Schutzmaßnahmen: Betriebsanweisungen

Betriebsanweisungen

Gebrauchsanweisungen, Gebrauchsanleitungen, Betriebsanleitungen, Bedienungsanleitung, Benutzerhandbuch oder Betriebsanweisungen - bezeichnen die Begriffe eigentlich das Gleiche? – Nein, definitiv nicht!

Hersteller von technischen Arbeitsmitteln, Maschinen oder Geräten sind verpflichtet, ihrem Produkt ein Dokument - in deutscher Sprache abgefasst - mitzuliefern, in dem u.a. sicherheitstechnische Hinweise zur Verwendung, Ergänzung oder Instandhaltung aufgeführt werden. Die jeweilige Bezeichnung/Wortwahl stammt aus der zugrundeliegenden EU-Richtlinie.

Der rechtlich definierte Begriff Betriebsanweisung setzt sich aus den Teilen Betrieb und Anweisung zusammen. Betriebsanweisungen unterscheiden sich von all den oben anderen genannten Dokumenten dadurch, dass sie nicht durch vom Hersteller eines Produkts zur Verfügung gestellt wird, sondern vom eigenen „Chef“: Sie sind innerbetriebliche, verbindliche, schriftliche Arbeits- und Verhaltensanweisungen und daher betriebsinterne Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorgaben.

Betriebsanweisungen sind Information und Umsetzungsanweisung zugleich. Einerseits informieren sie Beschäftigte kurz und in schriftlicher Form über Gefährdungen und Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz und geben so die Ergebnisse der entsprechenden Gefährdungsbeurteilung des Anwendungsfalls kompakt wieder. Andererseits zeigen sie auf, wie (und ggf. durch wen oder welche Abteilung) sicherheitsrelevante Aufgaben/Tätigkeiten im eigenen Zuständigkeitsbereich konkret umgesetzt werden. Herstellerseitige Dokumente können eingebunden werden.

Betriebsanweisungen werden im staatlichen Recht vor allem durch das Arbeitsschutzgesetz (§ 9 ArbSchG) verlangt, außerdem in nachgeordneten Rechtsverordnungen wie …

  • der Gefahrstoffverordnung (§14) / TRGS 555
  • der Biostoffverordnung (§ 14)
  • der Betriebssicherheitsverordnung (§ 12).

Betriebsanweisungen sind ein rechtlich etabliertes Mittel, um Unfälle und Gesundheitsrisiken zu vermeiden. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sie auch durch das Regelwerk der Gesetzlichen Unfallversicherer verlangt werden.

zur Übersicht

Wie viele Betriebsanweisungen sind erforderlich?

Früher oder später wird man mit dieser Frage in der Arbeitsschutzpraxis konfrontiert. Um sie zu beantworten, ist es einfacher, statt dessen zu fragen, welches Schutzziel mit Betriebsanweisungen (BA) erreicht werden soll: BA dienen dazu, Beschäftigte auf die wichtigsten Gefährdungen bei den typischen betrieblichen Tätigkeiten hinzuweisen und Methoden/Verfahren zu beschreiben, die zur Abwendung einer Gefahr im Normalfall oder einer Ausnahmesituation (Havarie, Unfall…)  festgelegt wurden.

Daraus ergibt sich, dass via BA grundsätzlich nur solche Tätigkeiten und Arbeitsabläufe zu regeln sind, die gefährlich bzw. sicherheitsrelevant (gefahrgeneigte Tätigkeiten) sind, oder wo Vorschriften eine Regelung erfordern.

Massenweise BA in einem Arbeitsbereich verhindern eher das Erreichen des genannten Schutzziels, da …

  • dies eher als Überreglementierung wahrgenommen wird.
  • eine derartige Flut von Vorschriften die Bereitschaft senkt, sich mit ihnen zu beschäftigen (innerer Widerstand der Beschäftigten gegen die BAs wächst).
  • die Beschäftigten BAs nicht mehr als Schutz/Hilfe für sich selbst interpretieren, sondern als Absicherung der Chefs (Schutz vor Rechtsfolgen bei Verstößen gegen Vorschriften).

zur Übersicht

Betriebsanweisungskonzepte

Sicherlich werden in allen Arbeitsbereichen bereits viele Betriebsanweisungen vorhanden sein. Ein gutes BA-Konzept hilft, sie übersichtlich, vollständig und aktuell zu halten. Führt man alle bereichsbezogenen Arbeitsschutzbasics in einer allgemeinen BA auf, dann müssen sie nicht in den speziellen BAs wiederholt werden. Wenn beispiels­weise gemäß allgemeiner BA im gesamten Arbeitsbereich Schutzbrillenpflicht besteht, muss dies nicht noch einmal explizit in jeder spezifischen BA notiert werden. Benötigt man in einem Arbeitsprozess bestimmte Gefahrstoffe oder Biostoffe – warum dann nicht direkt mit der zutreffenden stoffspezifischen BA verlinken?

So könnte die Struktur eines BA-Konzeptes aussehen:

  • Allgemeine Betriebsanweisung (für Laboratorien entspricht dies der Laborordnung)
  • BA für Gefahrstoffe (Gruppen- und Einzelstoffe / gem. GefStoffV)
  • BA für Biostoffe (Gruppen- und Einzelstoffe / gem. BioStoffV)
  • BA für die Benutzung von Geräten oder Maschinen (gem. BetrSichV)
  • BA für Tätigkeiten / Arbeitsverfahren
  • BA für Persönliche Schutzausrüstung
  • BA für Organisatorisches (Dritte im Arbeitsbereich….)

Für den Arbeitsplatz Labor konkretisiert die Laborrichtlinie in Kapitel 4.1 dieses Thema.

Ein BA-Konzept muss auch berücksichtigen, dass Beschäftigte nicht nur von der Existenz der BAs wissen, sondern jederzeit auf sie zurückgreifen können. Es hat sich bewährt, sie online zur Verfügung zu stellen, aber auch im Arbeitsbereich ein ausgedrucktes Hand-Exemplar der BA-Sammlung zur Verfügung zu stellen.

zur Übersicht

Gestaltungsprizipien für Betriebsanweisungen

Das technische Regelwerk (z. B. TRGS 555) und Schriften der Gesetzlichen Unfallversicherer (z. B. DGUV Information 211-010) geben eine ganze Reihe von Gestaltungshinweisen für BAs:

Betriebsanweisungen …

  • müssen für die Beschäftigten verständlich sein (Form und Sprache).
    Die sachliche Botschaft der BA soll ja ankommen. Daher muss der Text der BA dem Sprachniveau angepasst werden und/oder ggf. in eine andere Landessprache übersetzt werden, wenn Beschäftigte nicht ausreichend der deutschen Sprache mächtig sind.
  • müssen objekt-, tätigkeits- und adressatenbezogen sein:
    BAs regeln den Einsatz eines Gefahrstoffes, einem Verfahren oder einer Anlage in einem örtlich begrenzten Arbeitsbereich für dort tätige Beschäftigte(ngruppen). Dieser Bereich muss erkennbar sein.
  • sollen in praktisches Verhalten oder Handeln umgesetzt werden können und sind daher konkret abzufassen.
    Dazu müssen Gefahrstoffe, Arbeitsmittel, PSA genau bezeichnet werden; unbestimmte Begriffe, wie regelmäßig, gelegentlich, erforderlichenfalls, eventuell, ausreichend, normal, üblich, geeignet, angemessen, weitgehend, möglichst, usw. sind nicht hilfreich.
  • sollten so umfangreich sein, dass sie für die Anwender überschaubar bleiben.
    Das Format DIN A4 hat sich bewährt – BA dürfen aber durchaus länger als eine DIN A4 Seite sein, wenn es viel mitzuteilen und zu regeln gibt. Bei umfangreicheren BAs haben sich „Verlinkungen“ auf mitgeltende Dokumente (Versuchsvorschrift, Bedienungsanweisung, Sicherheits­datenblatt/Einstufung ...) bewährt.
  • müssen erkennen lassen, von wem und zu welchem Zeitpunkt sie „in Kraft gesetzt“ wurden.
    Ihre Geltungsdauer ist jedoch i.d.R. nicht zeitlich begrenzt

Auch mit der Darstellungsform von BAs kann die Übersicht, Verständlichkeit und Akzeptanz beim Leser erhöht werden etwa durch …

  • eine einheitliche graphische Gestaltung
  • einen logischen, gleichartigen und übersichtlichen Aufbau
  • farbige Rahmen / Ränder (s.u.)
  • Visualisierung von Gefahren, Geboten, Verboten usw. mit offiziellen Piktogrammen, also solchen, die den einschlägigen Vorschriften zuzuordnen sind (für Gefahrstoffe Piktogramme nach CLP-VO, am Arbeitsplatz nach ASR 1.3 , z. B. Ge- und Verbotszeichen….).
    Derartige Symbole ermöglichen es, den BA-Inhalt schneller zu erfassen und schaffen eine Verbindung zur innerbetrieblichen Sicherheitskennzeichnung. Doch Vorsicht: Sie sind Bildsprache und vermitteln dem Leser eine Botschaft! Sie sollten nicht als Auflockerungsmittel zur Verzierung eines trockenen Textes verstanden werden.

Die farbliche Gestaltung von Betriebsanweisungen ist formell nicht vorgeschrieben; DGUV Informationen (211-010 bzw. 213-016) empfehlen folgende Farbwahl:

  • orange für Gefahrstoffe,
  • blau für Arbeitsmittel, Bedienung von Maschinen oder für Arbeitsverfahren
  • grün oder pink für biologische Arbeitsstoffe
  • grün für die Benutzung persönlicher Schutzausrüstung
  • gelb für gentechnische Anlagen

zur Übersicht

Muster-Betriebsanweisungen

Eine zweckmäßige BA zu erstellen kann ziemlich aufwändig und langwierig sein: Zunächst einmal muss klar sein, welche Erkenntnisse aus der Gefährdungsanalyse und -beurteilung mit der BA vermittelt werden sollen. Dann müssen die betrieblichen Abläufe der Tätigkeiten und daran beteiligte Personen bekannt sein oder recherchiert werden, verständliche Texte müssen geschrieben, sinnvolle Symbole ausgewählt werden...

Man könnte daher geneigt sein, einfach eine thematisch passende BA „aus dem Internet zu ziehen“, aus dem Paket eines kommerziellen BA-Anbieters herauszusuchen oder lediglich Daten aus einen Sicherheitsdatenblatt automatisch in einen BA-Rohling einfügen lassen und anschließend nur noch den Namen der eigenen Abteilung in die BA einzutragen. – Aber so einfach sollte man es sich nicht machen, denn man ist für den Inhalt der „eigenen“ BA verantwortlich – für das, was da drinsteht und auch für das, was dort fehlt.

Es kann jedoch hilfreich sein, sich an Muster-Betriebsanweisungen des gleichen Themas und vergleichbaren Arbeitsplätzen zu orientieren, wenn man eine eigene BA hierzu abfasst. Gute Vorlagen können bereits viele wesentliche Gefahren benennen und beispielhafte Schutzmaßnahmen anführen. Die Inhalte von BA-Muster sind aber mit Blick auf die spezifischen innerbetrieblichen Verhältnisse zu überprüfen und zu ergänzen. So können vorgefertigte Muster beispielsweise auf die Notwendigkeit hinweisen, dass bei Tätigkeiten mit einem bestimmten Gefahrstoff Kunststoffhandschuhe getragen werden müssen:

P280 Schutzhandschuhe / Schutzkleidung / Augenschutz / Gesichtsschutz tragen.

Die eigene BA muss jedoch eine deutliche Aussage enthalten, welcher Typ der am Arbeitsplatz verfügbaren Schutzhandschuhe bei welchen Prozessen zu benutzen sind (oder auf einen entsprechenden bereichsspezifischen Handschuhplan verweisen).

Schutzhandschuhe aus Nitril (grün) beim Entnehmen der Glasgeräte aus dem Reinigungsbad benutzen.

Die thematisch passende Betriebsanweisung einer anderen Arbeitsgruppe oder eine Muster-Betriebsanweisung, die innerhalb der eigenen Universität zentral erstellt wurde, können bei bestimmten Themen bereits betriebsinterne Regelungen enthalten z. B. konkrete Regelungen zur Entsorgung von Gefahrstoffen, interne Ansprechpartner oder Notfallnummern. Um sie passgenau zu machen, müssen auch sie nachbearbeitet werden: Es sind die jeweiligen speziellen Gegebenheiten der Fakultäten und dortigen Arbeitsgruppen (z.B.: besondere Gefahren, Telefonnummern oder Lagerort eines Bindemittels) zu benennen.

Prüfen Sie daher immer genau, welche Teile einer Betriebsanweisung Anderer für Ihre eigene als Vorlage dienen können. Betrachten Sie sie als beispielhafte Betriebsanweisung und nicht als besonders gelungenes Muster und Kopiervorlage.

Vor diesem Hintergrund ist die Sammlung von Muster-Betriebsanweisungen als Praxishilfe zu verstehen.

zur Übersicht

Sind die Betriebsanweisungen auch gerichtsfest?

Lassen Sie sich nicht von Schlagwörtern wie rechtssicher oder gerichtsfest verunsichern! Gerichte befassen sich erst dann mit Arbeitssicherheitsfragen, wenn es zu einem Schadensfall gekommen ist.
Im Nachhinein ist man immer schlauer und fragt sich, warum man ein bestimmtes Ereignis nicht vorhergesehen hat. Vor der Denkfalle eines Rückschaufehlers ist niemand gewappnet!

Selbstverständlich dürfen BA keine sicherheitswidrigen Anweisungen erteilen, aber gewissenhaft erstellte Betriebsanweisungen sind gut! Sie sind ein wesentlicher Baustein der Unfallprophylaxe und des betrieblichen Gesundheitsschutzes.

Achten Sie beim Abfassen einer BA auf Ihre Zielgruppe: Richten Sie sich in Bezug auf die erforderliche Tiefe, des Umfangs und der angemessenen Art und Weise von Sprache und dem Einsatz von Symbolen auf das Ziel, das die in der BA enthaltenen Botschaften und Anweisungen verstanden und akzeptiert werden sollen.

zur Übersicht