Südliche Niederlande

Projektbeschreibung

Die Historiographie zu den Südlichen Niederlanden ist einerseits gekennzeichnet durch eine große Anzahl von Einzelstudien auf regionaler Ebene und andererseits, auf der Makroebene, durch eine Konzentration auf Fragen der Konfessionalisierung sowie der Nation- und Staatsbildung. Dagegen ist wenig über die Mittel und Träger der Herrschaftsvermittlung bekannt. Sowohl der Übergang von der spanischen zur österreichischen Herrschaft im Jahr 1713 als auch das gesamte 18. Jahrhundert haben in dieser Hinsicht wenig Aufmerksamkeit erfahren. Ausnahmen bilden lediglich die mit der Nationalismus-Debatte verbundenen Untersuchungen zu den Josephinischen Reformen (ab 1782) und der darauf folgenden Brabantische Revolution (1789) sowie die Ebene der Brüsseler und Wiener Zentralbehörden.

Den thematischen Schwerpunkt des Teilprojektes bildet die Untersuchung – anhand von Fallbeispielen – zweier klassischer Herrschaftsbereiche, nämlich die des Militärs und die des Finanzwesens. Im Fokus der Untersuchung steht die Kommunikation zwischen den Oberbehörden in Wien und Brüssel, den lokalen Behörden und den Untertanen. Gefragt wird nach den Formen und Inhalten der Kommunikation zwischen den Obrigkeiten und den Untertanen sowie nach dem Verhalten der beteiligten Akteure. Inwieweit können Kontinuitäten und Brüche von der spanischen zur österreichischen Periode festgestellt werden? Welche Ziele, Mittel und Träger lassen sich identifizieren? Wie wurden Probleme wahrgenommen und artikuliert, wie wurden sie zwischen verschiedenen administrativen Ebenen kommuniziert? Inwieweit entwickelten sich festgelegte Verhaltens- und Verfahrensmuster, sowohl seitens der Verwaltung als auch seitens der Untertanen, wenn es darum ging bestimmte politische Agenden zu formulieren und anschließend umzusetzen?

Ziel der Arbeit ist es, einerseits die Diskrepanzen zwischen dem Herrschaftsanspruch der zentralen Behörden und der alltäglichen Verwaltungspraxis aufzuzeigen, andererseits die Handlungsmöglichkeiten und Strategien der Untertanen in ihrer Vielfalt darzustellen. Damit können Aufschlüsse auf das Alltagsleben der Untertanen in einer „zusammengesetzte Monarchie“ gewonnen werden und die Frage nach lokaler Handlungsautonomie innerhalb der „absolutistischen“ Monarchie gestellt werden.

Als Quellen werden Supplikationen der Untertanen sowie Berichte, Enquêten und Korrespondenzen der lokalen und zentralen Behörden herangezogen. Die Unter­suchung dieser bisher kaum beachteten politisch-administrativen Verfahren und die damit verbundenen kommunikativen Prozesse und Institutionen macht die Relevanz der Untersuchung aus. Das Teilprojekt leistet einen Beitrag zum Verständnis der Prozesse von Herrschaftsvermittlung in den von weitgehender politischer Autonomie geprägten Provinzen der österreichischen Niederlanden und ermöglicht Aussagen über die habsburgische Herrschaftspraxis in den südlichen Provinzen.