Willkommen an der Fakultät Prof. Dr. Hannes Krämer

Prof Dr Hannes Kraemer

Die Fakultät begrüßt ein neues Mitglied: Prof. Dr. Hannes Krämer hat zum Sommersemester 2018 den Ruf auf die Professur "Institutionelle Kommunikation mit dem Schwerpunkt Kommunikation in Institutionen und Organisationen" am Institut für Kommunikationswissenschaft angenommen.
Hannes Krämer hat Kommunikationswissenschaft und Praktische Sozialwissenschaften an den Universitäten Duisburg-Essen, Maynooth (Irland) und Bern (Schweiz) studiert. Sein wissenschaftlicher Werdegang führte ihn zunächst ans Exzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“ der Universität Konstanz (Projekt: „Zur Genealogie und Praxis des Kreativsubjekts“). Von 2010 bis 2017 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Vergleichende Kultursoziologie (Prof. Dr. Andreas Reckwitz) der Europa-Universität Viadrina. Von 2017 bis 2018 war Krämer Koordinator des Forschungszentrums B/ORDERS IN MOTION und Leiter der Forschungsgruppe „Border & Boundary Studies“ an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder.
Prof. Krämers Forschung zielt auf die Analyse kommunikativer Praxis in sozial und kulturell heterogenen Institutionen und Organisationen in verschiedenen sozialen Feldern: So zählt zu seinen Arbeitsschwerpunkten unter anderem die Grenzforschung. Prof. Krämer ist Gründungsmitglied der Sektion „Kulturwissenschaftliche Border Studies“ der Kulturwissenschaftlichen Gesellschaft; 2019 erscheint das von ihm mit herausgegebene „Handbuch Grenzforschung“ und in wenigen Wochen das Themenheft „Komplexe Grenzen“ bei der Berliner Debatte Initital.
Außerdem forscht Hannes Krämer, der für seine ethnografische Arbeit selbst einige Jahre in der Werbebranche tätig war, zum Feld künstlerisch-kreativer Erwerbsarbeit und ist Sprecher des entsprechenden DFG-Netzwerks. Im Gegenstandsbereich aktueller Arbeits- und Organisationsforschung gilt sein Interesse ebenso der Zukunftspraxis von Organisationen. Der Sammelband How Organizations Manage the Future. Theoretical Perspectives and Empirical Insights wird in Kürze erscheinen.

Wir heißen Hannes Krämer sehr herzlich als Professor an unserer Fakultät willkommen!
 

/18.04.18; (c) Foto: mca

Im Gespräch Prof. Dr. Berna Pekesen

Berna Pekesen2

Am 1.12.2016 wurde Prof. Dr. Berna Pekesen von der Universität Hamburg auf die Junior-Professur „Geschichte der Türkei“ berufen. Mit der deutschlandweit bisher einzigen Professur für dieses Fachgebiet weist die Fakultät für Geisteswissenschaften ein weiteres Alleinstellungsmerkmal auf und baut den schon bestehenden Schwerpunkt aus: Die Arbeit des Instituts für Turkistik, des Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung (ZfTI) wird nun durch die zeithistorische Perspektive ergänzt und erweitert.
Bisher wurde die Geschichte der „modernen“ Türkei eher selektiv und als Teilgebiet anderer Disziplinen behandelt, in Orientalistik, Turkologie oder der Islamwissenschaft. Relevante Studien und Befunde blieben verstreut. Berna Pekesens Professur bietet nun die Möglichkeit, diese unter geschichtswissenschaftlichen Aspekten systematisch zusammenzuführen und die Geschichte der Türkei besonders im ausgehenden 19. und 20. Jahrhundert in Forschung und Lehre stark zu machen. Vor allem aber ermöglicht sie die kritische Analyse von Ereignissen und Entwicklungen seit dem Ersten Weltkrieg und deren Betrachtung und Einordnung in größere historische und soziale Kontexte. Darüber hinaus möchte Berna Pekesen die Zeitgeschichtsforschung zur Türkei stärken, die im deutschsprachigen Raum untererforscht und institutionell unterrepräsentiert ist. Dazu plant sie, auch weiterhin mit einschlägigen Wissenschaftlern der genannten Nachbardisziplinen zusammenzuarbeiten, um ein Netzwerk für türkische Zeitgeschichtsforschung aufzubauen. Diese wird sich unter anderem mit Entwicklungen im Bereich der Geschichte, Gesellschaft, Politik und Kultur der Türkei seit den 1950er Jahren beschäftigen. Militärputsche, Jugendkultur, soziale und politische Bewegungen, z.B. die türkische „68-er“ Bewegung sind aus der geschichtswissenschaftlichen Perspektive kaum erforscht worden. Aber auch transnationale bzw. transkulturelle Entwicklungen, wie etwa die Geschichte der Arbeitsmigration aus der Türkei seit den 1960er Jahren ins Ausland, sollen nicht ausgespart werden.
Die Brückenprofessur verbindet die Fächer Geschichtswissenschaft und Turkistik. Sie wird den historischen Anteil des Faches Turkistik verstärken und das regionale Spektrum im Fach Geschichte erweitern. Das Interesse der Studierenden ist groß. Etwa die Hälfte der Veranstaltungsteilnehmer sind Studierende mit Zuwanderungshintergrund – nicht nur für türkeistämmige Studierende bietet sich nun die Möglichkeit der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Geschichte der Türkei und der türkischen Migration.
13.01.2017/bp/mca

Im Gespräch Prof. Dr. Martin Schubert

Martin Schubert 1

„Ich biete den Studierenden mehrere Legitimierungsdiskurse an“, sagt Martin Schubert. „Dass man in der Mediävistik tolle Texte liest, beeindruckt sie erstmal wenig. Aber wenn klar wird, dass nur ‚wir‘ Zugang zu diesen Texten haben, oder wenn über die Sprachgeschichte die Verwandtschaft zwischen Deutsch, Englisch und Niederländisch offenbar wird, kommt das Interesse.“
Gerade angesichts aktueller Debatten um die ‚Wurzeln des Abendlandes‘ ist der Blick in die Vergangenheit wichtig: „Es geht hier immerhin um unsere Kulturgeschichte. Unsere ‚Wurzeln‘ beschwören derzeit ja gern Leute, die davon gar keine Ahnung haben. Sie betreiben eine fatale ‚Rekonstruktion‘. Um unsere Wurzeln zu kennen, müssen wir die Geisteszeugnisse der Vergangenheit kennen. Das Mittelalter hat uns hochkarätige Texte hinterlassen, komplexe Geschichten mit vielschichtigen, teils auch wüsten Handlungen, die sich jeder einfachen Deutung entziehen und die man mit einem interkulturellen Blick erforschen muss. Durch diese Beschäftigung mit der Vergangenheit werden wir offener für die Gegenwart.“
In der Gegenwart hat das Mittelalter, so scheint es, Konjunktur – in Romanen und Filmen, auf Märkten und beim Reenactment. „Als Wissenschaftler hält man dazu eher Distanz“, sagt Martin Schubert. „Aber man kann sich schon fragen, wie viel Mittelalter in einem Disney-Schloss steckt. Nicht viel, denkt der Mediävist zunächst. Und stellt dann doch fest, dass eine Linie zurück in die Vergangenheit führt bis zum Stundenbuch des Duc de Berry.“
Die spätere Rezeptionsgeschichte mittelalterlicher Stoffe muss, so Martin Schubert, Teil der Mediävistik sein: „Wir können heute nicht übers Nibelungenlied reden, ohne über Hebbel und Wagner zu reden.“ Und über die unheilvolle Umdeutung des Treue-Begriffs im 19. und 20. Jahrhundert: Stand triuwe im Mittelalter für einen sittlichen Anspruch innerhalb der Lehnsbeziehung, wurde die sogenannte ‚Nibelungentreue‘ zum nationalistischen Schlagwort für unbedingte Gefolgschaft – bis in den Untergang. Wie vermeidet man ein Mittelalterbild, das eher dem eigenen Zeitgeist entspricht als einer historischen Vergangenheit? „Eben das ist ja die Aufgabe der Wissenschaft und der Erforschung z.B. der mittelalterlichen Literatur: die Relativierung solcher Vorstellungen durch historisches Wissen, um einen intellektuell gefestigten Diskurs zu ermöglichen.“
Um aber die besonderen – „teils auch sonderbaren!“ – Texte des Mittelalters rezipieren zu können, muss man sie oft erst einmal heben: Viele schlummern noch in den Handschriftenabteilungen der Bibliotheken und warten darauf, ediert zu werden. „Den Bereich Edition und Editionstechnik möchte ich in Essen stärken“, sagt Martin Schubert. Aus Berlin bringt er das von der DFG geförderte Regenbogen-Projekt [Link] mit, das ab 1. Januar 2017 an der UDE weitergeführt wird: „Regenbogen war ein Sangspruchdichter, der uns 11 Strophen hinterlassen hat. Da wären wir mit der Edition schnell fertig, aber es gibt etwa 800 Strophen, die in seinem ‚Ton‘ überliefert sind. Diese Lieder sind noch kaum erforscht, obwohl der Regenbogen-Ton zu den bedeutendsten Tönen des Mittelalters gehört.“
Vielleicht wird es in Essen auch Projekte zu mittelalterlicher Musik geben, sagt Schubert, der selbst mehrere Instrumente spielt. Derzeit geplant sind aber erst einmal eine Tagung und ein Handbuch zur Geschichte der altgermanistischen Editionswissenschaft sowie die Edition des ‚Kleinen Seelentrosts‘, einer erbaulichen Schrift mit offener Überlieferung. „Hier müssen wir angesichts der Verteilung in den Handschriften erst einmal fragen: Was ist der Text?“

Gefragt, wie er selbst zur Mediävistik kam, sagt Schubert: „Mich faszinierte das Ähnliche und das Andere. Da gab es Texte, offenbar irgendwie auf Deutsch, man konnte sie recht schnell lesen. Und doch waren sie so völlig ‚anders‘! Zeugnisse einer ganz anderen Welt.“

Dr. Hanna Köllhofer

Hanna Köllhofer

Am 24. Juni 2016 feiert der Studiengang Literatur und Medienpraxis sein 10-Jähriges Bestehen. Grund für die "Mitteilungen", mit Dr. Hanna Köllhofer zu sprechen, der stellvertretenden Leiterin des Studiengangs, die ihn 2006 mit aus der Taufe gehoben hat.

Eine ganz leichte Geburt war es nicht, erzählt sie. "Es gab einige skeptische Kollegen, als noch unter der Ägide von Jochen Vogt die Pläne zu LuM konkret wurden. Man hatte Sorge, dass der Studiengang kein Erfolg werden würde. Zu teuer, keine Studierenden, das waren damals die Bedenken. Heute wissen wir: Sie waren unbegründet. Die Studierendenzahlen sind seit Jahren verlässlich konstant, LuM gehört zu den erfolgreichsten Masterstudiengängen der Fakultät."
Auch die Lehre mit Dozenten aus der Praxis einerseits, professionellem Equipment andererseits konnte man finanziell bewältigen: "Wir haben dabei auf Vernetzung in der Region gesetzt. Und viele Journalisten, Redakteure, PR- und Verlagsleute kommen gern als Lehrende an die Uni, um ihre Erfahrungen weiterzugeben. Dabei achten wir allerdings darauf, dass sie selbst ein fachwissenschaftliches Studium haben oder dass bei reinen Praktikern die Lehre im Team mit einem Fachwissenschaftler stattfindet." Denn die (germanistische) Literaturwissenschaft darf bei aller Praxisbezogenheit nicht zu kurz kommen. Das Konzept, Fachwissenschaft zu verknüpfen mit den vier Lehrschwerpunkten Zeitung, Verlag, Radio und Film/Fernsehen ist bundesweit einzigartig und zieht Studierende aus der gesamten Republik an. Jedes Jahr möchten mehr B.A.-Absolventen den Zwei-Fach-Master studieren, als angenommen werden: "Wir haben keine Zulassungsbeschränkung, allerdings Zulassungsvoraussetzungen. Jeder, der ein literaturwissenschaftliches B.A.-Studium mit einer Note von mindestens 1,8 abgeschlossen hat, kann bei uns seinen Master machen."
Grund für diese Einschränkung: "Sie ist ein Aspekt der Qualitätssicherung. Wir wollen, dass unsere Studierenden erfolgreich sind. Das heißt, dass sie nicht nur den Abschluss machen sollen, sondern danach auch einen Job bekommen."
Der Erfolg gibt LuM recht. "Wir bieten unseren Studierenden die Möglichkeit, unter nahezu professionellen Bedingungen z.B. Radio- oder Fernsehbeiträge zu machen oder journalistisch zu schreiben. Wenn sie die Uni verlassen, haben sie ein Portfolio, mit dem sie sich Arbeitgebern vorstellen können. Viele werden schon während des Studiums abgeworben, entwickeln aus einem Praktikum eine künftige Stelle oder erhalten direkt nach dem Studium ein Volontariat oder eine Festanstellung."
Dabei achtet der Studiengang darauf, dass die Teilnehmer ihn in jedem Fall mit einem Examen abschließen. Das hat nur zum Teil mit der Bindung von Landesmitteln an Absolventenzahlen zu tun: "Ein Master wird später einfach besser vergütet als ein B.A., und wir möchten unsere Studierenden bestmöglich für die Zukunft rüsten", sagt Hanna Köllhofer. Man merkt ihr an, wie wichtig ihr eine gute Betreuung ist: "Wir nehmen sie am Beginn ihres ersten Wintersemesters quasi an die Hand und sind dann während der Jahre ihres Studiums für sie da. Wir beraten sie, was Praktika betrifft oder Auslandsaufenthalte, wir binden sie ein in unsere Netzwerke, wir machen Mentoring und Alumni-Arbeit." Lohn des Engagements: Eine Abschlussquote von 85 Prozent; durchschnittlich schließen 50 Studierende den Studiengang LuM in jedem Jahr ab.
Doch nicht nur die Lehrenden sind engagiert, auch die Studierenden sind hochmotiviert. "Und am Ende verlassen die meisten die Uni mit einem guten Selbstbewusstsein, dass sie wirklich etwas können."
LuMler kennen sich untereinander, vernetzen sich, bleiben dem Bereich als Alumni erhalten. Und so wird auch die Jubiläumsfeier am 24.06. zu einem großen Teil von Studierenden und Ehemaligen des Studiengangs gestaltet.
Ein wenig klingt das alles nach paradiesischen Zuständen innerhalb des Massenbetriebs an einer der größten Hochschulen des Landes. Was könnte besser sein, was wünscht man sich bei LuM für die Zukunft? Tatsächlich muss Hanna Köllhofer bei diesen Fragen ein wenig überlegen: "Natürlich könnte man noch das eine oder andere Zusatzangebot einrichten. Aber im Großen und Ganzen sind wir zufrieden. Alles gut."

20.06.2016/mca

Im Gespräch Prof. Dr. Michael Beißwenger

Michael Beißwenger 1

Die Fakultät für Geisteswissenschaften begrüßt ein neues Mitglied: Zum 1. Februar 2016 wurde Prof. Dr. Michael Beißwenger von der TU Dortmund auf die Professur für Germanistische Linguistik und Sprachdidaktik der UDE berufen. Mit den Mitteilungen sprach er über Chats, Wikis, Collaborative Writing und darüber, wie die Digitalisierung unser Kommunikationsverhalten verändert.

Spätestens mit dem Smartphone hat die Digitalisierung unseren Alltag mediatisiert: „Einen Linguisten interessiert an dieser Entwicklung natürlich vor allem die sprachliche Dimension.“ Bei seinem Blick auf den Medienwandel ist Michael Beißwenger, der Germanistik und Geschichte in Heidelberg studiert hat, die Historizität der Phänomene bewusst: „Wer Wandel untersucht, untersucht eine Moving Target. Natürlich ändert sich Kommunikation im digitalen Zeitalter schnell – auf den ersten Blick. Denn man kann feststellen, dass viele Formate doch länger überdauern. Die Entwicklung internetbasierter Kommunikation begann in den 70er Jahren, damals entstanden die ersten Prototypen der Technologien, die wir auch heute noch kennen und rege nutzen: E-Mail, Chats, Online-Foren, Messaging-Systeme. Ich denke, dass wir noch lange in diesen Formen kommunizieren werden, auch wenn sich die Schnittstellen und Funktionen im Detail verändern und stetig weiterentwickeln.“
Es stellt sich die Frage, weshalb wir die digitalen Medien nutzen, wie wir sie nutzen – vor allem für schriftliche Kommunikation: „Wir könnten uns ja auch per Videokonferenz unterhalten. Trotzdem schreiben wir häufig lieber Nachrichten.“ Dafür sieht der Linguist verschiedene Erklärungen: „Schrift ist diskret und zugleich persistent. Niemand kann mithören, wir können die Nachricht später lesen, unsere Reaktion überarbeiten usw.“ So entstehen im Chat und per WhatsApp schriftliche Dialoge, die viele Potenziale bergen. „Bei Chats denkt man meist an private Unterhaltungen. Aber Chats funktionieren in verschiedensten Zusammenhängen, z.B. in der Beratung, in interaktiven journalistischen Formaten oder in Lehr-Lern-Kontexten.“
Lehr-Lern-Kontexte: Sie bilden einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit von Michael Beißwenger, denn sowohl in der Hochschuldidaktik als auch in der Schule werden digitale Medien immer wichtiger. „Man muss allerdings wissen, wie man sie sinnvoll einsetzt, die Technik liefert uns nur die Infrastruktur. Ich sehe es als eine meiner Aufgaben als Professor an der UDE, Lehramtsstudierende an Konzepte für digitales Lernen heranzuführen, mit ihnen gemeinsam Materialien dafür zu entwickeln.“ Wikis und Collaborative Writing bieten eine Vielzahl an Möglichkeiten: „Wir können heute z.B. mit Google Docs einen Text bearbeiten ohne unmittelbaren Kontakt, zeitversetzt und doch gemeinschaftlich. Wir können Wikis zu Themenfeldern erstellen, Stichwort Social Learning. Gut eingesetzt wirken solche Unterrichtsformen auf Studierende und Schüler hochmotivierend.“ Ein wesentlicher Faktor innerhalb der Entwicklung internetbasierter Kommunikation ist die Tatsache, dass Schrift heute nicht mehr das Distanzmedium von einst ist, erklärt Prof. Beißwenger:  „Noch nie wurde so viel geschrieben wie heute, noch nie wurde Schrift so alltäglich, ja man kann vielleicht sogar sagen, so lustvoll eingesetzt.“ Entstanden ist eine ganz neue Form geschriebener Umgangssprache. „Allerdings zeigt die Forschung, dass im Netz keineswegs immer informell kommuniziert wird oder dass es überhaupt zu einer Einschränkung des Variantenreichtums der Sprache kommt.“ Nicht die Technik determiniert also den Spracheinsatz. Ob Zettel unter der Schulbank oder WhatsApp-Nachricht, E-Mail oder gedrucktes Anschreiben: „Entscheidend für die Sprachverwendung sind nach wie vor Aspekte wie Adressat, Beziehung, Thema, soziale und institutionelle Randbedingungen, Ziel und Zweck der Kommunikation.“
Die Grundlage der linguistischen Erforschung internetbasierter Kommunikation bilden digitale Sammlungen von Sprachdaten, die mit sprach- und texttechnologischen Methoden für Analysezwecke aufbereitet werden (sog. Korpora). Michael Beißwenger arbeitet in verschiedenen Projekten, aktuell unter anderem im Rahmen des BMBF-Verbundprojekts CLARIN-D, am weiteren Ausbau dieser Datengrundlage: „Dabei geht es auch um die Entwicklung von Standards, sowohl für die Erhebung als auch die linguistische Annotation und die computergestützte Analyse. Im Bereich der digitalen Geisteswissenschaften (Digital Humanities) gibt es ein wachsendes Interesse an der Arbeit mit Sprachdaten aus dem Netz. Um digitale Ressourcen austauschen und flexibel an verschiedene Forschungskontexte anpassen zu können, sind Standards unerlässlich.“ Auf der Professur hier in Essen sind nun längerfristige Planungen möglich: „Gemeinsam mit Kollegen aus Frankreich bin ich derzeit damit befasst, eine feste Konferenzreihe zu dieser Thematik zu etablieren. Daneben möchte ich die Forschung in diesem Bereich durch neue Projekte weiter voranbringen.“ Auf die fast schon traditionelle Frage, ob er sich freut, nun im Ruhrgebiet zu bleiben, holt Michael Beißwenger eine Tasse mit Ruhrdeutschwörtern aus seinem Regal: „Das Abschiedsgeschenk meines Dortmunder Teams. Ich lebe jetzt 14 Jahre hier, meine Kinder sind in Essen geboren. Ich muss sagen: Ich bin ein Ruhrgebiets-Fan.“
15.02.2016/mca

Im Gespräch Dr. Karin Kolb-Albers

Dr Karin Kolb Albers 1

Am 26.10.2015 wurde auf der Absolventenfeier der Fakultät für Geisteswissenschaften zum zweiten Mal der Förderpreis von Soroptimist-Club Essen für die Doktorarbeit einer Frau verliehen. Die Mitteilungen sprachen aus diesem Anlass mit der Präsidentin des Clubs, Dr. Karin Kolb-Albers (Kustodin des Instituts für Kommunikationswissenschaft).

Soroptimist International ist der weltweit größte Serviceclub für Frauen. Gegründet 1921 in den USA, setzen sich Soroptimistinnen unter dem Leitgedanken Education and Leadership für die Rechte und Chancen von Frauen ein. Als anerkannte NGO hat die Vereinigung allgemeinen Konsultativstatus und ist in verschiedenen Organisationen der UN vertreten. Karin Kolb-Albers ist seit 15 Jahren Mitglied im SI-Club Essen – wie bei den Soroptimistinnen üblich, wurde sie nach einer Zeit des Kennenlernens „gebeten“, in den Club einzutreten. Seit Oktober 2015 ist sie Präsidentin des Clubs, mit dem Gründungsdatum 1962 der älteste der drei SI-Clubs unserer Stadt. „Unser Club hat knapp 40 Mitglieder. Wenn ein Club eine bestimmte Größe hat, wächst er nicht mehr weiter, dann wird ein Tochterclub gegründet. Würden die Clubs zu groß, würde das Clubleben leiden“, erklärt Karin Kolb-Albers. Als Präsidentin ist sie nun für zwei Jahre Clubleben verantwortlich. „Wir treffen uns einmal im Monat. Es gibt Vorträge von Clubschwestern und auswärtigen ReferentInnen, Diskussionen, Gespräche. Hinzu kommt das bürgerschaftliche Engagement der Soroptimistinnen in ganz konkreten Projekten. Schwestern aus unserem Club bieten z.B. eine Leseförderung für Grundschüler im Eltingviertel, direkt hier gegenüber der Uni an. Wichtig ist uns auch das Mentorinnenprogramm, bei dem Frauen jüngere Frauen mit ihren Erfahrungen ins Berufsleben begleiten.“ Der Beruf spielt eine große Rolle bei den Soroptimistinnen – das Netzwerk richtet sich ausdrücklich an berufstätige Frauen. Jeder Beruf bzw. jede Tätigkeit darf pro Club nur einmal vertreten sein. „Deshalb gibt es bei uns auch keine klassische Nachwuchsrekrutierung, denn wir haben ja nur eine begrenzte Aufnahmekapazität. Trotzdem sehen wir den Preis, den wir an der Uni Duisburg-Essen für eine sehr gute Doktorarbeit vergeben, als Nachwuchsförderung an. Den Kontakt zu Juliane Dube, der Preisträgerin von 2014, haben wir zum Beispiel gehalten – vielleicht wird sie eines Tages eine von uns.“
Kontakte aufbauen, Netzwerke schaffen – SI ist in 117 Ländern in rund 3.100 Clubs aktiv: „Es ist für uns schon ein schönes Gefühl, dass wir überall auf der Welt ‚Schwestern‘ haben, die wir z.B. auf Reisen einfach anrufen können. Genauso wichtig ist aber das Engagement hier in der Region. So möchten wir mit dem SI-Förderpreis auch eine engere Vernetzung von Stadt, Bürgerschaft und Uni schaffen und als Multiplikatorinnen in die jeweiligen Sphären verbindend hineinwirken.“
Als klassischen Wissenschaftspreis sieht Karin Kolb-Albers die mit 1000 Euro dotierte Auszeichnung nicht. „Uns ist bei der Auswahl der Preisträgerin wichtig, dass eine Frau ihr Ziel, eine sehr gute Doktorarbeit, auch unter möglicherweise widrigen Umständen erreicht hat. Deshalb schauen wir nicht allein auf die Note, sondern auch auf die Biographie, auf Brüche und Rückschläge, auf die familiäre Situation der Bewerberinnen. Wir drücken mit dem Preis Anerkennung besonders auch für Lebenswege aus, die nicht geradlinig im Sinne einer Karriere verlaufen.“ Eben konnte sich Esther Richthammer über den SI-Preis freuen. Am 26.10.2015 wurde sie auf der Absolventenfeier der Fakultät für Geisteswissenschaften für ihre Dissertation „Spielräume für Geschlechterfragen. Re- und Dekonstruktion der Kategorie ‚Geschlecht‘ in kunstpädagogischen Kontexten“ (s. Bericht) ausgezeichnet.
Obwohl der SI-Preis für eine akademische Arbeit vergeben wird, legt Karin Kolb-Albers Wert darauf zu betonen, dass die Schwestern kein Akademikerinnen-Club sind. „Bei uns engagieren sich Frauen aus den verschiedensten Berufen und unterschiedlichen Alters. Wir sehen an den Biographien der Clubschwestern, wie sich das Frauenbild verändert: Frauen sind heute häufig nicht nur berufstätig, auch Versorgerinnen ihrer Familien.“
Als Präsidentin möchte Karin Kolb-Albers die Arbeit ihrer Vorgängerinnen verantwortungsvoll weiterführen: „Das allein ist schon ein großes Ziel. Vielleicht gelingt es mir, zudem einen Schwerpunkt zu setzen: Das Thema kulturelle Diversität und soziale Heterogenität scheint mir angesichts der Flüchtlinge, die zu uns kommen, momentan noch einmal dringlicher geworden zu sein.“ Das Engagement der Soroptimistinnen für Frauen ist gesellschaftspolitische Arbeit im Interesse von Frauen auf allen Ebenen der Gesellschaft – und es steht unter einem Leitspruch, der heute vielleicht mehr bedeutet als je zuvor: weltweit und ganz nah. // 10.11.2015/mca

Im Gespräch Prof. Dr. Evelyn Ziegler

Prof Dr Evelyn _ziegler

Zum 1.10.2015 wurde Frau Prof. Dr. Evelyn Ziegler (Institut für Germanistik) zur Prorektorin für Diversity-Management der UDE gewählt. Unter dem Motto „Vielfalt als Potenzial“ ist die bewusste Gestaltung und Förderung von Diversität im Leitbild unserer Hochschule verankert. Zum Amtsantritt sprach Evelyn Ziegler mit den Mitteilungen über ihre Ziele und geplanten Schwerpunkte.

Besonders wichtig ist Evelyn Ziegler die Unterscheidung zwischen Diversity-Management und Diversityforschung. „Ich möchte mich als Prorektorin in beiden Bereichen engagieren. Das war für mich der Ausschlag, das Amt zu übernehmen“, sagt sie. Dabei setzt Prof. Ziegler auf Synergieeffekte: „Als Prorektorin kann ich Netzwerke inner- und außerhalb der Wissenschaft bilden, z.B. mit Städten oder Institutionen, die Universität und Forschung gleichermaßen nützen.“ Während sich das Diversity-Management auf die hochschulischen Prozesse und die Hochschulkultur  bezieht (z.B. mit Blick auf Bildungsgerechtigkeit, Gleichbehandlung und diversitätsorientierte Personalentwicklung), weist die Diversitätsforschung über die Universität hinaus und fokussiert gesamtgesellschaftliche Themenstellungen. Evelyn Ziegler selbst leitet als Soziolinguistin u.a. die Studie „Metropolenzeichen“, die visuelle Mehrsprachigkeit in mehreren Ruhrgebietsstädten unter sprachwissenschaftlichen, integrationstheoretischen und stadtsoziologischen Aspekten untersucht – weitere interdisziplinäre Projekte sind geplant.
Als Hochschule mitten in der Metropole Ruhr spiegelt die UDE die kulturelle Vielfalt der Region. „Dies gilt für die Studierendenschaft ebenso wie für diejenigen, die an unserer Universität arbeiten. Hier liegt auch der Unterschied zur Unternehmensführung, aus der der Begriff Diversity Management kommt. Das Prorektorat ist für beide Gruppen da, Studierende und MitarbeiterInnen, sowohl für wissenschaftliches als auch nichtwissenschaftliches Personal, für diejenigen, die hier beheimatet sind ebenso wie für Internationals. Vor allem aber geht es an der Uni um die Optimierung von Lehr- und Lernprozessen einerseits und Forschungsprozessen und Arbeitsprozessen andererseits.“
Studienerfolg und Nachwuchsförderung stehen ganz oben auf Evelyn Zieglers Agenda. „Viele Studierende wissen gar nicht, welche Fördermöglichkeiten es im und nach dem Studium gibt, z.B. um welche Stipendien sie sich bewerben können. Hier möchte ich die Aktivitäten zur Information der Studierenden weiterführen und gemeinsam mit der Schreibwerkstatt ganz konkret ein Antragscoaching erarbeiten.“
Bei ihren Überlegungen bezieht sich die Prorektorin ausdrücklich auf alle Angehörigen der UDE: „Der Begriff Diversity Management wird oft mit Gruppen assoziiert, die sich von einer wie auch immer gearteten ‚Mehrheitsgesellschaft‘ unterscheiden. Es machen jedoch alle Gruppen, die an der UDE studieren und arbeiten, deren Diversität aus. Das ‚Normale‘ ist Teil der Vielfalt. Deshalb richtet sich unsere Arbeit an alle, die zu unserer Universität gehören.“ Mit ihrer Sicht grenzt sich Prof. Ziegler deutlich von einem Verständnis des DiM ab, das in erster Linie Defizite auszugleichen versucht: „Ich sehe vielmehr Potenziale. Vielfalt bedeutet Ressourcen, Perspektiven, Möglichkeiten. Unterschiedliche kulturelle Hintergründe fördern Innovation. Man hat festgestellt, dass heterogene Forschungs- und Arbeitsgruppen oft erfolgreicher sind, weil verschiedene Blickwinkel kreative Ideen begünstigen.“ Mit diesem Ansatz stellt sich die UDE auch der aktuellen Flüchtlingsthematik: „Wir können z.B. dabei helfen, Zulassungsmöglichkeiten oder die Anerkennung von Studienleistungen und Abschlüssen zu eruieren sowie die Sprachkenntnisse durch die Teilnahme an Deutschkursen im Rahmen des Gasthörerprogramms zu fördern, und Flüchtlingen oder Zuwanderern so das Weiterkommen in unserem Bildungssystem ermöglichen.“
In der wissenschaftlichen Nachwuchsförderung möchte sich Evelyn Ziegler besonders für Frauen einsetzen. „Wir beobachten, dass exzellente Frauen der Wissenschaft nach der Promotion quasi verlorengehen. Ist der Frauenanteil im Studium und unter den Promovierenden noch hoch, gibt es ein Problem an der Gelenkstelle zwischen Postdoc-Phase und Professur. Programme wie Mentoring³ der UAR-Hochschulen würde ich gern gemeinsam weiterentwickeln, damit wir mehr Frauen langfristig für die Forschung gewinnen können.“
Neben der Förderung von Studierenden und WissenschaftlerInnen sind Inklusion, Gender- und Diversity-Mainstreaming, Integration oder die Unterstützung von Menschen, die Angehörige pflegen, Arbeitsbereiche des Prorektorats – die richtige Ansprache ist dabei oft entscheidend. „Fremdkategorisierungen finde ich problematisch. Menschen setzen die Relevanz solcher Kategorien in verschiedenen Lebenssituationen ganz unterschiedlich“, sagt Evelyn Ziegler. „Wie genau, ist ein interessantes Gebiet auch für die Forschung. In jedem Fall möchte ich diejenigen selbst zu Wort kommen lassen, die ein bestimmtes Thema betrifft. Und ich hoffe, dass ich all diese Aspekte von Diversity-Management einerseits und Diversitätsforschung andererseits in meiner Amtszeit gut miteinander verbinden kann.“ // 19.10.2015, (c) Porträtfoto: Dieter Weber

Im Gespräch Prof. Dr. Stephanie Bung

Stephanie Bung

Die Fakultät für Geisteswissenschaften begrüßt ein neues Mitglied: Soeben wurde Prof. Dr. Stephanie Bung auf die Professur für Französische Literaturwissenschaft am Institut für Romanistik berufen. Im Interview spricht sie über literarische Räume, den Dialog der Geschlechter und die Materialität von Literatur.

Literarische Räume können konkrete Räume sein, in denen Literatur stattfindet, aber auch solche, die erst durch die Literatur konstituiert werden; Resonanzräume einer Liebe beispielsweise, wie sie in den Gedichten von Paul Valéry und Catherine Pozzi widerhallt, die Stephanie Bung untersucht hat. Um Raum und Lyrik wird es auch in einem ihrer Forschungsprojekte hier an der UDE gehen: „Ich bereite ein Projekt zur Lyrik der Karibik vor. Die Karibik mit ihrer kolonialen Vergangenheit ist ein besonderer, ein archipelischer Raum: Inseln, die in Beziehung zu anderen Inseln stehen, auf denen verschiedene Sprachen gesprochen und geschrieben werden. Ich plane eine Untersuchung genuin lyrischer Texte aus einer frankophonen Perspektive, die zugleich ein Beitrag zur Diversitäts- und Postkolonialismusforschung wäre.“
Bei all ihren Forschungsgebieten ist Stephanie Bung eine präzise Verwendung der Begriffe und die genaue Betrachtung der literarischen Praxis wichtig: „Ein gutes Beispiel ist der ‚Salon‘. Als Bezeichnung für ein soziokulturelles Phänomen handelt es sich um einen Begriff des 19. Jahrhunderts, dessen Projektion auf die Frühe Neuzeit nicht unproblematisch ist“, sagt sie. „Denn natürlich schwingt die Vorstellung einer schöngeistigen Konversation mit Literaten und Künstlern, die im Salon eines bürgerlichen Hauses stattfand, immer mit. In der adligen Gesellschaft des 17. Jahrhunderts müssen wir aber von einer ganz anderen literarischen Praxis ausgehen.“ So wird auch die Rolle der salonnière, der die Genderforschung seit jeher ihre besondere Aufmerksamkeit schenkt, erneut zum Gegenstand der Untersuchung. „Mir geht es um eine differenzierte Sicht. Eine pauschale Antwort auf die Frage, ob der Salon einen ‚weiblichen Gegenraum’ darstellt, kann es zumindest für das Frankreich des 17. Jahrhunderts nicht geben.“ Gerade durch diese kritische Perspektive möchte die Romanistin ihre Forschung zu den französischen Salonkulturen jedoch als Beitrag zur Genderforschung verstanden wissen.
Derzeit wendet sich Stephanie Bung anderen sozialen (Binnen-)Räumen der frühneuzeitlichen Gesellschaft zu: „In meinem zweiten, jetzt anstehenden Forschungsvorhaben, das ich mit Blick auf einen der Profilbereiche der UDE, den Schwerpunkt ‚Urbanität’, konzipiere, geht es um den Akademie-Begriff: Welche literarischen Handlungsräume erschließen sich über diesen Begriff? Wie tragen sie zum Selbstverständnis der frühneuzeitlichen Stadt bei?“
Das Selbstverständnis einer Stadt: Heute sind Kultur- und Bildungseinrichtungen dafür zweifellos essentiell. „Ich möchte die Zusammenarbeit unseres Instituts mit dem Deutsch-Französischen Kulturzentrum hier in Essen fortführen und die universitäre Arbeit mit dem Französischen auch weiterhin in die Stadt hineintragen“, sagt Stephanie Bung, die neben Romanistik auch Germanistik und Kunstgeschichte in Mainz und Dijon studiert hat. Ihre Studierenden möchte sie zu offenem Denken anregen und dazu mit grundlegenden Fragen konfrontieren: „Was macht Texte zur Literatur? In welcher Form müssen sie ‚publiziert’ werden, damit sie der intersubjektiven Auseinandersetzung zugänglich sind? Was ist mit ästhetisch-künstlerischen Texten, die unveröffentlicht in den Archiven schlummern? Ich würde Studierende auch gern an die materielle Seite von Literatur heranführen.“ Die materielle Seite von Literatur: Meist verbinden wir damit Schrift auf Papier. Aber was ist mit einer Literatur, die über das Ohr wahrgenommen wird? Unter dieser Fragestellung untersucht Stephanie Bung mit Hörspielen und Hörbüchern ein Phänomen neuerer Zeit: „Hier haben wir es nicht mit der metaphorischen Stimme eines Textes zu tun, vielmehr hören wir eine ganz konkrete Stimme. Wie wirkt sich diese Verstimmlichung auf das Verstehen, auf die Sinngebung aus? Bisher habe ich diesen Ansatz eher nebenbei verfolgt – aber wer weiß? Vielleicht kann ich ihn nun in Essen vertiefen... Ich freue mich auf die Möglichkeiten hier, die Vernetzung mit den Kolleginnen und Kollegen und auf zukünftige Projekte – es gibt so viele Ideen.“

mca/30.07.2015

Im Gespräch Prof. Dr. Frank Becker

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Am Institut für Geschichte ist der Ruf auf die Professur für Neuere und Neueste Geschichte an Prof. Dr. Frank Becker ergangen. Neu an unserer Hochschule ist Frank Becker aber nicht: Bereits seit 2011 forscht und lehrt er als Professor an der UDE. Demnächst wird ein Buch erscheinen, das er im letzten Semester mit Studierenden erarbeitet hat.

„Ich möchte Studierende möglichst früh an das wissenschaftliche Arbeiten heranführen“, sagt Frank Becker, der selbst neben Geschichte, Germanistik und Philosophie auch Pädagogik studiert hat. In einem Projektseminar zum Ersten Weltkrieg gingen die TeilnehmerInnen  in die Archive ihrer Heimatstädte oder jetzigen Wohnorte an Rhein und Ruhr, um vor Ort zu untersuchen, welche Folgen der Krieg für die Menschen und ihren Alltag hatte und wie man mit dieser Erfahrung umging. „Dabei sind so viele publikationsreife Aufsätze entstanden, dass nun ein Band zum Thema ‚Der Erste Weltkrieg und die Städte‘ im UVRR erscheinen wird“, freut sich Frank Becker. „Solche Projektseminare möchte ich weiterhin anbieten. Kapp-Putsch, Ruhrbesetzung – auch eine Untersuchung der 1920er Jahre wäre für die Region sicher ergiebig.“
Geschichtstheorie und Historik, kultur-, politik- und ideengeschichtliche Thematiken bilden Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Arbeit; er hat u.a. zur Militärgeschichte, über Krieg und Medien, zu Nationalismus und Rassenpolitik, zum Amerikanismus und zur Geschichte des Sports geforscht. „Dabei interessiert mich weniger die einzelne Sportart als vielmehr Sport als gesellschaftliches Phänomen. Das berührt die Bereiche Körperbewusstsein und -kultur, aber auch Themen wie die Überwindung sozialer Ungleichheit in Sportvereinen, Sport als Vorschule fürs Militär oder allgemeiner: die Verflechtung von Kultur, Sport und Politik. Das Thema Sport ist noch verhältnismäßig neu in der Geschichtswissenschaft.“
Ganz oben auf seiner Agenda stehen derzeit allerdings zwei andere Projekte. Frank Becker, soeben zum geschäftsführenden Direktor des Historischen Instituts ernannt, gehört zum Leitungsgremium des DFG-geförderten Graduiertenkollegs Vorsorge, Voraussicht und Vorhersage: Kontingenzbewältigung durch Zukunftshandeln. „Zu allen Zeiten haben Menschen aktiv versucht, die Zukunft zu beeinflussen, die Unsicherheit in Bezug auf das, was geschehen kann oder wird, zu reduzieren. Welche Handlungsstrategien der Prävention und des Risikomanagements, der Ressourcenplanung und Schadensabwehr lassen sich für unterschiedliche Epochen und Gesellschaften nachweisen?“ Zu den von der ersten von insgesamt drei KollegiatInnenkohorten untersuchten Themen gehören individuelle Vorsorgehandlungen wie testamentarische Verfügungen ebenso wie staatliches Handeln und Sicherheitspolitik in verschiedenen Epochen.
Das Arbeiten über Epochen- und Kulturgrenzen hinweg bedeutet für Frank Becker auch transdisziplinäres Arbeiten: „Es ist mir ein Anliegen, Brücken zu den anderen Fächern der Fakultät zu schlagen. Mit KollegInnen aus der Geschichtswissenschaft, der Anglistik und der Kunst haben wir eine Forschergruppe zum Thema Ambiguitätstoleranz ins Leben gerufen.“ Gesellschaften sind von Leitdifferenzen geprägt: ethnisch oder sozial zugehörig/nicht zugehörig, rechtgläubig/ungläubig, männlich/weiblich usw., erklärt Frank Becker. „Uns interessiert, wie Gesellschaften mit Abweichungen von diesen binären Codes, mit Verunklarung umgehen. Warum toleriert eine bestimmte Gesellschaft Mehrdeutigkeit in bestimmten Bereichen, in anderen nicht?“
Systemtheoretische Begriffe verwundern hier nicht – Frank Becker ist Autor einer Einführung in die Systemtheorie für Historiker: „Ich bin aber kein Dogmatiker, was die Systemtheorie oder andere Theorien betrifft. Wichtig ist, denke ich, die Theorieelemente zu identifizieren, die für die Geschichtswissenschaft sinnvoll zu nutzen sind.“ Die Forschergruppe wird von MERCUR gefördert, im Juni ist ein Workshop geplant, der zugleich als Audit für das Projekt fungiert. „Ambiguität ist gesellschaftliche Herausforderung und Bereicherung zugleich. Ambiguität bedeutet auch: Diversität. Insofern möchten wir mit unserem Ansatz auch das Thema mit wissenschaftlicher Forschung unterfüttern, das sich die UDE als Leitbild gegeben hat: Vielfalt als Potential.“

mca/18.03.2015

Im Gespräch Prof. Dr. Inga Gryl

Inga Gryl

Am 1.10.2014 wurde Prof. Dr. Inga Gryl zur Professorin ans Institut für Geographie berufen. „Ich freue mich, an der Fakultät für Geisteswissenschaften zu sein, und ich freue mich ebenso, im Rahmen des Instituts für Sachunterricht mit den Naturwissenschaften zusammenarbeiten zu können“, sagt Inga Gryl, deren akademischer Hintergrund neben dem Studium der Geographie auch die Fächer Sozialkunde und Astronomie, Mediendidaktik und Wissenschaftskommunikation umfasst. Entsprechend weit sind ihre Interessensschwerpunkte: „Ich beschäftige mich z.B. mit Geomedien unter konstruktivistischen Aspekten, mit Kritischer Kartographie und mit Sozialgeographie.“

Karten produzieren Räume, sagt Inga Gryl. Das Bewusstsein besonders bei Lehrern dafür zu stärken, dass Geomedien nicht die Wirklichkeit abbilden, sondern bestimmte Perspektiven darauf, bedingt durch Intentionen und soziale Diskurse, ist ihr wichtig. „Durch die neuen Technologien wie Web 2.0 haben wir heute im Bereich Geomedien und Karten ganz andere Möglichkeiten im Unterricht als zuvor, z.B. im Bezug auf Kartenverständnis und räumliche Orientierung. Orientierungswandern mit GPS, Geocaching und GPS-Drawing in der Stadt, Erstellen eigener Karten: Schüler können vor Ort eine Karte produzieren, die dann direkt im Unterricht gemeinsam gesehen, besprochen und ergänzt und letztendlich über das Web geteilt werden kann. Mithilfe von Tablets wird der Computerraum mobil und alltagsbezogen.“
Diese Möglichkeiten müssen allerdings didaktisch sinnvoll genutzt werden. „Sie einzusetzen braucht ein ausgeprägtes Verständnis der Grundlagen und ein hohes Reflexionsvermögen in Bezug darauf, was ich im Unterricht mit diesen Mitteln erreichen kann und möchte und worin deren Mehrwert liegt.“
Innerhalb der Didaktik des Sachunterrichts liegt der Forschungsschwerpunkt der Professur auf geographischer Bildung: „Wie denken Kinder räumlich? Wie würden sie Räume gestalten, wenn man sie ließe? Wenn sie keine Erwartungen Erwachsener erfüllen wollten? Solche und andere Fragestellungen möchte ich weiter untersuchen.“
Gemeinsam mit Prof. Dr. Stefan Rumann (Didaktik der Chemie und Didaktik des Sachunterrichts mit Schwerpunkt Naturwissenschaften) wird sie das Institut für Sachunterricht (ISU) leiten, an dem sieben Fachdisziplinen aus den Natur-, Geistes- und Gesellschaftswissenschaften beteiligt sind. Geplant ist ein Graduiertenkolleg, an dem DoktorandInnen zusätzlich zu ihrem fachwissenschaftlichen Hintergrund interdisziplinär betreut werden können. „Die Vernetzung der Perspektiven, die an der weiterführenden Schule dann wieder stark in Einzelfächer aufgelöst wird, zeichnet den Sachunterricht an der Grundschule aus und macht ihn so interessant.“ Diese Richtung verfolgt auch ein aktuelles Vorhaben, an dem sie beteiligt ist, in dem theoretische Ansätze der Mensch-Umwelt-Forschung auf ihre unterrichtliche Anwendbarkeit hin durchdacht werden.
Ein Projekt, an dem sie vor ihrer Berufung mitgearbeitet hat und dessen Ansätze Inga Gryl an der UDE mit Fokus auf das Kindesalter fortführen möchte, ist SPACIT – Spatial Citizenship. „Bei diesem EU-Projekt geht es um Aushandlungsprozesse innerhalb von Gesellschaften in Bezug auf Räume, und um das Verhältnis von sozialen Regeln und Einzelinteressen.“ Das Projekt berührt damit auch Fragen von Nachhaltigkeit, Mobilität, Bürgerschaftlichkeit und fokussiert auf Überlegungen, wie nutzerfreundliche ICT und Geomedien Beteiligungsprozesse fördern können.
Inga Gryls eigener Lebens-„Raum“ wird sich ebenfalls ändern: Mit der Professur an unserer Universität zieht sie ins Ruhrgebiet. „Die vielen Städte, Unis und Bibliotheken – das finde ich toll“, sagt sie.

mca/29.10.2014

Im Gespräch Prof. Dr. Andreas Niederberger

Andreas Niederberger

 

Das Institut für Philosophie begrüßt ein neues Mitglied: Zum Ende des SoSe 2014 hat Prof. Dr. Andreas Niederberger den Ruf auf die Professur für Praktische Philosophie angenommen, die er bereits seit zwei Jahren vertritt. Professor Niederberger kommt vom Institut für Philosophie der Frankfurter Goethe-Universität nach Essen, im Zentrum seiner Forschungs- und Lehrtätigkeit stehen Politische Philosophie, Sozial- und Rechtsphilosophie. Ein Fokus liegt dabei auf der Geschichte der Politischen Philosophie, sein besonderes Interesse aber gilt gegenwärtigen globalen und transnationalen Entwicklungen: Demokratie in der Weltgesellschaft, internationale Beziehungen und Völkerrecht, Globale Gerechtigkeit, Menschenrechte und die Problematik fragmentierter Rechtssysteme innerhalb der Weltpolitik gehören zu seinen Forschungsgebieten.

„Es geht oft darum, Begriffe zu analysieren, die zunächst, jedenfalls in bestimmten politischen oder juristischen Zusammenhängen auf klare Ansprüche zu verweisen scheinen, wie ‚Recht‘, ‚Gesetz‘ oder ‚Eigentum‘. Bei einem genaueren Blick zeigt sich dann, dass die Begriffe doch sehr kompliziert sind – und so wird die Philosophie in Fragen der Auslegung, Reichweite und Gültigkeit solcher Begriffe unter normativen Gesichtspunkten zu einer Leitdisziplin“, erläutert er im Gespräch. „Konkret: Es stehen sich Werte und Diskurse gegenüber, die zum Teil unvereinbar sind – z.B. die Ausbeutung von Rohstoffvorkommen dem Schutz der Natur, religiös motivierte Ansprüche einer säkularen Gesetzgebung oder das Eigentum eines Einzelnen höher erachteten Interessen einer Allgemeinheit. In internationalen bzw. interkulturellen Kontexten kommt das Problem der Übersetzbarkeit der mit den Begriffen verbundenen Konzeptionen hinzu.“
Fragen der Legitimierung von Herrschaft in einer transnationalen Ordnung und die Grundlagen eines globalen Konstitutionalismus hängen eng damit zusammen: „Wären z.B. die Menschrechte geeignet als Basis für eine ‚Weltverfassung‘? Gibt es überhaupt Werte oder Prinzipien, auf die man sich global einigen kann? Und eine in politischer und demokratischer Hinsicht ganz wesentliche Frage: Wer entscheidet?“
Von Essen aus will sich Andreas Niederberger, der viel reist und der unter anderem in Frankreich und den USA gelebt hat, verschiedenen Forschungsprojekten widmen, darunter einer Kooperation mit der Universität Tel Aviv: „In einer internationalen Forschergruppe  befassen wir uns mit der Entwicklung der Geisteswissenschaften und ihren Begriffen vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert. Darauf freue ich mich! Israel interessiert mich sehr – persönlich und in politisch-philosophischer Hinsicht.“
Die politische Praxis kennt Andreas Niederberger übrigens nicht nur aus der Perspektive des Philosophen: Er war selbst einige Jahre in der Politik aktiv. Gefragt nach den Gründen, aus denen er sich letztlich für die Wissenschaft entschieden hat, sagt er: „Ich habe schon immer gern und viel gedacht. Vielleicht zu viel für die Politik, wo man häufig Konzessionen machen muss – meist, um ein eher kurzfristiges Ziel zu erreichen. An der Universität ist es – und war es schon, zumindest in den besten Fällen, seit dem Mittelalter – möglich, tatsächlich ‚offen‘ zu denken. Es gibt keinen Entscheidungszwang. Widersprüche können nebeneinander bestehen bleiben.“
Und er fügt hinzu: „Es ist mir wichtig, dass die Universität dieser Ort des freien Denkens bleibt.“

mca/27.08.2014

Im Gespräch Prof. Dr. Ralf-Peter Fuchs

Rpf
 

Zum Wintersemester 14/15 hat Prof. Dr. Ralf-Peter Fuchs den Ruf auf die Professur Landesgeschichte der Rhein-Maas-Region am Historischen Institut erhalten, die er bereits seit zwei Semestern vertritt. „Der Begriff Landesgeschichte ist allerdings zu erläutern, erklärt Professor Fuchs im Gespräch, denn der Rhein-Maas-Raum ist kein Land im territorialen Sinn, sondern ein offener Kulturraum, der Teile des heutigen Belgien, der Niederlande und Westdeutschlands umfasst.“ In der landesgeschichtlichen Abteilung wird dieser Raum epochenübergreifend von karolingischer Zeit bis zur Gegenwart erforscht. 

Ein Augenmerk von Ralf-Peter Fuchs wird mikrohistorischen Fragestellungen für die Frühneuzeit gelten: „Die Rhein-Maas-Region war als Grenzraum schon immer international strukturiert, war durchlässig, von weitreichenden Wirtschaftsbeziehungen und Migration geprägt, z.B. durch Religionsflüchtlinge aus den Niederlanden. Das Zusammenleben dreier christlicher Konfessionen, von Katholiken, Lutheranern und Reformierten, wie es in der Zeit nach den großen Religionskonflikten in Quellen wie Briefen und Religionsbeschwerden greifbar wird, ist eines der Themen, denen ich mich widmen möchte.“ Ein anderes ist die strategische Bedeutung des Rhein-Maas-Raumes, die zugleich dessen Stellung als europäischer Friedensraum bedingt: „Diese haben die europäischen Mächte schon in der Frühen Neuzeit erkannt und bereits im 18. Jahrhundert Neutralitätsideen, Befriedungskonzepte und Sicherheitsstrategien für die Region entwickelt.“
Ralf-Peter Fuchs ist außerdem Mitglied des InKuR-Vorstandes. „Für 2016 planen wir ein Projekt zum Thema Musik und Geschichte.“ Das Forschungsinteresse des Frühneuzeithistorikers gälte dann allerdings auch einem Bereich der Neueren Geschichte: „Musik ist eine sehr wirkmächtige historische Größe. Ich würde gern die Bedeutung des Jazz für die Jugend im Deutschland der Nachkriegszeit und den Streit um kulturelle Leitbilder betrachten“, sagt er. Hier spricht nicht nur der Wissenschaftler, sondern auch der passionierte Musiker Ralf-Peter Fuchs, der als Saxophonist in verschiedenen Formationen aus München und dem Ruhrgebiet unterwegs ist.
Stichwort Ruhrgebiet: Für ihn ist der Ruf von der LMU an die UDE auch eine Rückkehr in die alte Heimat: Ralf-Peter Fuchs stammt aus Witten und hat in Bochum studiert. Nicht nur deshalb wird er die Region in Forschung und Lehre mit einbeziehen: „Obwohl der Begriff Ruhrgebiet erst seit den 1860er Jahren nachweislich verwendet wird, kann man davon ausgehen, dass der Fluss auch den Menschen früherer Zeiten als Lebensader im Bewusstsein war. Über die Ruhr war die Gegend immer vernetzt mit dem Niederrheinraum, vor allem, seit sie vollständig schiffbar war. Die Studierenden interessieren sich für die Gegend, in der sie leben, gleich, von wo sie kommen. Ich denke, sie haben einen Anspruch darauf, deren Geschichte kennen zu lernen. Seit langem sind eine hohe Durchlässigkeit, internationale Strukturen und Migration prägend für das Leben hier. Themen wie Europäisierung und interkulturelle Kommunikation werden deshalb auch in unserer Abteilung großgeschrieben.“

mca/21.08.2014

Ebenfalls "im Gespräch" waren in den vergangenen Semestern:

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Prof. Dr. Daniel Reimann, Institut für Romanistik

Prof Kader Konuk

Prof. Dr. Kader Konuk, Institut für Turkistik

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Prof. Dr. Ulrike Preußer, Institut für Germanistik

Dr Barbara Bigge

Dr. Barbara Bigge, Forschungsförderung GeiWi im SSC 

Dr Corinna Schlicht

Dr. Corinna Schlicht, Gleichstellungsbeauftragte der Fakultät für Geisteswissenschaften (bis 2014) 

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Dr. Britta Caspers, Alumni-Referentin der Fakultät für Geisteswissenschaften (bis 2015)

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