Abteilung für Europäische Regionalgeschichte
Forschung
Projekt „Regionalismus und Separatismus in Europa, 1850-2000: Eine translokale Geschichte“
Das Projekt soll aus vergleichender Perspektive die relativ plötzliche Entstehung kulturell-begründeter regionaler Zugehörigkeiten nach 1850 und ihre allmählige Politisierung bis hin zum gewaltsamen Separatismus im 20. Jahrhundert erforschen. So soll nach Mobilität und Praktiken von Grenzziehung in Räumen gefragt, deren politischer Status und kulturelle Eigenheit konfliktbehaftet war, und Strategien zur Legitimierung separatistischer Bemühungen untersucht werden. Ein besonderer Fokus gilt dabei den personellen Kontakten und ideengeschichtlichen Verflechtungen zwischen den Befürwortern und den Gegnern verschiedener Bewegungen, sowie dem Streit mit Geschichtsbildern. Insgesamt soll das Projekt die Periodisierung regionaler Zugehörigkeiten und die andauernde Bedeutung von locality in einer zunehmend globalen Welt hinterfragen.
Buchpublikation „Der Umgang mit religiös-weltanschauliche Andersartigkeit im belgisch-deutsch-niederländischen Grenzraum seit der Frühen Neuzeit“
Das Projekt widmet sich dem Umgang mit religiös-weltanschaulicher Andersartigkeit im neuzeitlichen Europa, insbesondere im belgisch-deutsch-niederländischen Grenzraum. Mithilfe eines epochenübergreifenden Zugangs sollen Beispiele einer religiös begründeten Herabsetzung von Andersgläubigen und Andersdenkenden von der Frühen Neuzeit bis ins 21. Jahrhundert verfolgt und die Auswirkung eines sich allmählig festigenden Menschenrechtsdiskurses auf den täglichen Umgang mit „Anderen“ hinterfragt werden. Zugleich soll beleuchtet werden, wie marginalisierte Menschen auf Diffamierung reagierten und Ausschließung entgegentraten. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei der Frage, wie territoriale Grenzen sich auf den Umgang mit religiös-weltanschaulicher Andersartigkeit auswirkten, z.B. indem der physische Grenzgang Schutz vor einer polizeilichen Strafe bot oder einen Beitrag zu community building leistete. Für dieses Projekt wird die Professur kooperieren mit der Niederrhein-Akademie / Akademie Nederrijn (NAAN) und mit dem Institut für niederrheinische Kulturgeschichte und Regionalentwicklung (InKuR).
Buchpublikation “Religion and Violence in Modern History” (Hg. Eveline G. Bouwers)
Das Buch analysiert aus globalhistorischer Perspektive die Verbindung von Religion und Gewalt seit 1800. Mit einem Schwerpunkt auf Episoden gewalttätiger Handlungen, an denen Angehörige der fünf großen Weltreligionen und Säkularisten beteiligt waren, untersucht es die Ursprünge religionsbezogener Gewalt, erforscht ihre verschiedenen Erscheinungsformen, zeichnet Legitimationsstrategien auf und beleuchtet ihre Wahrnehmung. Das Buch betrachtet sowohl Gemeinschaften, die eine Mehrheit bildeten oder aus einer hegemonialen Position heraus agierten, als auch solche, die eine Minderheit sind oder als machtlos galten. Die Fallstudien reichen vom katholisch-protestantischen Konflikt in der angloamerikanischen Welt über antisemitische Gewalt im Europa der Jahrhundertwende und kommunistische Gewalt gegen religiöse Gruppen bis hin zu hinduistischer Gewalt im heutigen Indien, buddhistischer Aggression in Myanmar und islamistischem Terrorismus im Nahen Osten. Das Buch zeigt die Vielfalt menschlicher Reaktionen auf religionsbezogene Unterschiede auf und verweist auf die Rolle säkularer Differenzen. Indem es auf die unterschiedlichen Ursprünge religionsbezogener Gewalt hinweist, lehnt das Buch ein essentialistisches Verständnis des Zusammenhangs zwischen Religion und Gewalt ab.
Wissenschaftliches Netzwerk „Europäische Atheismen der 1860er bis 1940er Jahre in Verflechtung: Ungläubige und die Vielfalt ihrer Konzepte“
Das international ausgerichtete und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Netzwerk (Laufzeit 2025-2028) analysiert atheistische Diskurse und Praktiken im Europa des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts aus verflechtungsgeschichtlicher Perspektive. Ziel dabei ist einerseits die regional-nationalen Besonderheiten von nicht-religiösem Denken herauszuarbeiten, andererseits die zahlreichen personellen und intellektuellen Verbindungen zwischen AtheistInnen quer durch Europa herzustellen. Das Netzwerk strebt eine digitale Edition an, welche wichtige aber bisher wenig beachtete Quellen zur Geschichte des europäischen Atheismus für ein breiteres Publikum zugänglich machen soll. SprecherInnen des Netzwerks sind PD Dr. Carolin Kosuch und PD Dr. Heléna Toth. Weitere Informationen finden Sie hier.
Projekt „Die Grenzen der Meinungsfreiheit aus Sicht des Religionsschutzes“
Das Projekt befasst sich mit der Geschichte der Meinungsfreiheit, insbesondere ihrer Begrenzung durch die Kriminalisierung von (vermeintlichen) Verletzungen des Religionsschutzes, wie im Falle einer Gotteslästerung. Räumlich orientiert sich das Projekt an Europa, zeitlich an der Periode seit 1760, womit es eine Brücke schlägt zur Geschichtsschreibung über Religionsvergehen während der Frühen Neuzeit einerseits und zur sozialwissenschaftlichen Forschung über Meinungsfreiheit und Religionsschutz seit dem Fatwa gegen Salman Rushdie andererseits. Das Projekt fragt nach dem Einfluss von Prozessen von Säkularisierung, religiöser Wiederbelebung und religiös-weltanschaulicher Pluralisierung auf die Aushandlung der Grenze zwischen Religionskritik und Religionsverbrechen, und zeigt überdies die frequente Instrumentalisierung von Blasphemievorwürfen zur Regelung von Machtbeziehungen.