Mercator in Firmenlogos

Überschuss an symbolischer Bedeutung? Mercator in Firmenlogos

Wer nach einem „Erinnerungsort“ sucht, der betrachtet zunächst häufig das naheliegende: Eine Person (Karl den Großen), eine Institution (Geschichte des Reichstages) oder Werke (das Nibelungenlied).1

Nicht vernachlässigen sollte man allerdings den Stellenwert von Bildern in dem vom Maurice Halbwachs erdachten Konzept des „kollektiven Gedächtnisses“.2 Die Erinnerungen eines Individuums stehen, so Halbwachs, in fortwährendem Austausch mit unterschiedlichsten Formen des gemeinschaftlichen Erinnerns. Dabei bedienen sich sowohl Individuum als auch Gemeinschaft der „Kommunikation in Sprache, Bildern und rituellen Wiederholungen“.3 Kollektive Erinnerung, welche immer mit einer strikten (von gemeinschaftlichen Identitätskonzepten gesteuerten) Auswahl aus der Gesamtheit des verfügbaren erinnerten (Bild-)Materials verbunden ist,4 wird heutzutage häufig auch in den Neuen Medien, in Interaktion aller Nutzer, konstruiert.5

Folglich gilt es auf der Suche nach der Antwort auf die Frage, ob Gerhard Mercator im ausgehenden 20. und frühen 21. Jahrhundert als „Erinnerungsort“ betrachtet werden kann, auch diejenigen Bilder zu beachten, die in enger Verbindung mit dem Namen „Gerhard Mercator“ auftreten. Die Recherche im Internet macht schnell deutlich, dass sich Bilder, welche dort in Kombination mit dem Namen des Kartographen präsentiert werden, grob in zwei Kategorien aufteilen lassen: Zum einen in die bekannten Darstellungen der Person Mercators (in erster Linie die Kupferstiche Frans Hogenbergs) und Werke des Kartographen (Globen und Karten), zum anderen findet sich der Name in Kombination mit grafischen Elementen in den Logos von Unternehmen und Organisationen.

Die Bilder der ersten Kategorie trifft man häufig in den unterschiedlich gestalteten biographischen Artikeln über Gerhard Mercator an. Im Gegensatz dazu sind die Quellen für die Bilder der zweiten Kategorie scheinbar von heterogener Natur: Sowohl Softwarefirmen im englischsprachigen Raum, als auch Universitätsfakultäten verwenden Mercator in den Logos ihrer Internet-Seiten.

Diese vermeintliche Heterogenität der Verwendung des Namens Mercators in den Logos, lässt möglicherweise Rückschlüsse auf den „Überschuss an symbolischer Bedeutung“6, den Grad der Relevanz und den Stellenwert Gerhard Mercators in der heutigen Zeit zu.

Um diese Hypothese zu belegen, soll zunächst der Gegenstand der weiteren Untersuchung, das Logo, knapp erläutert werden.

Das Logo ist üblicherweise ein, primär von Unternehmen und Organisationen verwendetes Zeichen, welches die „Unternehmenspersönlichkeit“ repräsentieren soll.7 Es soll weiterhin „verständlich“ sein, „Aufmerksamkeit wecken“ und eine „Signalwirkung besitzen“.8 Neben dem Erinnerungs- und Informationscharakter eines Logos, soll es sowohl „ästhetischen Wert“ besitzen, welcher sich im besten Fall sowohl als „eigenständig“ als auch als „langlebig“ erweist.9 Das Logo sollte demnach „moderne Elemente“ vermeiden und möglichst „zeitlos“ bleiben, um so die Beständigkeit eines Unternehmens gegenüber modischen Trends zu suggerieren.10

Von besonderer Wichtigkeit ist zudem die Erinnerbarkeit des Logos, welche stark mit dessen Bedeutung verbunden ist.11 In der Erschließung der Bedeutung eines Logos manifestieren sich, nach Herbst und Schreier, jedoch häufig die Grenzen dieser klassischen „Gestaltungselemente“:12 Vieldeutigkeit und Komplexität eines Logos, aber auch ein fehlender Bezug zu bereits Bekanntem, führen dazu, dass die Bedeutung von Logos häufig zusätzlich erläutert werden muss, um die Verknüpfung Unternehmen/Logo für den Betrachter ersichtlich werden zu lassen.13

Für die folgende Untersuchung wurden sechs willkürlich ausgewählte Logos14 aus den Internet-Repräsentationen von Unternehmen und Organisationen extrahiert, welche nun kurz individuell beschrieben und anschließend gemeinsam qualitativ analysiert werden sollen.

Mercator Information Technology Solutions

Das Logo der britischen Firma Mercator Information Technology Solutions besteht aus dem Schriftzug „Mercator“, welcher in Großbuchstaben gehalten ist, dem Aufgabenbereich des Unternehmens (Information Technology Solutions) und der Unterseite einer von Koordinatoren-Netzen umspannten Kugel. 

MercatorNet.com

MercatorNet bedient sich im Header des Internetauftritts einer Kombination aus statischem Banner und Logo. Auf türkis-blauem, von einem Koordinatennetz durch-zogenen Grund, ist der Schriftzug „MercatorNet“ verbunden mit der Illustration eines frühneuzeitlichen Segelschiffes (möglicherweise ein Verweis auf die Karte „ad usum navigantium“ von 1569) und dem zweiten Schriftzug „Navigating modern complexities“ zu finden. Eine Besonderheit dieses Logos ist die Verbindung des Namens „Mercator“ mit einem von ihm geschaffenen Werk: Anstelle des „O“s im Namen findet sich das Bild eines Globus. Umrandet wird das Logo von einem gestreiften Rahmen, welcher die im Inneren verwendeten Farben (gelb und braun) widerspiegelt.

Mercator Ocean

Eine runde Kugel mit stilisierten blauen Wellen in ihrer Mitte, teilweise umrandet von einem bunten Halbkreis und dem Schriftzug „Mercator Ocean – Ocean Forecasters“, bildet das Logo des französischen Unternehmens Mercator Ocean. In der Kombination der drei Elemente (Wellen, Kugel und Halbkreis) kann der Betrachter einen Globus erkennen.

Mercator School of Management

Das Logo der Duisburger MSM setzt sich aus Text und einer Grafik zusammen.

Der Name „Mercator“ und Untertitelung „School of Management“ sind linksbündig angeordnet. Das vergrößerte, runde „O“ des Namens wird von einer blauen Halbellipse geschnitten. „Diese blaue Linie stellt beispielhaft die äußerste Line einer Mercator Projektion dar.“15

Mercator College

Das nach der Essener Stiftung Mercator benannte Mercator College, eine Fakultät der privaten Bremer Jacobs University, lässt sich durch ein Logo repräsentieren, das aus Schriftzug „Mercator College“ und einem Symbol besteht. In einer besonderen Sektion der Homepage des Colleges, wird der Findungsprozess beschrieben und der Aufbau des Logo folgendermaßen erläutert: „[The wavy part of the logo] is meant to stand for the waves of communication and symbolizes the vivid atmosphere of Mercator. The ‘circle-ish’ element emblematizes the globe with parallels and meridians, and stands for cosmopolitanism.”

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Stiftung Mercator


Ein blauer Kreis, eine Figur mit einem Stab und ein, den blauen Kreis schneidender, weißer Halbkreis in Kombination mit dem Schriftzug „Stiftung Mercator“, bilden das Logo der Stiftung Mercator. Möglicherweise symbolisiert die Figur einen (Land-)Vermesser, der Halbkreis eine Linie der Mercator Projektion und der Kreis einen Globus.

Betrachtet man die vorliegende, exemplarische Auswahl von Logos unterschiedlichster Organisationen, so lassen sich diverse Gemeinsamkeiten feststellen.

Zunächst einmal lässt sich festhalten, dass es sich bei allen Logos um sogenannte „kombinierte Marken“ handelt. Das heißt, dass die Kombination aus Signet und Schriftzug gewählt wurde, um das Erkennen und Zuordnen des Symbols zu erleichtern. So kann der „Absender“ schneller zugeordnet werden.17

Weiterhin ist der Großteil der vorgestellten Logos in der Farbe blau gehalten. Hier liegt die Vermutung nahe, dass sich die Gestalter von einem „Wassermotiv“ haben leiten lassen. Nach Erika Woll, die die psychologische und symbolische Bedeutung von Farben untersucht hat, steht die Farbe blau zudem für „Ferne“, „Weite“ und „Unbekanntes“.18

Es lässt sich zudem festhalten, dass die Grafikelemente einiger Logos nicht ohne Erläuterung verstanden werden können und sich dem Betrachter erst in Kombination mit dem Schriftzug, der Aufgabenbereich der jeweiligen repräsentierten Organisation erschließt. So wird versucht, das oben beschriebene Problem der Uneindeutigkeit der Aussage der Logos zu umgehen. Hier ist es allerdings wichtig festzuhalten, dass offenbar der Name „Mercator“ bereits häufig ausreicht, um die Bedeutung des grafischen Teils des Logos näher zu erläutern bzw. zu verifizieren (Seefahrt, Globus, Mercator-Projektion, Längengrade... etc.).

Unterstellt man den oben aufgeführten Logos die von Hamann geforderte „Zeitlosigkeit“19, so kann eine solche nur dadurch erreicht worden sein, dass man dem Namen „Mercator“ einen bestimmten Wert, eine beständige (symbolische) Bedeutung unterstellt, die sich zumindest den meisten Betrachtern erschließt.

Bei genauerer Betrachtung lässt sich allerdings bezweifeln, dass der Name „Mercator“ in Unabhängigkeit von den zusätzlich verwendeten grafischen Gestaltungselementen, ausreichen würde um ein (bedeutungsvolles, verständliches) Logo zu formen. Ebenso gering wäre die Aussagekraft eines stilisierten Globus oder die einer angedeuteten Linie einer Mercator-Projektion, da diese Bilder, vom Namen „Mercator“ losgelöst, ihre tiefere Bedeutung verlören. Dieser „Mehrwert“, der durch die Wechselwirkung von Namen und grafischer Repräsentation eines der Werke generiert wird, erschließt sich nicht unmittelbar und muss vom Betrachter dekonstruiert werden.

Zu ermitteln, ob dies immer der Fall ist, wäre Aufgabe weiterer empirischer Untersuchungen.

Es stellt sich abschließend folglich die Frage: Handelt es sich bei „Mercator“ zu Beginn des 21. Jahrhunderts lediglich um einen entkontextualisierten „Markennamen“ oder kann er tatsächlich als „Erinnerungsort“20, gewertet werden?

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1 Vgl. François, Etienne, Schulze, Hagen (Hrsg.): Deutsche Erinnerungsorte I, München 2001, S.1-6.

2 Halbwachs, Maurice: Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen. Suhrkamp. Frankfurt, 1985.

3 Assmann, Alaida: Erinnerungsräume – Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses, München 1999, S.19.

4 Vgl. Czech, Alfred: Bildkanon im Spannungsfeld, in: Kirschenmann, Johannes, Wagner, Ernst (Hrsg.): Bilder, die die Welt bedeuten – Ikonen des Bildgedächtnisses und ihre Vermittlung über Datenbanken, München 2006, S.24.

5 Vgl. Kansteiner, Wulf: Geschichtsbewusstsein und Interaktive Medien, in: Meyer, Erik (Hrsg.): Erinnerungskultur 2.0 – Kommemorative Kommunikation in digitalen Medien, Frankfurt 2009, S.45.

6 François & Schulze(Hrsg.): Deutsche Erinnerungsorte, 2001, S.16.

7 Herbst, Dieter, Scheier, Christian: Corporate Imagery - Wie Ihr Unternehmen Gesicht bekommt - Orientierung und Vertrauen durch starke Bilder, Cornelsen, Berlin 2004, S.61f.

8 Herbst & Scheier: Corporate Imagery, S.61.; vgl. auch: Hamann, Sabine: Logodesign, 2. Auflage, Heidelberg 2007, S.283.

9 Herbst & Scheier: Corporate Imagery, S.61f.

10 vgl. Hamann, Sabine: Logodesign, 2. Auflage, Heidelberg 2007, S.287.

11vgl. Herbst & Scheier: Corporate Imagery, S.37; vgl. auch: Hamann: Logodesign, S.285.

12 vgl. Herbst & Scheier: Corporate Imagery, S.37f.

13 Herbst & Scheier: Corporate Imagery, S.40ff.

14 Als einschränkendes Leitkriterium für die Auswahl der Logos diente hier lediglich die in ihrer Relevanz absteigende Abfolge der Google-Treffer, die unter dem BegriffMercatorim Mai 2011 erzielt wurden.

15 Aussage des Geschäftsführers der Fakultät für Betriebswirtschaftslehre der Mercator School of Management, Dr. Sascha Slunder am 24.05.2011.

16 http://www.mercator-college.org/home/mercator-logo.html (Stand: 15. September 2011).

17 Herbst & Scheier: Corporate Imagery, S.63.

18 Woll, Erika: Erlebniswelten und Stimmungen in der Anzeigenwerbung, Wiesbaden 1997, S.163.

19 vgl. Hamann: Logodesign, S.287.

20 d.h. als Ort, welcher mit symbolischer Bedeutung aufgeladen ist und dessen Bedeutung bewusst überliefert wird (Hervorhebung S.W.); vgl: François, Etienne, Schulze, Hagen (Hrsg.): Deutsche Erinnerungsorte I, München 2001, S.16ff.