreise antreten musste, um zuhause etwas Essbares zu ergattern, jetzt machten ihm die Preise innerhalb seiner Lernoase auch noch Probleme. Beinahe wollte er sich in seiner bitteren Melancholie des matschig kalten Käsekuchens verlieren, als plötzlich Muse, der sich einige Monate rar gemacht hatte, auf der Bildfläche erschien und es doch tatsächlich wagte, sich ohne jede Zurückhaltung auf den Stuhl vor ihm zu setzen. „Na, Kumpel, alles frisch?“ Campus' Blick hob sich. Im ersten Moment funkelten die grün-grauen Augen zu dem breiten Lächeln des Künstlers vor ihm auf, dann verengten sie sich argwöhnisch. „Du lebst also noch. Schön, dass du dich einmal dazu bequemst, mit mir zu reden. Wo warst du die letzten Monate?“ Muse grinste. „Drehen.“ Campus zog seine Stirn so kraus, dass sein bester Freund lachen musste. „Ein TVDreh, Campus! Du weißt schon.. so, wie wir es immer vorhatten.“ Campus, dessen schwarze Haare ihm in langen, glatten Strähnen ins Gesicht hingen, seufzte schweren Herzens. „Wir wollten das zusammen machen, hast du das etwa vergessen?“ - „Ich weiß, ich weiß... aber überleg' doch mal: Mit der Kohle könnten wir zusammen aufs Festival fahren oder... mal richtig Essen gehen.“ Muse' Lächeln war doch tatsächlich ansteckend, er konnte sein Schmunzeln kaum verbergen. „Das klingt verlockend, aber erst einmal müssen wir die Miete zahlen – und, nicht zu vergessen, den Semesterbeitrag. Der ist auch in einem halben Monat fällig.“ Muse seufzte und rollte genervt mit den Augen. „Lass uns mal wieder Spaß haben, Campus! Wir haben schon die alte Band gecancelt, das Schauspiel ist seit Jahren raus und Germanistik hast du dieses Semester auch gestrichen. Wie lange wollen wir noch warten, bis etwas passiert?“ Campus antwortete ihm lediglich mit einem herzzerreißenden Seufzen und ließ seine Plastikgabel erneut in das Fleisch des Käsekuchens eindringen, bis es zerbarst und in einer breiigen Struktur auf dem Teller zurückblieb. „Komm am Freitag mit!“ - „Freitag? Du meinst.. morgen? Aber... dann kann ich den Sprachtest am Ende des Semesters nicht mitschreiben.“ Muse sah ihm fest in die Augen. „Komm schon! Ich handle auch mehr Gage für dich raus, wenn du mitmachst. Dann kannst du dir endlich etwas von dem leisten, was du dir so lange gewünscht hast.“ Campus seufzte. Französisch hatte er als Abdeckerkurs gewählt, schließlich musste er im 2-Fach-Bachelor sowohl seine beiden Hauptfächer erfüllen, als auch den Ergänzungsbereich, der in 3 Kategorien aufgeteilt war. Eigentlich mochte er die elegante Sprache schon, doch hatte er bereits zwei Mal gefehlt. Zweimaliges Fehlen in Sprachkursen hieß, dass man nie mehr fehlen durfte, sonst war jeder Aufwand über das Jahr hinweg umsonst. Würden die Leute in der Uni doch nur verstehen, wie gemein und anhänglich Psycho, sein Mitbewohner, sein konnte. Er hatte ihn nur zu oft vor sich sitzen gehabt, davon in brummiger Stimme plappernd, wie unangenehm die Welt dort draußen war und wie unnütz Campus den Menschen dort vorkam. Wenn dieser trotz aller Skrupel dennoch aufstehen wollte, klammerte sich der quengelige Psycho solange an seinem Bauch und seinen Beinen fest, bis er unter seinem Gewicht zusammensackte und sich schließlich doch dazu überreden ließ, im Bett zu bleiben (wer hätte schon ahnen können, das ein so kleiner Kerl so schwer sein konnte?). „Komm schon... so eine Gelegenheit kriegst du so schnell nicht wieder. Außerdem wird Finanzio sich sicher freuen. Er liebt es doch so, etwas mehr Geld für neue Möbel zu haben.“ Campus' Blick zuckte hoch. Finanzio. Ein kleiner, aufdringlicher, überkorrekter Mistkerl, der mit Psycho ein Zimmer bezog. Nicht nur, dass die beiden unzertrennlich waren, der Bankangestellte fragte Campus so oft nach vermeintlich gemeinsamen Investitionen, dass Campus gar nicht mehr wusste, wie ihm der Kopf stand. „Wenn ich das mache, dann tue ich das für mich und nicht für ihn.“ Muse grinste. „Eine löbliche Einstellung, das muss ich dir lassen“, lobte er ihn und klopfte dem jungen Mann mit den grün-grauen Augen anerkennend auf die Schulter. „Und mach dir bloß keine Sorgen um unseren PO... der lässt dir schon noch genug Zeit.“ Das war ein wunder Punkt. PO, der Fachschaftsvorsitzende, war Campus' großes Vorbild. Leider veränderte er seine Ansprüche immer und immer wieder und war deshalb kaum für außenstehende Studenten nachvollziehbar. Nur ausgewählte Angehörige seines Fachbereichs wussten mit ihm umzugehen. Doch dies minderte nicht seine außerordentlichen Fähigkeiten in seinem Fachbereich. Er war atemberaubend gebildet. „Bist du dir sicher? Ich will ihn nicht enttäuschen“, warf Campus ein und biss sich verunsichert auf die blasse Unterlippe. „Mach dir keinen Kopf. Du bist klug genug, um die restlichen Kurse innerhalb von einem Semester wieder aufzuholen. Komm morgen einfach mit. Wir rocken da das Studio, glaub mir!“ Campus haderte zwar mit sich, doch sah er schließlich ein, dass es das Richtige war, die Chance zu ergreifen und mit Muse im Schlepptau den ersten Filmdreh seines Lebens anzugehen. Wann würde sich ihm noch einmal eine solche Gelegenheit bieten? Also brach Campus am darauf folgenden Tag um 5 Uhr morgens auf, um den Zug zum abgesprochenen Drehort zu erreichen. Er war guter Dinge und las unterwegs voller Hingabe das Drehbuch ihres Auftrags, das ihm am Abend zuvor per Mail geschickt worden war. Doch war er so sehr in seine Aufgabe vertieft, dass er gar nicht bemerkte, wie zwei junge Frauen, die nachweislich Zwillinge waren, an ihm vorbei eilten. Sie waren auf dem Weg zu eben jenem Französischkurs, den er eigentlich hatte besuchen wollen. Elena Cinja und Tiana Sara Bologna sahen ihrem Lieblingskommilitonen mit Tränen in den Augen nach – sie fühlten sich dem jungen Mann seit Anbeginn seines Studiums verbunden, doch hatten sie sich, bis auf eine flüchtige Begegnung in einem ihrer Seminare, nie besonders intensiv unterhalten können. Wieder war er vor ihnen weggelaufen, wieder hatte er nicht eingehalten, was er ihnen am Anfang des derzeitigen Semesters so freudig und überzeugt versprochen hatte. Ein weiterer, verlorener Tag für sie, dafür ein weiterer Sieg für das mühselige Leben des Campus Copernicus, das sich selbst zu verbessern versuchte. Doch würde er jemals zu Elena Cinja und Tiana Sara finden? Würde er jemals zu seinen Erfolgen zählen können, sie getroffen und mit ihnen Freundschaft geschlossen zu haben?

Die Geschichte des Campus Copernicus findet bis heute kein Ende. Natürlich hoffen die Zwillinge Bologna, dass er Muse eines Tages hinter sich lassen wird, ebenso wie Psycho, und dass er sich letztendlich mit Finanzio arrangieren wird, um schließlich mit PO auf einer Stufe zu stehen. Die beiden Damen werden ihn sicherlich gern dabei unterstützen. Bis dahin allerdings ist er ein Beispiel für all die Studenten, die tagtäglich in den Hörsälen sitzen, Wohnheimpartys organisieren und sich abends die letzte Folge von „Wie ich deine Mutter traf“ reinziehen. Studierende brauchen einen Muse. Jemanden, der sie inspiriert und ihnen ein Lächeln schenkt, wenn Psycho ihm wieder aufs Gemüt drückt. Jemanden, der ihn einmal eine Nacht schlaflos sein lässt, weil er ein unglaublich gutes Buch oder Videospiel gefunden hat. Jemanden, der ihn zu interessanten Themen verleitet und ihn dazu bringt, seinen Ideen zu folgen und sie umzusetzen. Denn erst, wenn Psycho ausgezogen ist und der Studierende mit Muse wieder das Lächeln und die Liebe am Leben wiedergefunden hat, ist er fähig, das Mögliche zu erfüllen, das Unmögliche hinter sich zu lassen und schließlich das zu verwirklichen, wofür seine Rasse ursprünglich geschaffen wurde: das Vermöglichbare.

Von Nathalie Beinlich [ohne Titel]

 

Ich liebte. Und ich litt. Und ich mochte es.

Du brachtest mich zur Verzweiflung. Ließt mich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen; laut Fluchen, Seufzen, Augenrollen. Dann habe ich dich gehasst. Und wollte dich nur von mir stoßen. Und manchmal habe ich dies auch getan. Doch nie lange. Nicht wirklich.

Ich zog dich wieder an mich heran. Atmete ein. Ließ Gesagtes Revue passieren. Atmete aus. Machte weiter. Verliebte mich erneut.

Manchmal nahm ich dich mit auf Reisen (- wie du mich auf Reisen nahmst). Genoss die Art, wie du fremde Landschaften mir bekannt machtest; vertraut. Und so sah ich vieles, was vielen verwehrt bleibt. Verträumte Dörfer mit kurvigen Gassen und große Stahlstädte an purpur-blauen Flüssen. Das kleine Wäldchen, in dem die moosversteckte Klosterruine ruht. Und die große Windmühle, die sich stoisch im Westwind dreht. Der Garten mit dem Riesen, das Königreich der Drachen und die Welt hinter dem Spiegelglas. Die verrauchten Clubs New York City's und die gospel-erfüllte Luft der amerikanischen Südstaaten. Futuristische Bauten, Holzhütten, fliegende Schlösser. 1984 und 2033. Alles.

Manchmal wollte ich mich nicht mit dir beschäftigen. Du wurdest mir aufgezwungen. Dann tanzten wir nachts Tango. Ein hitziges hin und her. Es war nicht einfach. Oft hast du gesiegt; mich überzeugt; triumphiert. Nur bei Thomas Mann blieb ich stur. Zu Recht. ...'Tschuldigung.

Du ließt mich in verschiedene Rollen schlüpfen. Du wolltest es so. Ich sagte nicht nein. So war ich vieles, was vielen verwehrt bleibt: Eine starke Frau im eng-geschnürten Korsett (bildlich wie sinnbildlich). Ein Kind mit wildem Haar und Flausen. Ein Pilger. Ein Handelsvertreter. Ein Käfer. Der Apfel im Käfer. Der Apfel im toten Käfer.

Du öffnetest mir ihre Seele. Du ließt mich herein. Du ließt mich für sie fühlen. Und mit ihnen. Und so fühlte ich vieles, was vielen verwehrt bleibt. Den Hunger nach Erfolg und das Streben nach Glück. Die Verzweiflung und Angst. Und die Hoffnung. Immer wieder die Hoffnung...

>> Ein Happy End? Manchmal. Erwartet? Nie.

Unsere Geschichte ist noch nicht zu Ende. Denn unsere Geschichte ist nicht eine. Unsere Geschichte sind viele. Manche schwer. Manche aufregend. OFT doch einfach viel zu kurz. Denn ich liebe, was ich lese und ich bin, was du mir gibst. Du bespielst meinen Kopf und ich danke dir. Danke.

[Ich liebte. Und ich litt. Und ich mochte es.] 

(c) Jeena Paradies

Von Laura Lewald Vanilla Dove. Hundertzwanzig Minuten Flügelschlag

 

Minusgrade. Tanzende Schneeflocken tauchen mit ihrer stummen Aggressivität die Welt in eine monotone Winterlandschaft, umspielen kühn militant mein Gesicht, um auf meinen Lippen ihren Tod zu finden. In der frostigen Luft liegt noch das verflossen anzügliche Potpourri aus heißem, sich mit Rum verbindendem kristallisierendem Zuckerhut über heißer Flamme, Sternanis, getrockneter Zitronenschale und Weihnachtsevergreens. Die frostige Endjanuarluft kommt durch meine Lungenflügel wie Heroin durch die Adern gerauscht, sie sticht ein bisschen, aber ich genieße jeden melancholischen Atemzug: christmas is over. In meinem vanillefarbenen Poncho-Federkleid fliege ich durch den Winterhimmel und scheuche mit den Füßen einige gierig nach Krümeln pickende graue Tauben auf. Keine Verspätung, ausgeschlafen, sine tempore im Hörsaal – ich bin doch kein Ersti. Neuntes Bachelorsemester, Regelstudienzeit, plus ein paar lebensbejahende Semesterchen, – Kiffen, Küssen, kein Bock, kommt ja immer irgendwas dazwischen – entscheidet ein weißes Blatt Papier heute über meinen Lebensverlauf. Hitze, Unruhe, undefinierbares Rauschen, der obligatorische Mikrofontest. Klapptisch aufund ab. Schon beginnen die üblichen Fragen. Kannst du das? – Nein. Hast du das was auf den Folien steht gelernt? – Ja. Ist das auch dein Zweitversuch? – Nein. Erstversuch? – Nein. Was? – Nerv mich nicht. Mein Körper schält sich aus dem Poncho, dreht sich weg und starrt auf den Klapptisch. Neben den üblichen Phallussymbolen entdecke ich eine ziemlich schlecht reingeritzte, initinalbehaftete Fratze und hektisch notierte Formeln. Bringt mir leider nichts, ob Calcium und Stickstoff wirklich Tricalcium-din – der Rest ist leider verwischt – bilden. Stattdessen ersticke ich vor Hitze, Unruhe und Nervosität in diesem Hörsaal, kann mal jemand den Temperaturregler tricalicibrieren? Mikrofon eins, zwei, drei. Alle Smartphones weg, alles fühlt sich gesundheitlich imstande und sie lassen die weißen Tauben durch den Raum fliegen. Eine landet auf meinem tricalicibrierten Fraztenklapptischchen. „Sie haben volle zwei Zeitstunden, sollten Sie zügiger voran kommen, bleiben Sie bis Ablauf der Zeit sitzen. Bei Fragen melden Sie sich mit Handzeichen. Toilettengänge wie gewohnt einzeln, Name angeben, bitte melden. Viel Glück.“ Wir fliegen los. Mein Name? Meine Matrikelnummer? Durchschnittlich. Gewöhnlich. Plain Vanilla. Und dann ist es Sommer und wir sitzen im kleinen Uni-Café, weil wir unsere Seminare schwänzen. Der Sommer ist zu kurz für Rechte, Pflichten, Literatur und unsere ohnehin nur 2 physische Anwesenheit. Mit zwei Vanilleeis am Stil renne ich dir bei dreißig Grad entgegen, meine Shorts ist ein bisschen zu eng. „Süß von dir. Aber immer nur Vanille?“, entgegnest du mir. „Meine Lieblingssorte.“, füge ich hinzu und beiße in das Eis, genussvoll essen ist nicht meins. „Wusstest du, dass man im amerikanischen Englisch zu allem was ziemlich gewöhnlich ist plain vanilla sagt? Das ist deren nullachtfuffzehn.“ Du beugst dich, weil ich fast einen Kopf kleiner bin, runter und grinst mich dämonisch an, sodass zwischen Necken und Bloßstellen nur ein schmaler Grat liegt: „Eine Eissorte für ein gewöhnliches, kleines Täubchen.“ Sekundenbruchteil, Flügelschlag und ich klatsche dir mein plain-vanilla-Eis-amStil ins Gesicht. Zu dumm, dass kaum noch was dran ist. Geschieht dir ganz recht Damon. Abends, es ist der Donnerstag vor meinem Zweitversuch, sitzen wir mit unserem Studiengrüppchen in unserer Stammkneipe und ich sauge zu kräftig an meinem schlecht gemixten happy-hour-Caipirinha. Mit einem ordentlich Zug erwische ich den reinen Billigfusel, spüre jedoch nichts, da die Rohrzuckerlimettenmasse meine Zunge betäubt. Wildgeworden stürme ich auf die kleine Tanzfläche, die Holzdielen knarren unter meinen Ballerinas. Mir gehört die Tanzfläche, wie der Rest dieser Welt! Ich lebe. Heute! Verdammt! Tanz tanz tanz. Puls. Takt. Puls. Takt. Puls. Beat! Damons wankende Hand reicht mir aus dem Nichts heraus einen Tequila-Shot. Kein Salz, keine Zitrone, runter damit – dann überwältigen mich seine volltrunkenen Küsse und alles schmeckt irgendwie nach Rohrzuckerlimettenmasse. Weiter geht der Taubenflug. Erster Block. Multiple Choice, aber was wenn ich gar keine Wahl habe? „Bitte, du kannst was machen! Du arbeitest an diesem Lehrstuhl, du wirst Dr. arrogant-und-enorm-wichtig, warum kannst du da Nichts drehen? Wenn ich da nochmal durchfalle, war’s das mit Studium.“ Meine verzweifelte Stimme ist viel zu laut für die Bibliothek und meine hektischen Hände wirbeln Unterlagen auf. Voll auf Konfrontationskurs! Bevor ich wirklich verzweifelt ausrasten kann zieht Adam mich von meinem Platz hoch. Da er gefühlte drei Meter groß ist, nicht sonderlich schwierig für ihn – er könnte mein Fressfeind sein. Adam zerrt mich durch die Reihen die von staubigem Wissen umgeben sind, umhüllt vom leicht muffigen Geruch alter Atemzüge und dem Gefühl verblasster Fingerabdrücke. Durch Bücherreihen, vorbei an durchtränkten Stücken mit rausgerissenen Seiten, undefinierbaren, getrockneten, klumpigen Etwassen auf den Seiten, Präsenzbestand und den Büchern, die sowieso immer verliehen sind wenn man sie braucht. Vorbei an Guattari und Foucault, Bourdieu, Weber und Co. Da sind meine geliebten Sartre und de Beauvoir. In meinem wirren Kopf stelle ich mir die beiden ein bisschen wie Bonnie und Clyde vor, nur intellektueller und leicht verrückt. Und rauchend. Mit Pfeife. Pfeif auf alles, wir lieben uns 3 einfach und fliegen. Oder ist das gar keine Pfeife? – ceci n’est pas une pipe. Kann man sich jetzt drüber streiten. Das ist Liebe, verdammt! Jetzt dreht mein Köpfchen auf, nur Adams Stimme reißt mich von meinen Gedankenkarussellpferdchen herunter: „Ich kann nichts drehen, ich wollte mit dir in Ruhe lernen und alles was du machst ist rumzicken. Reiß’ dich zusammen Phyllis.“ Verschränkte Arme, ich grummle: „’ntschuldgng Ad’m.“ Zweiter Block. Sechzig Minuten. Offene Fragen. Hat die nicht jeder in seinem kurzen Leben? Mit fünf habe ich das erste Mal in einem Hörsaal gesessen. Ich saß in der ersten Reihe und sie mussten eine Tasche als Gewicht auf den hölzernen Klappstuhl legen damit er mich nicht verschlang. Erinnerungen worüber referiert wurde habe ich nicht, ich saß ganz ruhig da und starrte Papa mit riesigen Augen an – viel zu viel Input. Jubel, Beifall, Glückwünsche, Händeschütteln. Die Veranstaltung ist schon lange vorbei und ich turne auf den Stufen, auf denen gerade noch etliche Menschen gehockt hatten, herum. „Das ist sie also? Sieht gar nicht aus wie du sagtest. Kleiner Engel? Rotstich in den Haaren und dann diese grauen Augen.“ Diese verächtlich kratzende Stimme klingt mir bis heute in meinen Ohren. „Was willst du hier? Verschwinde!“ Ich habe Papa noch nie so schreien gehört, erschrecke mich vor seiner Stimme, drehe mich ruckartig um und verliere augenblicklich das Gleichgewicht. Mein Kopf prallt hart gegen einen der hölzernen Klappstühle und rollt mit seinem kleinen Körper im schneeweißen Kinderkleid die Stufen hinunter. Ich fliege, ich falle, ich schreie, dann verliere ich das Bewusstsein. Die weißen Tauben fliegen davon und das Gerede geht weiter. Konntest du das? – Nein. Die offenen Fragen waren total schlecht gestellt! – Ja. Es kam das, was er ausgeklammert hat! Das sollten wir doch gar nicht lernen! – Ist das nicht immer so? Raus hier! Meine Narbe am Haaransatz juckt vor Aufregung oder weil noch mehr Schnee fallen soll. „Hey wie war’s?“ Adam steht mit zwei aufmunternden Vanilleeis am Stil im Hörsaalzentrum und reicht mir eins. Ich freue mich und beiße rein: „Scheiße. Knapp. Aber ich hab die Punkte gezählt. Wenn die alles nehmen bin ich durch.“ Er tätschelt mein Köpfchen, das meilenweit unter ihm hin und her wackelt, und klingt ein bisschen anklagend: „Vanilleeis im Januar, du ungewöhnliches kleines Täubchen.“ [...]

Von Marie Ellerichmann Dead-Line-Elegie

 

Superposition sitz am Schreibtisch den Kopf auf dem Lehrbuch.

...Schlaf, Verschränkung schlaf- plötzlich wieder wach.

Hell sticht das Lampenlicht, dämmrich versuch ich dem Anspruch

         Genüge zu tun auch bei fort-schreitender, nächtlicher Stund.

Angestrengt neben mir sucht wohl ein Kommilitone die Liebe

         Online bei Uniflirt und stört sich nur wenig, wenn rund

Um ihn die Studis leis Schnarchen. Mit Schrecken der Blick auf die Uhrzeit

         Lenk ich mich nicht ab und denk wieder ans Pauli-Prinzip.

Hadronen, Leptonen, Quarks; ach ne lieber ein Teilchen vom Bäcker.

         Konzentration seit heut morgen schon, Lernen verschieb

Ich gern von heute auf morgen weit weg auf den letzten Drücker.

         Lenke den Sinn auf den Spin hin und beginne mit Higgs.

Dennoch begreif ich wohl nie auch nach allen beherzten Versuchen

         Sie, ja die Quantenfeldtheorie...

Schrödinger sagte mit Recht, man verstünde die Eigenschaft schwerlich

         Und wenn man denke man hat`s, hat man`s erst recht nicht geschnallt.

Denk ich so darüber nach, ist Lernen hier ziemlich entbehrlich.

 

         Siedendheiß fällt mir ein: Hab ich die Kaffeemaschine ausgemacht?

 

Wellenmechanik, Gedanken an Wellen erinnern an Urlaub.

         Bibliothek wird ein still einsamer Steg in der Nacht.

Schallwellen fliegen an meinem Ohr nur noch vorbei und Stocktaub

         Wieder mal schlafe ich tief, bis dass der Pförtner mich weckt.

Gestaltet den Blog mit! Literarische Einsendungen

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