Professionalisierung von Diplom-Pädagogen/ Diplom-Pädagoginnen in betrieblichen Handlungsfeldern

 

Projektleiter: Prof. Dr. phil. Günter Kutscha
Projektbearbeiter: Dr. phil. Joachim Rottmann, Dipl.-Päd.

1. Projektlaufzeit

04/1995 - 12/1996

2. Zusammenfassung der Forschungsziele

Die sich derzeit deutlich abzeichnende Tendenz einer sich qualitativ wie quantitativ verändernden Praxis betrieblicher Bildungsarbeit in dynamisierten, in ihrer Komplexität zunehmenden Kontexten wirft die Frage nach Fachkompetenz und Selbstbild des beruflichen Bildungspersonals auf. Hierbei stellt sich die Frage, inwieweit die in betrieblichen Bildungsfeldern (Bildungsabteilungen, überbetrieblichen Bildungseinrichtungen etc.) als akademisch ausgebildete Diplom-Pädagogen/ Diplom-Pädagoginnen tätigen Akteure in ihrem Handeln und Selbstverständnis als professionalisiert zu charakterisieren sind und welche wesentlichen Einflußgrößen in individuellen (Bildungs- und Berufs-) Biographien professionelle Handlungsmuster beeinflussen.

Ziel des Forschungsprojekts ist daher die Exploration und Interpretation professionsrelevanter Einflußgrößen im beruflichen Selbstverständnis von Absolventen des Diplom-Studiengangs Erziehungswissenschaft (Diplom-Pädagogen/ Diplom-Pädagoginnen) in betrieblich-berufsbildenden Handlungsfeldern.

Der empirische Teil der Studie basiert auf qualitativen Interviews. Angestrebt wird eine Rekonstruktion individueller Berufsverläufe, auf deren Grundlage nähere Aufschlüsse über die Professionalitätsentwicklung und Anregungen für das Studium von Diplom-Pädagogen/ Diplom-Pädagoginnen erwartet werden.

3. Zusammenfassung der wesentlichen Forschungsergebnisse

Pädagogische Professionalität als von besonderen Kompetenzen gekennzeichnete Form beruflicher Leistungserbringung unterliegt in Kontexten marktwirtschaftlich operierender, beruflich qualifizierender Unternehmen spezifischen Rahmenbedingungen. Sie muß sich einerseits als von sonstigen beruflichen Qualifikationsmustern verschiedene, besondere Qualität beruflicher Handlungsbefähigung ausweisen, andererseits ihre Anschlußfähigkeit an Operationen anderer innerbetrieblicher Akteure unter Beweis stellen können, um ihrer Rolle als eigenständig-autonomer und doch angebots- und austauschfähiger Leistungslieferantin gerecht werden zu können.

Seit Inkrafttreten der jüngsten Rahmenordnung für den erziehungswissenschaftlichen Diplom-Studiengang von 1989 stellt die Forderung nach Hervorbringung 'Pädagogischer Professionalität‘ ein explizites, programmatisches Ziel der universitären Pädagogenqualifizierung dar, welches sich im Spannungsfeld einer auf breite berufliche Mobilität zielenden Generalistenqualifizierung und spezialisierten Hinführung der Studierenden auf spezifische Handlungsfelder erstreckt. Für das Forschungsprojekt ergibt sich hier mit der Frage nach den besonderen Handlungsfeldbedingungen solcher Diplom-Pädagogen und Diplom-Pädagoginnen, deren Berufshandeln in überwiegend privat finanzierten, betrieblichen Bildungsfeldern stattfindet, zugleich diejenige nach deren spezifischen Kompetenzen und Selbstbildern. Zu diesem Zweck konnten einerseits 21 deutsche universitäre Qualifizierungsgänge der Berufs-/Betriebs- bzw. Wirtschaftspädagogik auf der Formalebene von Studien- und Prüfungsordnungen analysiert und in bezug auf ihre handlungskompetenzgenerierenden Ansprüche untersucht werden. Hierbei entstand das Bild einer hoch polymorphen und nur in geringem Ausmaß standardisierten Qualifizierungspraxis. Nicht die Heterogenität des Studiums an sich ist das zentrale Problem, sondern die vielfach unzureichende Bearbeitung kontingenter Anforderungssituationen in der betrieblichen Bildungsarbeit.

Im Forschungsschwerpunkt wurden 20 Absolventen und Absolventinnen unterschiedlicher Studienvertiefungsrichtungen im Rahmen einer empirisch-qualitativen Feldstudie (qualitative Interviews) zu ihren Studienerfahrungen, beruflichen Biographien, ihrer Kompetenzgenese und beruflichen Praxis innerhalb berufsbildender Unternehmen befragt. Die hierbei erzielten Forschungsergebnisse bestätigen die Vielfältigkeit, bisweilen gar als Unverbindlichkeit wahrgenommenen Studiengangpraxen im subjektiven Erleben und werfen – bei überraschend affinen Anforderungen seitens des Berufsalltags - das Bild einer qualifikationsmusterbezogen wenig homogen Berufsgruppe auf. Als bei der Mehrheit der Interviewten nachweisbarer ‘kleinster gemeinsamer Nenner‘ läßt sich ein pädagogisch-wertbegründetes Handlungsmotiv ermitteln, welches für sich allein keinen Garanten kompetenter, insbesondere professioneller Berufspraxis darstellt. Zur Herstellung anschlußfähiger, damit seitens betrieblicher Kontexte abnahmefähiger Leistungsfähigkeit bedarf es für die Akteure zumeist außerhalb des universitären Qualifizierungsfeldes erworbener Kompetenzen, die die Vermittelbarkeit pädagogischer Ansprüche in die berufsqualifizierende Praxis gestatten.

Professionalität in Handlungskompetenz und Selbstverständnis konnte insbesondere bei denjenigen Befragten ermittelt werden, die auf der Grundlage außererziehungswissenschaftlich erworbener Berufsqualifikationen ihr ‘pädagogisches Motiv’ so einzubringen wissen, daß es seitens betrieblicher Umwelten als spezifisches, sonstigen innerbetrieblichen Sinnstrukturen fremdes Potential innovativ erfahren werden und als Anregung zu betrieblichen Veränderungen (im Sinne einer Optimierungsveränderung) herangezogen werden kann. Die Genese dieser Kompetenz unterliegt zeitlichen Entwicklungen: Sie stellt sich weniger als unmittelbares Studienergebnis oder prinzipiell erreichbares Maximum dar, sondern als Entwicklungsstand in Abhängigkeit von den jeweils individuell erfahrenen beruflichen Handlungskontexten.

4. Förderung

Das Projekt wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Kennz. Ku 1011/2-1 gefördert.