In der Bildkonzeption möchte ich auf die studiengangsspezifischen Geschlechtermuster eingehen. Es geht mir vor allem darum, dass aufgrund der Perspektive der Fotografie und der verhüllten Arme und Hände zunächst kein Geschlecht auszumachen ist. Jedoch geht bei der Betrachtung der Fotografie eine Mehrheit davon aus, dass auf Bild A eine männliche und auf Bild B eine weibliche Person zusehen ist.

Bild A


Was ist auf den beiden Bildern zu sehen?
In den hier gezeigten Fotografien sind Studierende zu sehen, die am Schreibtisch ihrem Studium nachgehen. Im Bild A bearbeitet die Person, dessen Geschlecht zunächst nicht anhand von gesellschaftlichen Geschlechtsmerkmalen (lange/ kurze Haare, Armhaare, Handstruktur etc.) erkennbar ist, eine Aufgabe aus dem Studium. Es handelt sich hierbei offensichtlich um mathematische Aufgaben, die vermutlicher weise im Zuge eines Studiums im Bereich Technik oder Maschinenbau gelöst werden müssen. Die Person B wiederrum bearbeitet eine kreative Aufgabe. Sie scheint sich aus einer Modezeitschrift inspirieren zu lassen und fertigt den Entwurf eines Kleides an.

Bild B


Was ist nicht zu sehen und warum?

Beide Personen tragen Handschuhe und ein langärmliges Oberteil, sodass weder die Arme, noch die Hände zu sehen sind. Auch äußerliche Merkmale, die auf ein Geschlecht schließen lassen würden, wie z.B. Haare sind nicht eindeutig erkennbar. Normalerweise würde der Betrachter versuchen, anhand von „femininen“ Händen, langen Nägeln oder eben Unterarmbehaarung bei Männern ein Geschlecht zu bestimmten. Dies fällt in diesem Falle weg, sodass er darauf angewiesen ist, sich nur an den Inhalten des Motives und der ausführenden Aktion zu orientieren.

Warum wurde diese Motive ausgewählt?

Es geht darum, zu zeigen, dass allein durch die Tätigkeit den Personen häufig ein bestimmtes Geschlecht zugeordnet wird. Es geht nicht darum, dass bestimmte äußerliche Geschlechtsmerkmale erkannt werden, sondern die Tätigkeit selbst einem bestimmten Geschlecht zugeordnet wird. In Bild A ist sehr stark davon auszugehen, dass eine Mehrheit der Betrachter der Person das Geschlecht „männlich“ zuordnet. In der allgemein gesamtgesellschaftlich verbreiteten Vorstellung werden Ingenieur-Studiengänge oder mechanisch Technik geprägte Studiengänge männlichen Personen zugeordnet. Dies entspricht zwar den statistischen Umfragen, in der eine Mehrheit der Männer solche Studiengänge belegt, jedoch kann in der Geschlechterforschung nicht sofort von einem bestimmten Geschlecht auf solch einem geschlechtsneutralen Motiv zugeordnet werden. Dennoch wird auch in Bild B gedanklich sofort ein Geschlecht zugeordnet, in diesem Falle das Weibliche. Denn im allgemein verbreiteten Gedankengut werden Studiengänge wie Modedesign oder generell modeaffine Studiengänge mit Frauen verbunden. Nur selten findet man in diesen Studiengängen Männer. Dennoch kann man an dieser Stelle ebenfalls nicht sofort von einer Frau ausgehen, da auch hier alle Geschlechtsmerkmale, die ein Geschlecht zuordnen würden, nicht erkennbar sind.

Theoretische Verbindung zur Geschlechterforschung

Das Geschlecht bzw. die gesellschaftliche Betrachtung des Geschlechts hat sich durch historische Umwälzungen verändert und vor allem in der heutigen modernen Gesellschaft hat sich eine neue Betrachtung der Geschlechter eingestellt. Geschlechterzuordnung anhand bestimmter typischer Eigenschaften ist nicht „natürlichen Ursprungs“, die wir angeboren bekommen, sondern wurde uns erst aufgrund historischer Entwicklungen (z.B. die Französische Revolution) angelernt (vgl. Ute Gerhard, Karin Hausen oder Thomas Laqueur). Simone de Beauvoir sagt dazu: „Man wird nicht als Frau geboren, man wird es (im Original: On ne naît pas femme, on le devient)”.

In der heutigen Gesellschaft betrachten wir Geschlechter vor allem anhand äußerer Geschlechtsmerkmale. Dazu zählen etwa Merkmale wie beispielsweise Brüste, die Armbehaarung, lange oder kurze Haare. Dazu kommt die Art und Weise, wie sich jemand kleidet. Personen in Kleidern werden zunächst als Frauen definiert,
während weite Hosen oder Anzüge auf einen Mann schließen lassen. Ergänzend dazu wiederrum kommen geschlechtsspezifische Verhaltensweisen z.B. das Übereinanderschlagen von Beinen beim Sitzen oder die Gangart eines Mannes. Dazu würde in diesem Falle auch die Priorität bezüglich Berufs- und Studiengangwahl zählen. Statistiken zeigen, dass die Mehrheit der Frauen kreativ Studiengänge wie z.B. Modedesign belegt, während technische Studiengänge männerdominiert sind (vgl statista.com).

Da diese Stereotype uns von Kleinkind an anerzogen werden, schließen wir meist aufgrund dieser äußeren Merkmale auf bestimmte Geschlechter und somit auf soziale gesellschaftliche Differenzen. Bereits 1976 betrachtete die Historikerin Karin Hausen in ihrem Aufsatz „Die Polarisierung der „Geschlechtercharaktere“ die Veränderung und Art und Weise, wie Geschlecht betrachtet wird. Sie begründet die Verbundenheit der Geschlechtscharaktere mit normativen Aussagen mit der Trennung von privater und öffentlicher Sphäre des Bürgertums. Das Geschlecht nahm nicht auf Äußerlichkeiten Bezug, sondern auf „Fragen des Gehorsams, der Tüchtigkeit des Wirtschaftens oder des Arbeitens“ (Hausen 1976: 370). Stattdessen wurden diese durch die heute gültigen universellen Ansichten auf Geschlechter ersetzt.

Diese universellen Ansichten sind jedoch eindeutig abhängig von der Gesellschaft, in der wir leben. In anderen Gesellschaften dieser Welt würden diese beiden Bilder ggf. völlig anders interpretiert werden, als wir es in Deutschland bzw. in der westlichen Gesellschaft machen. Diese Betrachtung der Geschlechter schreibt Frauen und Männern automatisch spezifische Merkmale zu und erzeugt so eine Differenz von sex und gender.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Art und Weise wie wir ein Bild betrachten, unsere Einstellung ganz eindeutig kulturell und sozial geprägt und angelernt wurde. An dieser Stelle kann lässt sich fragen, inwiefern es möglich wäre, Personen von Kindheit an eine andere geschlechtsspezifische Einstellung anzuerziehen? Warum lassen wir uns trotz der vermeintlich gegeben Geschlechtsneutralität so von einer vermeintlichen geschlechtsspezifischen Handlung beeinflussen? Die Frage ist aber auch, warum wir uns selbst bei der Betrachtung dazu zwingen, ein bestimmtes Geschlecht zuzuordnen und ob dies überhaupt notwendig und ausschlaggebend bei der Betrachtung des Bildes ist?

Quellen:
http://de.statista.com/statistik/daten/studie/183239/umfrage/studienanfaenger-und-azubis-fuer-itberufe-nach-geschlecht/
http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Frauenanteilen_in_der_Berufswelt
Karin Hausen (1976): Die Polarisierung der "Geschlechtscharaktere". Eine Spiegelung der Dissoziation von Erwerbs- und Familienleben, in: Werner Conze (Hg.), Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas. Neue Forschungen, Stuttgart 1976
Das im Seminar erarbeitete Grundlagenwissen.

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Die Autorin studiert Politikwissenschaften an der Universität Duisburg-Essen.

Diese Seite ist im Rahmen des Blended-Learning-Seminars “Gender is […] something you do...” entstanden. Studierende haben hier im Gender-Portal Raum, ihre Arbeitsergebnisse und Lern- bzw. Forschungsinteressen vorzustellen.

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