Promotionen
Roja Scheffel, M.Sc.
Arbeitstitel der Promotion
„Emotionsarbeit von Bezugsbetreuenden in der Sozialpsychiatrie. Eine Studie zu Regulationsstrategien, organisationalen Strukturen und Interventionsmöglichkeiten zur Förderung von Unterstützungsangeboten“
Erstgutachterin: Prof.in Dr.in Nina Thieme
Zweitgutachter: Prof. Dr. Carsten Schröder
Abstract
Das Interesse an Emotionen und Emotionsarbeit hat im wissenschaftlichen Kontext in den letzten Jahrzehnten erheblich zugenommen. Emotionen spielen eine zentrale Rolle in verschiedenen Disziplinen, wie beispielsweise der Psychologie, Philosophie oder auch den Neuro- und Kognitionswissenschaften (vgl. Stephan & Walter, 2003, S. 11). In der Sozialen Arbeit sind sie ein wesentlicher Bestandteil des grundlegenden Arbeitsverhältnisses zwischen Fachkräften und Adressat:innen (Kommission Sozialpädagogik, 2018, S. 10) und des professionellen Handelns.
Es besteht ein breiter wissenschaftlicher Konsens darüber, dass neben fachspezifischem Wissen auch emotionale Kompetenz eine zentrale Voraussetzung für den Erfolg in beruflichen Kontexten und die Qualität der Betreuung sind. Besonders in der Sozialpsychiatrie, wo Fachkräfte häufig mit Klient:innen arbeiten, die dysfunktionale oder maladaptive Emotionsregulation zeigen, sind diese Kompetenzen von großer Bedeutung.
Während sich in der Geschichte der Professionalisierung das Interesse Sozialer Arbeit vor allem auf die Emotionen von Leistungsempfänger:innen konzentrierte, wurden in der folgenden Entwicklung ökonomische Machtverhältnisse sowie eine mögliche Bevormundung von Adressat:innen in den Blick genommen, die Gefühle von Fachkräften hingegen lange marginalisiert und zeitweise unter „Ideologieverdacht“ gestellt (Müller, 2018, S. 454).
Diese Studie rückt bewusst die emotionalen Anforderungen und Regulationsstrategien von Bezugsbetreuenden in der sozialpsychiatrischen Praxis in den Mittelpunkt. Ziel ist es, einen Beitrag zur bislang unterrepräsentierten Perspektive der Fachkräfte innerhalb der Emotionsregulationsforschung zu leisten.
Der aktuelle Forschungsstand zeigt, dass die Emotionsregulation in der klinischen Psychologie gut erforscht ist, jedoch besteht ein Forschungsbedarf hinsichtlich der emotionalen Prozesse und Strategien von Betreuungspersonen in der sozialpsychiatrischen Praxis.
Innerhalb dieses Tätigkeitsfelds sind Fachkräfte häufig mit Klient:innen konfrontiert, die dysfunktionale oder maladaptive Emotionsregulation aufweisen, beispielsweise durch Unter- oder Überregulation, eingeschränkte Fähigkeit zur Wahrnehmung oder Regulation negativer Affekte. Diese emotionalen Zustände stellen eine erhebliche Herausforderung für die professionelle Beziehung und das Handeln der Bezugsbetreuenden dar. Zudem müssen diese ihre eigenen Emotionen regulieren, die durch die Interaktion mit den Klient:innen, Übertragungsprozesse sowie individuelle Merkmale beeinflusst werden. Dabei reichen die erlebten Emotionen von Basisaffekten bis zu komplexen, situationsgebundenen Reaktionen.
Es existieren kaum empirische Daten darüber, wie Fachkräfte diese Emotionen wahrnehmen, regulieren und welche Unterstützung sie sich wünschen, um ihre Emotionsarbeit effektiv zu bewältigen.
Das Promotionsvorhaben setzt an diesem Desiderat an und verbindet psychologische Konzepte der Emotionsregulation mit soziologischen Theorien, insbesondere Hochschilds Ansatz zur Emotionsarbeit, um sowohl die individuellen als auch die strukturellen Dimensionen dieser emotionalen Prozesse zu erfassen.
Die Forschungsfragen konzentrieren sich auf die Art der erlebten und ausgedrückten Emotionen, die Wahrnehmung und Bewertung der eigenen Regulationskompetenzen, die verbale und nonverbale Kommunikation im emotionalen Austausch sowie Strategien zur Selbstfürsorge und Resilienz. Es soll außerdem herausgefunden werden, wie organisatorische Faktoren wie Arbeitsbelastung, Zeitmanagement und Ressourcen die Emotionsarbeit beeinflussen und welche Unterstützungsmöglichkeiten für Fachkräfte bestehen, um ihre emotionale Arbeit effektiver zu gestalten.
Methodisch basiert die Arbeit auf einem qualitativen Forschungsdesign. Durch leitfadengestützte Interviews, Gruppendiskussionen und teilnehmende Beobachtungen sollen subjektive Erfahrungen der Fachkräfte erfasst und theoriebasiert ausgewertet werden.
Ziel ist es, praxisnahe Empfehlungen zu entwickeln, die die Unterstützung der Fachkräfte verbessern, ihre Resilienz stärken und die emotionalen Herausforderungen innerhalb der sozialpsychiatrischen Arbeit sichtbar machen. Dadurch soll die Qualität der Betreuung in der Sozialpsychiatrie nachhaltig erhöht und bezugsbetreuende Fachkräfte in ihrer emotionalen Arbeit gezielt unterstützt werden.
Literatur
Kommission Sozialpädagogik (Hrsg.) (2018). Wa(h)re Gefühle? Sozialpädagogische Emotionsarbeit im wohlfahrtsstaatlichen Kontext. Weinheim, Basel: Beltz Juventa.
Müller, B. (2018). Gefühle, Emotionen, Affekte. In: Otto, H.-U., Thiersch, H., Treptow, R., Ziegler, H. (Hrsg.). (2018). Handbuch Soziale Arbeit. Grundlagen der Sozialarbeit und Sozialpädagogik. (6. Auflage). S. 452-459. München: Ernst Reinhardt Verlag.
Stephan, A., Walter, H. (2003). Natur und Theorie der Emotion. Paderborn: mentis Verlag.