Physik

Bisher besteht kein Konsens über das Konstrukt des Professionswissens, auch wenn die im ProwiN-Projekt verfolgte Teilung in CK (Fachwissen), PCK (fachdidaktisches Wissen) und PK (pädagogisches Wissen) weit verbreitet ist. Daher muss für die Messung des Professionswissens besonderes Augenmerk auf die Modellierung gelegt werden. Im Fach Physik wir insbesondere davon ausgegangen, dass jeweils die Bereich CK und PCK sowie PCK und PK aneinander angrenzen und enger miteinander zusammenhängen als CK und PK. Items für den Bereich PCK können einen größeren Anteil CK oder PK beinhalten.

Erstes Ziel des Projekts war nach der Modellierung des Professionswissens die Umsetzung des Modells in ein Testinstrument und die empirische Absicherung des Modells. Hier sollte insbesondere gezeigt werden, dass CK, PCK und PK disjunkte Dimensionen sind. Zweites Ziel war die Untersuchung des Zusammenhangs des Professionswissens von Physiklehrkräften und ihrem demographischen Hintergrund.

Nach einer Präpilotierung und einer Pilotierung wurde die Hauptstudie im Jahr 2011 durchgeführt. In der Pilot- und in der Hauptstudie wurden insgesamt 518 Personen, davon 279 Physiklehrkräfte, getestet. Für die Analyse der Daten konnten die Ergebnisse der Pilotstudie und der Hauptstudie in einer Rasch-Analyse zusammengefasst werden.

Die Inhaltsvalidität wurde durch Expertenbefragungen, die Testentwicklung anhand des Modells sowie den Abgleich mit Curricula und Fachliteratur gewährleistet. Die Interraterreliabilität wird mit Goodmans und Kruskals Gamma und der Intraklassenkorrelation (ICC) analysiert und stellt die Objektivität der Kodierung sicher. Es gilt Gamma<.7 und ICC2,2 (unjustiert)<.7 für alle analysierten Items.

Es konnte gezeigt werden, dass in einer mehrdimensionalen Rasch-Analyse das dreidimensionale Modell mit den Dimensionen CK, PCK und PKD signifikant besser passt als mögliche ein- oder zweidimensionale Modelle. Der zweite PK-Test (PKKP) ist in dieser Analyse nicht Rasch-konform und wurde daher nicht weiter untersucht.

Die Reliabilität in allen drei Dimensionen ist zufriedenstellend. Die EAP/PV Reliabilität liegt in der Gruppe der Physiklehrkräfte der Hautstudie, die alle drei Tests ausgefüllt haben, bei .86 für den CK-Test, bei .77 für den PCK-Test und bei .71 für den PKD-Test.

Die Kriteriumsvalidität wurde gezeigt, indem das Wissen von 31 Gymnasiallehrkräften anderer Fächer, die weder Physik studiert haben noch es unterrichten, mit dem der Physiklehrkräfte verglichen wurden. Außerdem wurde das Wissen von Physiklehrkräften der verschiedenen Schulformen verglichen. Lehrkräfte der Physik schneiden besser ab als Lehrkräfte anderer Fächer (CK: t(245)=10.07, p<.001, d=2.1; PCK; t(245)=4.84, p<.001, d=0.9) und Gymnasialphysiklehrkräfte schneiden besser ab als Physiklehrkräfte anderer Schulformen, vorrangig Haut- und Realschulen (CK: t(276)=7.30, p<.001, d=1.1; PCK; t(276)=8.58, p<.001, d=1.2).

Die Korrelationen zwischen den Dimensionen belegen die Konstruktvalidität. Es gilt rCK-PCK=.453, p<.001; rCK-PK=.174, p<.05; rPCK‑PK=.174, p<.05.

Werden die drei Dimensionen in einer Regression betrachtet, klärt CK mehr als doppelt so viel PCK auf wie PK (R²=.27, F=34, p<.001, BetaCK=0.46, BetaPK=0.19).

Im nächsten Schritt wurde der Zusammenhang zwischen CK, PCK und der aktuellen Situation der Physiklehrkräfte untersucht. In Regressionen, deren Ergebnisse auf andere Populationen übertragbar sein sollten, haben die Variablen Geschlecht, fachfremder Unterricht und Unterricht am Gymnasium einen signifikanten Einfluss auf CK und die Variablen CK, Alter und Unterricht am Gymnasium einen signifikanten Einfluss auf PCK.

 

Insgesamt wurde das zugrunde liegende Modell des Professionswissens in ein reliables und valides Testinstrument umgesetzt und die Dimensionalität des Professionswissens empirisch bestätigt. Der Einfluss der aktuellen Situation der Physiklehrkräfte auf ihr fachbezogenes Professionswissen wurde untersucht. Hierbei zeigte sich, dass das studierte Schulfach und die Schulform neben den demographischen Variablen Alter und Geschlecht einen Einfluss auf das fachbezogene Professionswissen haben.

 

Die dargestellten Ergebnisse stammen aus Kirschner, eingereicht (Dissertation).

Biologie

In der Unterrichtsqualitätsforschung wurde in den letzten Jahren auch vermehrt der Fokus auf die Untersuchung der Professionalität von Lehrkräften gelegt, da diese für die Qualitätsverbesserung von Unterricht wegweisend sein können (Baumert & Kunter, 2011). Das durch das BMBF geförderte Verbundprojekt ProwiN (Professionswissen von Lehrkräften in den Naturwissenschaften) (Borowski et al., 2010) setzt an diesem Punkt für die Naturwissenschaften an.

In der ersten Phase wurden im Rahmen des biologischen Teilprojektes die biologiespezifischen Testinstrumente der ProwiN-Studie in Anlehnung an das gemeinsame theoretische Modell (Tepner et al., 2012)  entwickelt. In diesem theoretischen Modell wurde sich vorwiegend auf die ursprünglichen Professionswissenskategorien von Shulman (1987; 1986) bezogen. Dabei wurde der biologiedidaktische Schwerpunkt auf das Fachwissen und das fachdidaktische Wissen von Biologielehrkräften gelegt. Zudem wurden die Kategorien in drei Wissensbereiche, das deklarative, prozedurale und das konditionale Wissen definiert.

In Biologie wurden im fachdidaktischen Wissenstest zu allen drei Wissensbereichen (deklarativ, prozedural, konditional) und den drei Facetten, das Wissen über Schülerfehler, Modelle und Experimente zu je drei Themenbereiche der Biologie (Zoologie, Botanik, Neurobiologie) überwiegend offene Items entwickelt (Jüttner, Boone, Park, & Neuhaus, 2013; Jüttner & Neuhaus, 2012). In dem fachdidaktischen Wissenstest wurden empirische Daten aus einer Vorstudie über Schülerfehler (nZ = 506; nB = 476; nN = 441) herangezogen, um möglichst praxisnahe Items für den Professionswissenstest zu entwickeln.

Im Fachwissen wurden zu vier biologischen Themenbereichen (Zoologie, Botanik, Neurobiologie, Zytologie) jeweils für die unterschiedlichen Wissensbereiche (deklarativ, prozedural, konditional) mindestens ein Item entwickelt (Jüttner et al., 2013).

Die Testentwicklung durchlief mehrere Pilotierungsphasen, um die entwickelten Items zu optimieren. Hierbei wurden neben quantitativen Studien auch qualitative Lehrerinterviews durchgeführt.

Insgesamt zeigte sich, dass die konstruierten Testinstrumente in Biologie reliabel, objektiv und valide sind (Jüttner et al., 2013; Jüttner & Neuhaus, 2013; Jüttner & Neuhaus, in Druck). Die Rasch-Reliabilitäten der Hauptstudie (N = 158 Biologielehrkräfte der Sekundarstufe aus Bayern und NRW) für die entwickelten Testinstrumente liegen zwischen .58 und .97. Insgesamt sowie für die einzelnen Items und Personen belegen die Fit-Indizes eine produktive Messung (Jüttner et al., 2013). Für die Beurteilerübereinstimmung wurden min. 10% der Aufgaben von einem unabhängigen Rater zweitkodiert. Der Intraklassenkoeffizient wies für alle Testinstrumente ebenfalls zufriedenstellende Werte (ICC > .70) auf. Die Korrelation zwischen dem Fachwissen und dem fachdidaktischen Wissen der Biologielehrkräfte wies – entsprechend der intendierten Konstruktion – eine sehr geringe Korrelation von r = .22 (= .006; = 158) auf (Jüttner et al., 2013). Die Inhaltsvalidität und face-Validität wurde zudem anhand von think-aloud Interviews mit erfahrenen Biologielehrkräften (N = 11) untersucht und bestätigt (Jüttner & Neuhaus, 2013). Die Konstruktvalidität konnte über einen Kontrastgruppenvergleich mit Diplombiologen und mit Diplompädagogen (n= 20; nP = 11; nL = 158) bestätigt werden (Jüttner & Neuhaus, in Druck). Neben der Analyse der Raschskalierung und den Testgütekriterien wurden in der Dissertation zudem Hypothesen bezüglich Einflussfaktoren auf das Fachwissen und das fachdidaktische Wissen von Lehrkräften getestet (Jüttner, 2013).

Chemie

Das Professionswissen von Lehrkräften lässt sich als grundlegend bedeutsam für die erfolgreiche Gestaltung unterrichtlicher Lernprozesse auffassen (Abell, 2008). In dem vom BMBF geförderten Projekt „Professionswissen von Lehrkräften in den Naturwissenschaften“ (ProwiN) sollen Zusammenhänge zwischen dem Professionswissen von Lehrkräften und dessen Auswirkungen auf den Unterricht untersucht werden (Borowski et al., 2010).

Dazu wurde in der ersten Projektphase ein gemeinsames theoretisches Modell entwickelt, auf dessen Basis die beteiligten Didaktiken der Biologie, Chemie und Physik sowie die Psychologie entsprechende Testinstrumente konzipiert haben (Tepner et al., 2012).

Es wurden Items in den Dimensionen Fachwissen, pädagogisches Wissen und fachdidaktisches Wissen entwickelt, die einerseits die Schnittmenge verschiedener Ansätze der Konzeptualisierung des Lehrerprofessionswissens bilden (Abell, 2007; Elbaz, 1983; Kunter, Klusmann & Baumert, 2009; Shulman, 1987). Andererseits entsprechen die Dimensionen der Gliederung der universitären Lehrerbildung in Deutschland in die fachlichen, fachdidaktischen und pädagogisch-psychologischen Bereiche (Blömeke, Felbrich & Müller, 2008). Weiterhin lassen sich die Items den Wissensbereichen Fachwissen, Wissen über Prozeduren und Bedingungswissen (deklaratives, prozedurale und konditionale Wissen) zuordnen (Paris, Lipson & Wixson, 1983).

In der Chemiedidaktik wurden die Fachwissensitems zu den Themen ‚Atombau und Periodensystem‘, ‚Chemische Bindungen‘ und ‚Chemische Reaktionen am Beispiel von Säuren und Basen‘ entwickelt. Die Items zum fachdidaktischen Wissen decken die Facetten „Wissen über Schülervorstellungen“, und das Wissen über den Umgang mit (theoretischen und gegenständlichen) Modellen und Experimenten ab.

Um möglichst passende und für die Schulpraxis relevante Items zu konzipieren, wurden in den Entwicklungsprozess aller Testaufgaben möglichst oft erfahrene Lehrkräfte und Fachleiter einbezogen. Diese schätzten die inhaltliche Relevanz und Eindeutigkeit der Formulierung jedes Items auf einer 4-stufigen Likert-Skala ein. Zudem wurden bei den Items zum fachdidaktischen Wissen zunächst offene Aufgaben konzipiert, die ebenfalls von erfahrenen Lehrkräften beantwortet wurden und als Vorlage für die Antwortalternativen des anschließend entwickelten geschlossenen Tests dienten. So konnte die inhaltliche Validität sichergestellt werden. Die Kriteriumsvalidität wurde über

Kontrastgruppenvergleiche mit Diplomchemikern (N = 18), mit Chemielehramtsstudierenden (N = 74) und mit Biologie- und Physiklehrkräften (N = 36) überprüft. An der Pilotierung waren 62 Chemielehrkräfte beteiligt.

Während die 25 Aufgaben des Fachwissenstests ein Multiple-Choice Single Select-Format aufweisen, sind die 19 Items des fachdidaktischen Wissenstests auf einer Rating-Skala zu beantworten. Dabei sollen jeweils vier verschiedene Antwortalternativen hinsichtlich ihrer Passung zu einer dargestellten Unterrichtssituation über Schulnoten von 1 bis 6 eingeschätzt werden. Die erhaltenen Werte werden dann mit Hilfe von Referenzwerten aus einem ergänzenden Expertenrating (N = 13) über sogenannte Paar-Vergleiche bepunktet (Artelt, Beinicke, Schlagmüller & Schneider, 2009; Thillmann, 2008). Nähere Informationen zur Auswertung des fachdidaktischen Tests finden sich bei Tepner und Dollny (im Druck). Die erhaltenen Reliabilitäten nach Cronbach sind für beide Tests zufriedenstellend bis gut (jeweils α = .83).

Die Konstrukte Fachwissen und fachdidaktisches Wissen können im Rahmen der Hauptstudie (N = 104) statistisch voneinander getrennt werden und korrelieren schwach miteinander (rs = .323; p < .001). Im Rahmen einer Ergänzungsstudie (N = 242) sollte überprüft werden, ob die Höhe des Zusammenhangs zwischen PCK und CK schulformspezifisch ist. Es lassen sich Zusammenhänge auf ähnlichem Niveau berichten (rs = .349 bis .630; p < .001 bis .029), die sich jedoch nicht signifikant unterscheiden.

Die in der ersten Projektphase konzipierten Testinstrumente werden aktuell in der zweiten Phase eingesetzt, um den Zusammenhang zwischen dem Professionswissen von Chemielehrkräften, ihrem Unterrichtshandeln und der Schülerleistung zu erforschen.

Psychologie

Die Lehrerprofessionalität ist seit einigen Jahren ein zentrales Thema der Unterrichtsqualitätsforschung. Das Lehrerprofessionswissen gilt als Basis für qualitativ hochwertigen Unterricht sowie als wesentliche Stellschraube zur Qualitätsverbesserung von Unterricht (Baumert et al., 2010; Helmke, 2012). Während beispielsweise für das Fach Mathematik schon etliche Befunde vorliegen, ist die Befundlage in den anderen naturwissenschaftlichen Fächern noch als rar zu bezeichnen. Mit dem Fokus auf die Naturwissenschaften Biologie, Chemie und Physik widmet sich das durch das BMBF geförderte Verbundprojekt ProwiN (Professionswissen von Lehrkräften in den Naturwissenschaften; Borowski et al., 2010) dem Thema Professionswissen.

In der ersten ProwiN-Phase wurden die Testinstrumente der ProwiN-Studie in Anlehnung an das gemeinsam entwickelte, theoretische Modell (Tepner et al., 2012) konzipiert. In diesem theoretischen Modell wurde sich vorwiegend auf die ursprünglichen Professionswissenskategorien nach Shulman (1986) bezogen: Fachliches Wissen, fachdidaktisches Wissen und pädagogisch-psychologisches Wissen. Mit der letztgenannten Wissenskategorie befasst sich das psychologische Teilprojekt. Hierfür wurde ein Papier-Bleistift-Test konzipiert, welcher konform zum theoretischen Modell deklaratives, konditionales und prozedurales Wissen einbezieht. Bei der Testentwicklung wurde sich inhaltlich an COAKTIV orientiert. Somit integriert der Test äquivalent zu COACTIV die folgenden vier Facetten: Klassenführung, individuelle Lernprozesse, Unterrichtsmethoden und Leistungsbeurteilung. Des Weiteren wurden Personen mit Expertise im schulischen Unterrichten oder in der Lehrerausbildung einbezogen, um adressatengerechte Indikatoren zu wählen und adressatengerechte Items zu formulieren. Der Test umfasst insgesamt 23 Aufgaben (geschlossenes Antwortformat). Die Testentwicklung durchlief mehrere Pilotierungsphasen. Es zeigte sich, dass der konstruierte Test zur Erfassung des pädagogisch-psychologischen Wissens den allgemeinen Gütekriterien entspricht. Insgesamt lassen sich zwei Subskalen bilden, eine zur Erfassung des deklarativen (9 Aufgaben, 30 Items) und eine zur Erfassung des konditional-prozeduralen Professionswissens (14 Aufgaben, 125 Paarvergleiche).

In der Hauptstudie (N = 463 Lehrkräfte, 87 % Gymnasiallehrkräfte, 13 % Hauptschullehrkräfte) liegt Cronbachs Alpha als Maß für die Interne Konsistenz der jeweiligen Subskalen im akzeptablen bzw. guten Bereich (α = .72 für Subskala prozedural-konditionales Wissen und α = .80 für Subskala deklaratives Wissen). Die Zusammenhänge der pädagogisch-psychologischen Wissenskategorie mit der fachlichen und fach-didaktischen Wissenskategorie erwiesen sich als theoriekonform. Das heißt, es finden sich in allen Fächern jeweils signifikante Korrelationen zwischen dem pädagogisch-psychologischen Wissen und dem fachdidaktischen Wissen (r liegt zwischen .2 und .5) und keine (oder entsprechend geringere) Zusammenhänge zwischen dem pädagogisch-psychologischen Wissen und dem fachlichen Wissen. Erwartungsgemäß finden sich zwischen den Gruppen der Biologie-, der Chemie- und der Physiklehrkräfte keine Mittelwertdifferenzen bezüglich des pädagogisch-psychologischen Professionswissens, ebenso liegen zwischen den Gruppen der Hauptschul- und der Gymnasiallehrkräften keine signifikanten Unterschiede vor. Die Berufserfahrung der teilnehmenden Lehrkräfte lag im Mittel bei 13.75 Jahren (SD 11.44). Auf Basis des querschnittlichen Designs ließen sich keine signifikanten positiven Effekte der Berufserfahrung auf das pädagogisch-psychologische Professionswissen nachweisen.