Projektbeschreibung

Bei der Landgrafschaft Hessen-Kassel handelt es sich um ein Reichsterritorium mittlerer Größe mit teils reformierter, teils lutherischer Bevölkerung. Seit dem 16. Jahrhundert galt das Land als ein besonders straff verwaltetes Territorium, das über eine unverhältnismäßig große Armee verfügte. Auch für Hessen wird nach der spezifischen politischen Kultur gefragt, die durch institutionalisierte Kommunikationsformen zwischen landgräflicher Amtsträgerschaft, ständischem Adel, lokalen Honoratioren und „einfachen Untertanen“ gestaltet wurde.

Im Fokus der Untersuchung steht hierbei die landesherrliche Visitationspraxis. In Hessen-Kassel wurden zwar seit dem 16. Jahrhundert mehr oder weniger regelmäßig weltliche Ortsvisitationen durchgeführt, während des 30jährigen Krieges kam es aber zu einem Zusammenbruch der kontinuierlichen Visitationspraxis. Eine groß angelegte Visitation in den 1660er Jahren diente dazu, der fürstlichen Verwaltung wieder einen verlässlichen Überblick über den Zustand des Landes zu verschaffen, ökonomische und damit fiskalische Potenziale zu erkennen, sowie Entwicklungshindernisse und sog. „Missbräuche“ abzustellen.

Anhand des lokalen Fallbeispiels der Visitation von Stadt und Amt Grebenstein im Februar 1668, soll der Frage nachgegangen werden, wie sich der konkrete Verlauf dieser speziellen Kommunikationssituation gestaltete, in welchem institutionell-administrativen Rahmen sie situiert war und welche Akteure in welcher Weise daran beteiligt waren. Gefragt wird insbesondere nach diskursiven Praktiken und Sprachgebrauch. Welche Kategorien, Argumentationsmuster und Problematisierungen kommen zum Ausdruck? Welches Wissen wird als selbstverständlich vorausgesetzt? Lassen sich bestimmte Vorstellungen von Regierung oder politische Rationalitäten nachzeichnen? Wie wird von den verschiedenen Akteuren Sprache mit Blick auf die lokalen Machtbeziehungen eingesetzt?

Die Untersuchung basiert auf der Sammlung von Schriftstücken, die im Zuge dieser Visitation erstellt wurde und somit auf einen bislang unveröffentlichten Quellenkorpus. Hierzu gehören neben Protokollen und Berichten in Antwort auf die vorgelegten Fragenkataloge auch etliche Klagen und Beschwerden.