Abstract

Mit der Zunahme ihrer Inanspruchnahme wird die Berufsgruppe Schulbegleitung immer mehr zu einer realen Größe in inklusiven Schulen. Die zur Teilhabe von Schüler:innen mit Behinderung installierte sozialrechtliche Maßnahme stellt gleichzeitig ein noch recht junges Forschungsfeld in der Schul- und Inklusionspädagogik dar und wird bislang vordergründig hinsichtlich ihrer differenzverstärkenden Effekte (u.a. Ehrenberg & Lindmeier, 2020) und der Deprofessionalisierung inklusiver Bildung (u.a. Lübeck, 2022) kritisch diskutiert. Während Einigkeit in der Formulierung eines dringenden Professionalisierungsbedarfs der Akteur:innen besteht, gilt die Schulbegleitung als professionstheoretisch „unbestimmte Gruppe“ (Arndt et al., 2017, S. 227). Bisherige professionstheoretische Perspektiven auf das berufliche Handeln von Schulbegleiter:innen orientieren sich vornehmlich an lehrer:innenbezogenen Paradigmen (vgl. Lübeck & Heinrich, 2019) und berücksichtigen nur selten die doppelte organisationale Zugehörigkeit der Akteur:innen in Schule und Träger. In der Dissertationsstudie soll deshalb der Frage nachgegangen werden, wie Schulbegleiter:innen ihre berufliche Position in Schule und Träger erfahren und verhandeln. Aus praxeologisch-wissenssoziologischer Perspektive (Bohnsack, 2017) zielt das Projekt auf die Rekonstruktion der eigenlogischen Spannungen zwischen Norm und Praxis im Handeln der Akteur:innen. Dabei findet die doppelte Mitgliedschaft der Schulbegleiter:innen insofern Berücksichtigung, dass sowohl die Schule als auch der Träger als organisationale Erfahrungsräume empirisch in den Blick genommen werden. Hierzu wurden in zwei inklusiven Grund- und zwei inklusiven Gesamtschulen insgesamt 12 Gruppendiskussionen mit Schulbegleiter:innen sowie für diese vom Träger ausgerichtete Teamsitzungen aufgezeichnet und mit der dokumentarischen Methode (Przyborski, 2004; Asbrand & Martens, 2018) ausgewertet. Dis bisher ausgewerteten Daten zeigen, dass die Teilnehmenden je nach den rekonstruierten Rahmenbedingungen eine pädagogische Agency entwickeln (Kratz & Martens, 2024). Das Handeln der Schulbegleiter:innen ist dabei in interprofessionelle Machtverhältnisse eingebunden und scheint vom Ein- und Ausschluss der Akteursgruppe in pädagogischen Reflexionsräume in Schule und Träger abhängig zu sein.

Literatur

Arndt, A.-K., Blasse, N., Budde, J., Heinrich, M., Lübeck, A., Rohrmann, A. (2017). Schulbegleitung als Forschungsfeld. In J. Budde, A. Duglosch & T. Sturm (Hrsg.), (Re-)Konstruktive Inklusionsforschung. Differenzlinien – Handlungsfelder – Empirische Zugänge (S. 225-239). Verlag Barbara Budrich.

Asbrand, B. & Martens, M. (2018). Dokumentarische Unterrichtsforschung. Springer VS.

Bohnsack, R. (2017). Praxeologische Wissenssoziologie. Verlag Barbara Budrich.

Ehrenberg, K. & Lindmeier, B. (2020). Differenzpraktiken und Otheringprozesse in inklusiven Unterrichtssettings mit Schulassistenz. In H. Leontiy & M. Schulz (Hrsg.), Ethnographie und Diversität. Wissensproduktion an den Grenzen und die Grenzen der Wissensproduktion (S. 139-158). Springer VS.

Kratz, I. & Martens, M. (2024). Professionalisierung zwischen Zumutung und Begrenzung – Zum pädagogisch-didaktischen Handeln von Schulbegleiter:innen in multiprofessionellen Settings. Zeitschrift für Inklusion, 19(5), 43-64. https://www.inklusion-online.net/index.php/inklusion-online/article/view/813.

Lübeck, A. (2022). Außen vor und doch dabei? Zur Einbindung der Schulbegleitung im schulischen Kollegium. In M. Laubner, B. Lindmeier & A. Lübeck (Hrsg.), Schulbegleitung in der inklusiven Schule: Grundlagen und Praxis (S. 69-76). Beltz.

Lübeck, A. & Heinrich, M. (2019). Schulbegleitung im Professionalisierungsdilemma. Rekonstruktionen zur inklusiven Beschulung. epubli.

Przyborski, A. (2004). Gesprächsanalyse und dokumentarische Methode: qualitative Auswertung von Gesprächen, Gruppendiskussionen und anderen Diskursen. VS Verlag für Sozialwissenschaften.