BYPASS

(Bewertung und Analyse von Evakuierungsprozessen auf Fahrgastschiffen mittels mikroskopischer Simulationstechniken)

 

Dieses Projekt endete im September 2002. Die Seiten des Projektes werden nicht mehr aktualisiert.

 

Die Evakuierung von Passagieren ist ein besonderer Aspekt bei der Sicherheit eines Schiffs. Ganz gleich, ob die Ursache ein Feuer, Grundwissen, Brechen, ein Zusammenstoß oder der Stabilitätsverlust des Schiffs ist, müssen die Passagiere in der Lage sein, das Schiff sicher und in einer entsprechenden Zeit zu verlassen. Jedoch haben viele Unfälle in der Vergangenheit gezeigt, dass eine Forschung für die Grundlagen von Passagierschiffevakuierungen erforderlich ist. Dies bedeutet nicht nur, eine Verbesserung der lebensrettenden Geräte, sondern  auch der Konstruktion und Gestaltung von öffentlichen Bereichen, Kabinen, Korridoren, Stufen und Evakuierungsstellen des Schiffs. Die Anzahl von Passagieren an Bord muss ebenso berücksichtigt werden. Diese Faktoren sind unter anderem von großer Bedeutung für die Zeit, die gebraucht wird, um das Schiff zu verlassen.

Heutzutage sind die Fluchtwege von Passagieren an Bord in SOLAS Kapitel II -2 festgelegt. Um die Ausgaben der Berechnung zu begrenzen, wird eine statische Methode mit vielen Vereinfachungen für den Gebrauch empfohlen. Die Grundidee ist, dass die Passagiere in die senkrechten Fluchtwege (Treppenhäuser) in ihren gegenwärtigen Brandabschnitt laufen. Dadurch erreichen sie das Evakuierungsdeck. Entsprechend einer festen Verteilung von Menschen an Bord (Nacht/Tag) ist die Anzahl von Passagieren an verschiedenen Stellen (z.B. Stufen, Evakuierungsstellen) berechnet und der notwendige Platz bestimmt. In anderen Fällen (z.B. Hochgeschwindigkeitsfähren) ist die Evakuierungszeit berechnet. Die für diese Berechnungen verwendeten Gleichungen sind rein empirisch. Faktoren basieren auf Beobachtungen und Erfahrung, die mit Variablen verbunden sind, die die Schiffsarchitektur charakterisieren. Dies hat zur Folge, dass die Dynamik von einer Gruppe, die aus Menschen mit verschiedenen Verhalten besteht, nicht richtig dargestellt wird. Es scheint nicht von Bedeutung zu sein, wie Rückstaus entstehen und die dahinter flüchtenden Menschen beeinflussen. Dies kann nur mit kostspieligen und zeitintensiven Feldversuchen gemessen werden. Ein anderes Problem tritt auf, wenn ein Teil der Passagiere in Panik gerät. Glücklicherweise tendiert nur ein geringe Anzahl von Menschen (1-3%ig) dazu, während eines Schiffunfälls Panik zu bekommen. Panik bedeutet: ein irrationales, auf Angst beruhendes antisoziales Verhalten, das die Fluchtmöglichkeiten für eine Person oder eine Gruppe beträchtlich reduziert. Es sollte beachtet werden, dass das Wort 'Panik' häufig bei Unfallberichten verwendet wird, obwohl das beschriebene Verhalten, nicht wirklich in die Definition der Panik fällt. Hauptsächlich ist ein Mangel an Führung und Information der Grund für dieses gefährliche Verhalten. Fähren mit einer relativ kurzen Reisezeit haben im Vergleich mit der Anzahl an Passagieren, sehr oft eine relativ kleine Mannschaft. Im Gegensatz zu Kreuzfahrtschiffen werden keine Evakuierungsübungen mit den Passagieren durchgeführt. Nur Pläne, die an öffentlichen Stellen und an Kabinen hängen, zeigen, was bei einem Notfall zu tun ist.

Bypass Ship Herald

Ziel des Projektes

Das Ziel des Projekts ist, den Entwurf eines Schiffs in Bezug auf die benötigte Maximalevakuierungszeit zu beurteilen. Die Sicherheit von Passagierschiffen ist von ständig wachsender Bedeutung, da neue Entwicklungen zu größeren und schnelleren Schiffen führen. Mit einem Blick auf die großen und hoch entwickelten Schiffe von heute wird der traditionelle Ansatz, Regeln für einzelne Aspekte des Sicherheitssystems zu formulieren, die auf vergangene Erfahrung beruhen, zunehmend unzulänglich. Die Seeindustrie bewegt sich in Richtung Auswertungsmethoden, die das Schiff als Ganzes in Betracht ziehen und die räumliche und zeitweilige Interaktion zwischen verschiedenen Systemen und Gruppen einschließt: Mannschaft und Passagiere; Kabinen, Flure, Stufen, Alarm- und Evakuierungssysteme usw.. Weiterhin spielen psychologische und soziale Faktoren in jeder von Menschen gebauten und bedienten Struktur eine wichtige Rolle.

Die richtige Art, jene verschiedenen Verbindungen und Abhängigkeiten zu reflektieren, soll das Sicherheitssystem in einer Computersimulation modellieren. Dies ermöglicht den Designern, den Schifffahrtsbehörde und zu guter Letzt dem Reeder, einen schnellen und adäquaten Eindruck von der Wirkung zu bekommen, die verschiedene Alternativen und Entscheidungen in Bezug auf die Sicherheit des Schiffs und den Rettungsablauf haben. Sobald die Modellparameter von empirischen Daten ausgewertet werden, können viele verschiedene Szenarien beurteilt werden. Besonders könnten diese unter dem Aspekt des Kosten-Nutzen-Verhältnisses zu beträchtlichen Verbesserungen führen. Weiterhin ermöglicht dies die Einbeziehung von den oben erwähnten menschlichen Faktoren in eine gleichermaßen einfache und natürliche Weise.

Mikroskopische Modelle berücksichtigen eine Beschreibung einer großen Gruppe von Personen, wo jeder als Individuum eingeschlossen wird. Das komplexe Verhalten einer Gruppe, wie in der Realität, ergibt  sich aus dem Verhalten jedes einzelnen, das leichter zu beschreiben ist. Es wird nicht ins Modell platziert, aber als Ausgabe empfangen.

Vereinfachte vorläufige Methode

Gegenwärtig werden die Fluchtwege von Passagieren an Bord von  den vorläufigen Regeln der internationalen Seeorganisation gestaltet. Um eine effiziente und leichte Regelung zu schaffen, wurde eine statistische Methode entwickelt, die auf vielen Vereinfachungen basiert. Die Grundidee ist, dass sich die Passagiere nur entlang ihrer Hauptfluchtwege bewegen.

Dies bedeutet, dass sie in ihrem Brandabschnitt bleiben, die entsprechende Treppe verwenden und von dort das Evakuierungsdeck erreichen. Entsprechend einer festen Verteilung von Menschen an Bord (Nacht/Tag) ist es berechnet worden, wie viele Passagiere an verschiedenen Stellen (z.B. Stufen, Evakuierungsstellen) erwartet werden, und entsprechend dieser Anzahl wird der erforderliche Platz bestimmt. In anderen Fällen (z.B. Hochgeschwindigkeitsfähren) ist die Evakuierungszeit berechnet. (Zusammenfassung der Regeln für die vereinfachte Analyse von Roll-on-Roll-off-Fähren.)

Die für diese Berechnungen verwendeten Gleichungen sind rein empirisch. Die Faktoren basieren auf Beobachtungen und Erfahrung, verbunden mit Variablen, die die Architektur des Schiffs charakterisieren.
Die folgenden Punkte zeigen die Vereinfachungen, die gemacht werden mussten, aber nicht notwendig sind, wenn eine mikroskopische Simulation gebraucht wird:

  •  Sieht man sich aber Unfallberichte an, kann die Reaktionszeit der Passagiere stark variieren. Besonders wenn Leute seekrank sind, sind sie nicht bereit, zu akzeptieren, dass etwas nicht in Ordnung ist und sie das Schiff verlassen müssen. Stattdessen tendieren sie dazu, in ihren "sicheren" Kabinen zu bleiben. Ein anderes Beispiel ist die Evakuierung von Hochgeschwindigkeitspassagierfähren, dort sitzen die Leute normalerweise in Reihen, wie in einem Flugzeug. Die Zeit, die Passagiere benötigen, um ihre Schwimmwesten unter ihren Sitzen hervorzuziehen und diese anzuziehen variiert stark. Dieser Aspekt sollte nicht vernachlässigt werden, wenn die Evakuierungszeit berechnet wird.
  • Alle Passagiere verwenden nur die Hauptevakuierungsstrecken. Das Bild neben diesem Text zeigt ein typisches Passagierdeck. Feuer getestete Schotten (Orange) teilen das Schiff in senkrechte Brandabschnitte, die ihre eigenen Treppen (Grün) haben. Im Falle eines Notfalls und entsprechend den Berechnungen der IMO "vorläufigen Richtlinien" würde die Person, auf die hingewiesen ist, den blauen Fluchtweg verwenden und in ihrem Brandabschnitt bleiben. Studien über menschliches Verhalten haben gezeigt, dass Menschen dazu tendieren, den kürzesten Weg zu nehmen. Deshalb würde die Person normalerweise die rote Strecke wählen. Wenn sich eine Notfallsituation ergibt, ist es fraglich, ob diese Person der Strecke folgt, die auf dem, an der kabinentürhängnden, Evakuierungsplan beschriebenen ist. Es ist wahrscheinlich, dass die Leute vertraute Strecken benutzen, in diesem Fall, die Rote. Wenn alle senkrechten Zonen gleich groß wären, könnte man annehmen, dass die Anzahl von Personen, die die Treppen in einer senkrechten Zone erreichen, gleich der Anzahl von Personen ist, die bei der IMO - Berechnung angenommenen werden. Aber die Gestaltung der senkrechten Zonen unterscheidet sich, und die Anzahl von Personen, die die Treppen erreichen, variiert beträchtlich.  
  • Passagiere holen einander nicht ein und haben keine Beeinträchtigungen, die den Fluchtstrom behindern. Dies ist natürlich eine Vereinfachung, die weit von der Realität entfernt ist. Wenn die Passagiere die Gefahr realisieren, versuchen sie so schnell wie möglich zu den Evakuierungsstellen zu kommen. Daraus folgt, dass langsamere Personen eingeholt werden. Es ist auch wahrscheinlich, dass behinderte Menschen (z.B. in Rollstühlen) an Bord sind. Dies bedeutet, dass es Personen gibt, die sich mit dem Strom, aber mit einer geringeren Geschwindigkeit, bewegen. Weiterhin werden Leute, die plötzlich stehen bleiben, um sich zu orientieren, nicht mit in Betracht gezogen. Des Weiteren wird die Kapazität von Fluchtwegen und die Evakuierung als Ganzes durch die Wirkung von Schieflage und Bewegung eines Schiffes auf dem Seeweg beeinflusst.   
  • Gegenstrom wird als nur als "Gegenstromfaktor" in Betracht gezogen. Entsprechend den Vereinfachungen bewegen sich alle Passagiere in dieselbe Richtung. Es könnte sein, dass sich nur die Mannschaft in die entgegengesetzte Richtung bewegt und so den Gegenstrom verursacht. Sie ist von einem rein empirischen Faktor charakterisiert. In Wirklichkeit jedoch hat sich gezeigt, dass nicht alle Passagiere die Hauptfluchtstrecken wählen. Viele tendieren dazu zuerst zu ihren Kabinen zu gehen, um ihre persönlichen Dinge zu holen, oder sie wählen einfach einen anderen Fluchtweg. Dies führt zu ernst zunehmenden Behinderungen in den Korridoren, die wegen ihrer Komplexität nicht von einfachen Faktoren charakterisiert werden können. Die volle Verfügbarkeit des Fluchtwegesystems ist zu berücksichtigen.   
  • Die volle Verfügbarkeit des Fluchtwegesystems ist zu berücksichtigen. Passagierschiffe transportieren lebensrettende Geräte entsprechend SOLAS Kapitel III. Um eine sichere Evakuierung auch unter Schieflage sicherzustellen, muss es möglich sein, alle Menschen an Bord mittels der lebensrettenden Geräte von nur einer Seite des Schiffs aus zu evakuieren. Es ist auch möglich, dass ein Teil der lebensrettenden Geräte aufgrund von Kollisionen nicht mehr funktionieren. Um dann an eine intakte Ausrüstung zu gelangen, müssen Menschen umgeleitet werden.