Videoanalyse als Methode der Unterrichtsforschung

 

ProwiN soll die bisher durchgeführten Untersuchungen zum Zusammenhang von Fachwissen, fachdidaktischem Wissen und pädagogischem Wissen (z.B. Krauss et al., 2004, Riese & Reinhold, 2009) um die Dimension der Unterrichtshandlungen erweitern. Um einen Zusammenhang zwischen Professionswissen, unterrichtlichem Handeln und personenbezogenen Variablen auf Schülerseite, insbesondere auch deren Lernergebnissen, darstellen zu können, muss das Handeln der Lehrpersonen und das der Schülerinnen und Schüler im Unterricht untersucht werden. Dies ermöglicht die in den letzten 15 Jahren entwickelte videogestützte Analyse des Unterrichtsgeschehens anhand von theoriegeleiteten Kategoriensystemen.

Initiiert und maßgeblich beeinflusst wurde die Nutzung von Videoanalysen im Rahmen von Modellen zur Unterrichtsqualität durch die TIMS-Videostudien (vgl. Hiebert et al., 2003).

Bereits vielfach eingesetzt

Durch Videoanalysen, die im Rahmen der DFG-Forschergruppe und des Graduiertenkollegs „Naturwissenschaftlicher Unterricht" durchgeführt wurden, konnte gezeigt werden, dass sich erfolgreicher Chemie-, Biologie- und Physikunterricht darüber hinaus durch eine gute Passung im Vernetzungsniveau zwischen Lehrern und Schülern und durch einen möglichst hohen Sprechanteil der Schülerinnen und Schüler und einen an Lehrerfragen orientierten Unterricht auszeichnet (vgl. Glemnitz & Sumfleth, 2006). Für das Fach Biologie konnte mit Hilfe von Videoanalysen außerdem gezeigt werden, dass ein zeitlich umfangreicherer Einsatz von Aufgaben insbesondere bei leistungsschwachen Klassen mit einem höheren Lernzuwachs assoziiert ist (Jatzwauk, 2007; Jatzwauk, Rumann & Sandmann, eingereicht). Schließlich deuten Videoanalysen darauf hin, dass sich ein hoch vernetzender Unterricht positiv auf die Lernmotivation in Biologie auswirkt (Wadouh, Sandmann, Neuhaus, eingereicht).

Verbesserung der Unterrichtsbeobachtung

Zusammenfassend können Videoanalysen, insbesondere auch vor dem Hintergrund der im Abschnitt zuvor angesprochenen eigenen Studien im Kontext der Essener DFG-Forschergruppe und des Essener DFG-Graduiertenkollegs „Naturwissenschaftlicher Unterricht", als Fortführung und entscheidende Verbesserung der Unterrichtsbeobachtung angesehen werden (Hanke, Mandel, & Prell, 1973). Die Ergebnisse der umfangreichen Videoanalysen der letzten Jahre ermöglichen es, durch hoch inferente Analyseverfahren Elemente der Tiefenstruktur des Unterrichts in den drei naturwissenschaftlichen Fächern zu beschreiben. Damit können

Zusammenhänge zwischen dem Professionswissen der Lehrenden, den durch Videoanalyse rekonstruierbaren Oberflächen- und Tiefenstrukturen des Unterrichts und den personenbezogenen Variablen der Schülerinnen und Schüler ermittelt und Wirkungszusammenhänge im naturwissenschaftlichen Unterricht eingeschätzt werden.

Oberflächen- und Tiefenstrukturmerkmalen von Fischer et al. (2002) und Reyer (2004)konnte ein Zusammenhang zwischen momentanen Lehrzielen des Lehrers und Lernhandlungen der Schülerinnen und Schüler hergestellt werden. Außerdem lässt sich per Videoanalyse für den Physikunterricht zeigen, dass einige der Basismodelle nach Oser & Baeriswyl (2001a) als Handlungsgrundlage besonders relevant sind (Reyer, 2004; Trendel et al., 2007).