Vorab: Berufungsverfahren sind wichtige Prozesse, nicht nur intern, sondern auch für die Präsentation nach außen. Die an einer Berufung interessierten Forscherinnen und Forscher erfahren hier viel über die Werte der Organisation im Umgang mit (noch) 'Externen'. Die Verfahren gelten darüber hinaus als die entscheidende Schwelle für die weitere Karriere von Nachwuchswissenschaftler*innen. Nach wie vor entscheiden aber oft informelle Prozesse den Ausgang der Entscheidung für die Neuberufung. 

Fakt ist: Die Situation von Wissenschaftlerinnen an Hochschulen hat sich in den vergangenen Jahren zwar insgesamt deutlich verbessert, aber nach wie vor gibt es eine erhebliche Unterrepräsentanz von Frauen an den Professuren - auch an der UDE. Haben Frauen geringere Chancen erfolgreich ein Berufungsverfahren zu bestehen? Diese Frage ist nicht pauschal zu beantworten. Blome et al. sehen Berufungsverfahren als ein kritisches Moment, wenn es um die Frage der Chancengleichheit geht: "In Berufungsverfahren sind Gatekeeping-Prozesse virulent und bedienen vornehmlich etablierte Strukturen und hegemonial männlich dominierte Netzwerke." (Blome, Eva; Erfmeier, Alexandra; Gülcher, Nina; Smykalla, Sandra, Handbuch zur Gleichstellungspolitik an Hochschulen.Von der Frauenförderung zum Diversity Management?, Heidelberg 2013: 348.) So würden nicht selten "Bewerberinnen mit starkem Qualifikationsprofil bereits im Vorfeld aus dem Wettbewerb ausgeschlossen, um ihre Platzierung auf der Liste und somit ihre gesetzlich vorgeschriebene "Bevorzugung bei gleicher Qualifikation" zu verhindern. [...] Junge Frauen werden oft als "zu jung und unerfahren" abgetan, während es bei Männem als besondere Leistung bewertet wird, schon in jungen Jahren ein solches Profil entwickelt zu haben." (Ebd.: 380.)

Eine Online-Befragung von 1.700 Hochschullehrer*innen, die Anfang 2012 an Hochschulen in NRW durchgeführt wurde, ergab, dass die Berufungsverfahren von gut drei Viertel der befragten Professoren als anerkennend und wertschätzend empfunden wurden, aber nur von gut der Hälfte der Professorinnen. Insbesondere die subtil wirkenden Diskriminierungen gegenüber Frauen sorgen dafür, „(…) dass Frauen nach wie vor zum Großteil seltener als eigenständige, qualifizierte, für die Wissenschaft besonders förderliche Individuen wahrgenommen werden“ (Gender-Report 2013: Geschlechterungerechtigkeit an nordrhein-westfälischen Hochschulen: 408). Zu den Ergebnissen des Reports gab es am 07.03.2014 auch einen Beitrag im Deutschlandfunk.

Geschlechtergerechte Berufungsverfahren sollen dazu beitragen, den Frauenanteil an den Professuren nachhaltig zu steigern. Berufungsverfahren sind anspruchsvolle Personalauswahlverfahren, die eine große Bedeutung für die Entwicklung der Universität haben. Diese Verfahren transparent und geschlechtergerecht zu gestalten ist nicht immer einfach.

An der UDE ist die Durchführung von Berufungsverfahren durch die Berufungsordnung geregelt. Umfassende Informationen zu den einzelnen Verfahrensschritten stellt die Universität anhand eines Berufungsleitfadens (Stand 12.04.2017) zur Verfügung.
Darüber hinaus hat die Fakultät für Ingenieurwissenschaften eine Checkliste zur gendergerechten Ausgestaltung von Berufungsverfahren in der Fakultät entwickelt, die hier heruntergeladen werden kann: Checkliste zur gendergerechten Ausgestaltung von universitären Berufungsverfahren in der Fakultät.

HIS-Studie zur Qualitätssicherung in Berufungsverfahren unter Gleichstellungsaspekten

Forum Hochschule 2|2011 der Hochschul-Informations-System GmbH (HIS) dokumentiert die Ergebnisse einer Studie zur „Qualitätssicherung in Berufungsverfahren unter Gleichstellungsaspekten“ in Niedersachsen mit konkreten Handlungsempfehlungen für die Berufungspraxis, darunter:

  • Rahmenbedingungen schaffen: z. B. Gleichstellungsziele so klar wie möglich im Hochschulentwicklungsplan definieren, Anreize für Fakultäten schaffen, Neuberufungsquoten nach dem Kaskadenmodell schaffen, Sicherstellung der Vermittlung von Verfahrenswissen (nicht bloßes Versenden von Infoblättern o.ä.)
  • Berufungsbeauftragte: eine möglichst von der Wissenschaft unabhängige Person als "HüterIn des Verfahrens" bestellen, die für das Einhalten von Ordnungen, Leitfäden u.ä. zuständig ist, etc.
  • Berufungskommission: Die Leitung des Faches, welches die Professur ausschreibt, sollte nicht den Vorsitz der Kommission besetzen etc. Auch sollte keine zufällige oder interessegeleitete Auswahl der Kommissionsmitglieder erfolgen. Nach Möglichkeit gilt es diese paritätisch mit stimmberechtigten Frauen und Männern zu besetzen, etc..
  • Befangenheiten: Sicherung des transparenten Umgangs mit diesen. Das Thema sollte fester Bestandteil des Verfahrens sein.
  • u.v.m.

Weiterführende Links

Broschüre der Landeskonferenz Niedersächsischer Hochschulfrauenbeauftragter (LNHF)
Die in 2011 veröffentlichte Broschüre „Gleichstellung als Kriterium in Berufungsverfahren“ fasst in 10 Thesen die wichtigsten Kriterien für gute Verfahren zusammen.

Leitfaden der Ruhr-Universität Bochum
Die Ruhr-Universität Bochum hat 2010 einen Leitfaden zur gendergerechten Ausgestaltung von universitären Berufungsverfahren herausgegeben.

Leibnitz Universität Hannover
In Form einer Handreichung werden Informationen zu Fragen der Befangenheit in Berufungsverfahren (2013) für Mitglieder von Berufungskommissionen sowie Gutachter*innen zusammengefasst.

Studie an der Universität Bielefeld: Gleichstellung im Fakultätenalltag
Seit etwa 15 Jahren wird das Thema Gleichstellung an Hochschulen intensiv beforscht. Es hat sich dabei gezeigt, dass vermehrt die Fakultäten in den Blick genommen werden müssen: Was geschieht in hier konkret im Hinblick auf die Gleichstellung von Frauen und Männern?  Die Studie liefert auch erste Ergebnisse zur Einschätzung von Berufungsverfahren im Bereich der Gleichstellung: Schäfer, Sabine, „… und dann stellt sich die Frage anders.“ Erste Ergebnisse aus dem Projekt Gleichstellung im Fakultätsalltag – Die Praxis zählt, in: Journal des Netzwerks Frauen- und Geschlechterforschung NRW Nr. 30/2012: 29-34.