Diskursbegriff

Sprache und Diskurs

Ein Blick in die Nachrichten des Tages zeigt, welcher Begriff zurzeit seine rhetorische Blütezeit erlebt. Diskurs wird inflationär wie kaum ein anderes Wort benutzt, es herrscht ein Diskurs über Arbeitsbedingungen, Parteien, Religion, Pädagogik und andere Dinge, die die Öffentlichkeit zu bewegen scheinen. Es stellt sich also konkret die Frage, was genau ist ein Diskurs und wieso scheint er so relevant zu sein?

Die politische Theorie stellt sich dieser Frage und unterscheidet zwischen zwei Diskursbegriffen. Der wohl bekannteste Vertreter des normativen Diskursbegriffes, Jürgen Habermas, sieht im Diskurs das Verfahren eines herrschaftslosen Diskussion, der wahren Konsens ermöglichen soll. Michel Foucaults diskurstheoretischer Ansatz ist dagegen analytisch, versucht also lediglich das vorhandene zu beschreiben und zu ergründen. Der allgegenwärtige Diskurs ist für ihn eine stetige Zuweisung von Bedeutung durch Sprache, also ein Prozess der Verbindung von sprachlichen Zeichen, Aussagen mit Dingen. Am Ende geht Wissen hervor, welches fortan tief in der Gesellschaft verankert als natürliche Gegebenheit, also als die eine Wahrheit gilt. (Vgl. Nonhoff, S.64.)

Das „Atom des Diskurses" (Foucault, S. 117), seine kleinste unterteilte Einheit, ist die Aussage, die über die Sprache den Dingen einen Namen zuweist. Ist diese Produktion stetig und etabliert sich das sprachliche Zeichen zu einem legitimen Wissensbestand, wird es eine „diskursive Formation" (Nonhoff, S. 69). Diese Formation differenziert zwischen dem Normalen / dem Wahren und dem Abnormalen / dem Falschen. So gilt beispielsweise es in Europa jahrelang als normal, dass Frauen kein Wahlrecht haben.

Zentral in Foucault Arbeiten ist die Dekonstruktion von Diskursen. Mittels der historischen Genealogie stellt er 1977 in seinem wohl populärsten Werk „Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses" den Wandel des modernen Strafsystems heraus. So legt der „Genealoge" (Ruoff, S. 126) Foucault im Stil von archäologischen Ausgrabungen vergrabene Diskurse, die zu ihrer Zeit als Natürlichkeit gelten, frei und zeigt damit auf, dass auch gesellschaftlich vollkommen legitimierte „Wahrheiten" durch reine Bedeutungszuweisung entstehen.

Michel Foucault gilt bereits zu Lebzeiten als einer der relevantesten (Quer)Denker. Seine Diskurstheoretischen Überlegungen führen dem Konzept von selbstbestimmten Subjekt seine Grenzen vor Augen und zeigen deutlich welche Macht von Diskursen ausgeht. Auch die Gendertheoretikerin Judith Butler bezieht sich in ihren Überlegungen auf das Foucaultsche Diskursverständnis.

Literatur

Foucault, Michel: Die Archäologie des Wissens, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1973.

Nonhoff, Martin: Diskurs, in: Gerhard Göhler / Mattias Iser / Ina Kerner (Hrsg.): Politische Theorie. 25 umkämpfte Begriffe zur Einführung, Wiesbaden: VS Verlag, 2004, 63-79.

Ruoff, Michael: Foucault-Lexikon. Entwicklung – Kernbegriff – Zusammenhänge, Paderborn: Wilhelm Fink Verlag, 2007.

Die Autorin studiert Politikwissenschaft an der UDE.

Die Seite ist im Rahmen des Blended-Learning-Seminars “Gender is […] something you do...” entstanden. Studierende haben hier im Gender-Portal Raum, ihre Arbeitsergebnisse und Lern- bzw. Forschungsinteressen vorzustellen.