Erinnerungsort verortet?

Mercator „verortet“ Das Nachleben Mercators im Duisburger Stadtbild

Auch heute, 500 Jahre nach seinem Tod ist Gerhard Mercator im Duisburger Stadtbild noch präsent. Doch in welcher Weise taucht er dort auf, was verbindet man noch mit seinem Namen? Kennt man in der Stadt womöglich nur noch den Namen, ohne etwas damit verbinden zu können? Ist er möglicherweise nur aufgrund des Jubiläumsjahres so stark präsent in der Stadt Duisburg und gerät ansonsten in Vergessenheit? Die Frage, ob Gerhard Mercator ein Erinnerungsort ist, orientiert sich an längeren Kontinuitäten im Bewusstsein der Menschen und nicht an kurzfristigen „Wiederbelebungen“ zu besonderen Gedenk- oder Jahrestagen. 

Bereits wenn man vom Hauptbahnhof zu einem Gang durch die Stadt aufbricht, wird man mit Mercator konfrontiert. Die Mercatorstraße verläuft direkt vor dem Hauptbahnhof. Hier finden sich beispielsweise das Mercator-Reisebüro und die Mercator-Apotheke. Die Apotheke führt in ihrer Internetpräsenz ein Bild Mercators, ein Ausschnitt aus dem Stich Frans' Hogenbergs. Sie führt den Namen Mercators vermutlich neben der Platzierung an der Mercatorstraße auch deswegen, weil er nicht nur einer der großen Einwohner der Stadt Duisburg war, sondern auch, weil man mit seinem Namen „Weltoffenheit, Reisen und Internationalität“ assoziieren kann1.

Das Kultur- und Stadthistorische Museum Duisburg widmet Mercator und seinem Werk viel Platz und Aufmerksamkeit und präsentiert in seinen Räumlichkeiten „eine der größten Mercator-Sammlungen Europas“2. Zu Gerhard Mercator gibt es eine Dauerausstellung, die sich vor allem auf sein Kartenwerk konzentriert und die im Zuge des Jubiläumsjahres 2012 neu konzipiert wird. Die zwischenzeitlich angedachte Umbenennung des Kultur- und Stadthistorischen Museums Duisburg in „Mercator-Museum“ wurde im Zuge innerstädtischer Diskussionen allerdings wieder verworfen. 

Möchte man auf den Spuren und in der Welt Mercators im alten Stadtkern von Duisburg wandeln, so könnte man auf dem ehemaligen Burgplatz beginnen, wo sich die mittelalterliche Duisburg befunden hatte, die als königliche Pfalz diente. Auf diesem Burgplatz, heute der Parkplatz vor dem Rathaus, findet sich der Mercator-Brunnen. Dieser wurde im 19. Jahrhundert erbaut und 1878 eingeweiht. Die Initiative für die Errichtung des Denkmals geht auf das Jahr 1869 zurück, als eine Gruppe von Bürgern sich für den Bau des Brunnens einsetzte, um Mercator ins kollektive Gedächtnis zu rufen. Durch den Deutsch-Französischen Krieg 1870/1871 musste dieses Vorhaben jedoch zwischenzeitlich zurückgestellt werden. Des Weiteren fanden die Pläne nicht so großen Anklang wie erhofft, so dass die Spendenaufrufe, die die Initiatoren an die Bewohner der Stadt Duisburg, aber auch darüber hinaus richteten, nicht den gewünschten Erfolg hatten. Außerhalb der Stadt Duisburg fand man kaum Unterstützer des Projekts, so dass sich die Finanzierung als schwierig erwies. Daher konnte der Mercator-Brunnen erst im Jahr 1878 feierlich eingeweiht werden3.

Der Mercator-Brunnen am Duisburger Burgplatz

Mercator-Brunnen am Duisburger Burgplatz

Nur wenige Meter weiter findet sich der Alte Markt, auf dem Archäologen Ausgrabungen durchgeführt haben, und wo nun für jedermann ein Querschnitt von Gesteinsschichten sichtbar ist, so auch aus dem 16. Jahrhundert, in dem Mercator über dieses Pflaster ging.

Auf dem ehemaligen Burghügel findet sich die evangelische Salvatorkirche. Hier wurde Gerhard Mercator nach seinem Tod im Jahr 1594 begraben. Ein Epitaph, das sich heute im Inneren der Kirche befindet, erinnert an ihn. Dieses findet sich jedoch nicht mehr an seinem ursprünglichen Ort, sondern ist heute im Vorraum der Kirche angebracht, ohne einen Hinweis darauf, dass es „umgebettet“ wurde. Sonst finden sich dort allerdings keine Hinweise auf den „berühmtesten Sohn[...] der Stadt Duisburg“4. Anlässlich des 500. Geburtstags Mercators werden in der Salvatorkirche im März 2012 ein Festgottesdienst und ein Konzert stattfinden5.

Das Wohnhaus Mercators an der Oberstraße, das er 1558 für sich und seine Familie kaufte, ist nicht mehr erhalten. Heute befindet sich an dieser Stelle eine Berufsschule. Lediglich eine Plakette, die allerdings an recht versteckter Stelle (neben den Mülltonnen) angebracht ist, weist noch auf das Haus hin, das im 16. Jahrhundert dort gestanden hatte.

Bild der Mercator-Gedenkplakette am ehemaligen Berufskolleg

Die Gedenkplatte am ehemaligen Berufskolleg

Auf dem Johannes-Corputius-Platz findet man heute ein Bronze-Modell des von Johannes Corputius 1566 erstellten Stadtplans der Stadt Duisburg. Johannes Corputius, der ein Schüler Mercators war, entwarf somit den ältesten Plan der Stadt. Dieses Bronze-Modell zeigt die Lebenswelt Mercators in Duisburg, die sich komplett innerhalb der mittelalterlichen Stadtmauern befand.

Insgesamt zeigt sich beim Gang durch die Stadt Duisburg, dass Mercator zwar als Name noch präsent ist, allerdings scheint es fast, als sei es tatsächlich nicht mehr als ein Name, als könne man nichts mehr damit verbinden. Die Zeugnisse, die im Stadtbild an Mercator und sein Leben erinnern könnten, sind größtenteils nicht erhalten und die wenigen versteckten Hinweise lassen vermuten, dass die Stadt auch kein allzu großes Interesse an der dauerhaften Erinnerung an Mercator hat.

Letztlich verstärkt sich der Eindruck, dass Mercator gegenwärtig nicht mehr ist als eine „leere Hülle“, die willkürlich gefüllt werden kann. Es scheint, dass man den Namen „Mercator“ in Duisburg auf alle Gegenstände anwendet, die besonders hervorgehoben werden sollen. Sie stehen dabei allerdings größtenteils in keinerlei Beziehung zu Leben und Werk Mercators. Anlässlich des 500. Geburtstags Mercators 2012 setzt die Stadt Duisburg auch auf die neuenMedien und erstellte einen eigenen Youtube-Kanal6. Dort findet man einen „Bilderbogen“ mit allen Dingen, die in Duisburg den Namen Mercators tragen7. Dieses Video präsentiert die Gegenstände allerdings ohne weitere Erklärungen, weshalb sie in Verbindung zu Mercator stehen. Darin verstärkt sich dieser Eindruck der Beliebigkeit. Des Weiteren ist ein Feature über das Leben Mercators zu finden8, in dem mithilfe eines Darstellers und erklärender Passagen im Stil eines kurzen Dokumentarfilms über das Leben Gerhard Mercators informiert werden soll.

Offensichtlich weiß man in der Stadt Duisburg nicht, wie man Mercator, sein Leben und sein Werk und vor allem die Frage nach einem Gegenwartsbezug adäquat vermitteln soll. Nur so lässt sich die Willkür erklären, mit der in Duisburg vieles den Stempel „Mercator“ bekommt. Die Krönung dieser Bemühungen sind vielleicht Dinge wie die „Mercator-Torte“ oder das Mercator-Center, ein Einkaufszentrum in Duisburg-Meiderich.

Schaufenster mit Mercator-Torte

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1 Freundliche Auskunft des heutigen Inhabers der Mercator-Apotheke Jens König per Mail am 08.12.2011. Er übernahm die Apotheke allerdings nur und ist deshalb für die Namensgebung nicht verantwortlich und kann über die Motive darüber Vermutungen anstellen.

2 http://www.stadtmuseum-duisburg.de/ (abgerufen am 11.01.2012).

3 Averdunk, Heinrich: Geschichte der Stadt Duisburg bis zur endgültigen Vereinigung mit dem Hause Hohenzollern (1666), Duisburg 1894, S. 713f.

4 http://ekadu.de/index.php?id=48#c747 (abgerufen am 11.01.2012).

5 http://ekadu.de/index.php?id=48#c747 (abgerufen am 11.01.2012).