Probleme der Reorganisation der beruflichen / betrieblichen Weiterbildung für untere und mittlere Qualifikationsebenen in den fünf neuen Bundesländern

Inhalt:

Untersuchung über Umstellungs- und Anpassungsprozesse in der beruflichen Weiterbildung in den neuen Bundesländern. Die Prozeßbeobachtung ist zum einen auf die institutionell-organisatorische Ebene gerichtet, um Segmentations- und Konzentrationsprozesse in der beruflichen Weiterbildung und ihre Rahmenbedingungen zu diagnostizieren, zum anderen wird die didaktisch-methodische Ebene berührt, um eventuell typisch-lernorganisatorische Arrangements, die sich im Prozeß der Transformation durchsetzen, identifizieren zu können. Dabei beziehen sich die Untersuchungen schwerpunktmäßig auf Veränderungen im außerschulischen Bereich der beruflichen Weiterbildung und administrative Impulse sowie auf subjektbezogene Aspekte, wie sie in der Form von Bildungserwartungen bei den potentiellen Weiterbildungsteilnehmern und Weiterbildungsansprüchen in den professionellen Selbstbildern und Erfahrungen des Weiterbildungspersonals vorliegen. Ziel der Untersuchung ist die Feststellung des Handlungsbedarfs auf der institutionell-organisatorischen sowie auf der didaktisch-methodischen Ebene, was bedeutet, daß die Untersuchung zur Optimierung genereller Organisations- bzw. Institutionsformen der beruflichen WB in den neuen Ländern herangezogen werden kann und auch hinsichtlich der Vermittlungsformen und Inhalte von verwertbaren Qualifikationen aktuelle Daten und empirisch gewonnene Erfahrungen bereitstellt. Zudem war als Ziel formuliert, die administrativen Strategien in der beruflichen WB mit betrieblichen und regionalen Erfordernissen zu konfrontieren.

Ergebnisse:

Eingebunden war das Projekt in den Bezugsrahmen "Transformationstheorie und Transformationspraxis", und es lieferte den Nachweis, daß der Bildungssektor, hier der Weiterbildungssektor, unter denselben transformatorischen Leitideen (Destruktion / Substitution / Neuorganisation) diskutiert wurde, wie andere gesellschaftliche und kulturelle Sektoren auch. Dabei wurde auffällig, daß bildungsbezogene Transformationstheorien weitgehend dort zu holzschnittartig waren, wo sie zur vollständigen Destruktion des Weiterbildungssystems der DDR aufforderten und die alten Strukturen gleichermaßen a priori als untauglich abqualifizierten. Die Fragestellung: "Finden wir theoretische Konzepte, die für die Beobachtung der transformatorischen Praxis nutzbringend umsetzbar wären?" führte zur Konstruktion dreier unabhängiger aber kontextuell miteinander verbundener Teilstudien.

 

Teilstudie I (Weiterbildnerstudie)

Das Personal der betrieblich-beruflichen Weiterbildung in der Umbruchphase erlebt die berufliche Situation als erzwungene Anpassungssituation, in der die eigene Gestaltungskraft als unnachgefragte Kompetenz zu verkümmern droht. Und dies, obwohl die eigentliche berufliche Kompetenz als professioneller Weiterbildner nicht in Frage gestellt wird, sondern ein sicheres Bewußtsein darüber existiert, "fachlich das zu können", was den beruflichen Anforderungen entspricht. Gleichzeitig sieht die überwiegende Mehrheit des Personals sich als "Transformationshelfer", die neben beruflichen Fertigkeiten und Kenntnissen jetzt auch sozial-integrative Anregungen vermitteln und fördern. Weiterbildner, so ein Fazit der Untersuchung, sehen sich als ökonomische und soziale Akteure (Transformationshelfer) zugleich, wobei sie sich für die sozialen Funktionen ihrer aktuellen Tätigkeiten begleitende professionelle Hilfen wünschen würden.

 

Teilstudie II (Curriculare und didaktisch-methodische Aspekte)

Entgegen der generellen Annahme, die berufliche Bildung der beiden deutschen Staaten sei durch eine extreme Differenz gekennzeichnet, konnte der Nachweis erbracht werden, daß wesentliche Grundelemente der beruflichen Aus- und Weiterbildung in auffälliger Theorienähe zueinander standen. Gleichzeitig sind wesentliche Strukturelemente der Aus- und Weiterbildungsrealität recht ähnlich gewesen und aktuelle Begriffe wie "Schlüsselqualifikation" und "Lernen im Prozeß der Arbeit" lassen sich sowohl in administrativen Vorgaben (Bildungsprogrammatik) als auch in der Bildungspraxis für die Epoche des entwickelten DDR-Staates ausmachen. Auch das Niveau der Fachkompetenz war vielfach, sieht man von den jüngsten Entwicklungen der "High-Tech Berufe" einmal ab, durchaus in ausreichendem Maße entworfen und entwickelt. Es bestand also kein Anlaß für eine generelle Neuorientierung in der beruflichen Weiterbildung, sondern eher die Notwendigkeit pragmatischer, auf technische Ausstattungen und ökonomische sowie Branchenentwicklungen bezogener Anpassungen.

 

Teilstudie III (Institutionelle und strukturelle Reorganisation der beruflichen Weiterbildung)

Diese Untersuchung liefert u. a. eine institutionelle Typologie von Weiterbildungsanbietern in den neuen Ländern (Neuanbieter, neustrukturierte Altanbieter, überbetriebliche Anbieter, betriebliche Anbieter, private Anbieter, öffentliche Anbieter in Kooperation etc.), eine Phasenanalyse über den Verlauf der Konsolidierung / Destabilisierung der beruflichen Weiterbildungsinstitutionen in Abhängigkeit vom AFG sowie von der wirtschaftlichen Entwicklung in spezifischen Regionen und Branchen, eine Kooperationsanalyse über die Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure, die für das Angebot der betrieblichen Weiterbildung maßgeblich sind sowie eine Analyse dessen, wie in einzelnen Betrieben die berufliche Weiterbildung unter den spezifischen Bedingungen der Transformation strategisch und praktisch umgesetzt wurde. Bei alledem wurde versucht, die Logik zwischen Arbeitsmarkt und Markt der beruflichen Weiterbildung zu entschlüsseln und ggf. kontingente Tendenzen aufzeigen zu können. Dabei war ein zentrales Ergebnis, daß notwendige Abstimmungsprozesse zwischen allen beteiligten Akteuren der beruflich-betrieblichen Weiterbildung erst in jüngster Zeit in einem Maß stattfinden, das wünschenswert ist, die vorhergehende Phase der Weiterbildungsentwicklung aber leider Ressourcen verschenkt hat, was vor allem qualitative Verluste für die Weiterbildung bedeutete.

Forschungsmethoden:

Empirisches Forschungsprojekt mit formativer Prozeßevaluation
Experteninterviews mit betrieblichen Ausbildern, Arbeitsberatern u.a.
halbstandardisierte Panel-Teilnehmerbefragung
qualitative (offene) Teilnehmerbefragungen
leitfragengestützte Gruppendiskussionen
curriculare Dokumentenanalysen
Verbleibsstudie (nach Maßnahmeabschluß)
Literaturaufarbeitung 

Laufzeit: 1.7.1991-30.6.1995

Finanzierung: Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft / Bundesinstitut für Berufsbildung (Förderkennzeichen D 2147,00)

Kooperationen mit Personen und Institutionen außerhalb der Universität:

Durchführungsträger / Projektleitung:
Arbeitsgemeinschaft Betriebliche Weiterbildungsforschung, Bochum und Berlin,
Prof. Dr. Antonius Lipsmeier, Institut für Berufspädagogik an der Universität Karlsruhe,
Prof. Dr. Martin Baethge, SOFI, Göttingen,
Prof. Dr. Erich Staudt, Universität Bochum,
Dr. Ingrid Drexel, ISF, München

Wiss. und nichtwissenschaftliche Mitarbeiter im Projekt innerhalb der Universität:

Hauptamtliche Mitarbeiter:
Dr. Andreas Bröker,
Dr. Christoph Hübner,
Dr. Karl Düsseldorff,
Prof. Dr. R. Pöhlmann,
Prof. Dr. M. Trier, Jena 

Veröffentlichungen / Publikationen:

  1. Dobischat / Lipsmeier / Huebner / Bröker / Düsseldorff / Klasen: Probleme der Reorganisation der beruflichen (betrieblichen) Weiterbildung in den fünf neuen Bundesländern. Karlsruhe / Duisburg 1995
  2. Huebner / Dobischat / Lipsmeier / Düsseldorff: Personale und qualifikatorische Transformationsprozesse bei Weiterbildnern in den neuen Bundesländern. Karlsruhe / Duisburg 1995.
  3. Lipsmeier / Dobischat / Düsseldorff / Huebner: Curriculare und didaktisch-methodische Aspekte von beruflicher Weiterbildung im Transformationsprozeß in den neuen Bundesländern. Karlsruhe / Duisburg 1995.
  4. Bröker / Dobischat / Lipsmeier / Düsseldorff / Huebner / Klasen: Institutionell-strukturelle Reorganisation beruflicher Weiterbildung unter den Rahmenbedingungen des Arbeitsförderungsgesetzes im Kontext regionaler Transformationsprozesse in den neuen Bundesländern. Karlsruhe / Duisburg 1995.
  5. Dobischat / Lipsmeier / Drexel: Der Umbruch des Weiterbildungssystems in den neuen Bundesländern. - Zwei Untersuchungen - Münster / New York 1996.