Nonverbale Kommunikation

Neues Kommunikationsmodell

Um zu verstehen wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass die nonverbale Komponente des Kommunikationsverhaltens einen derartigen Bedeutungszuwachs erlangte, dass die verbale Kommunikation ganz plötzlich nur noch zweite Geige spielte, ist es nötig, die Aufmerksamkeit auf einen Aspekt zu lenken, für den der amerikanische Semiotiker und Philosoph, Charles W. Morris den Begriff pragmatics geprägt hat. Definiert als die „Beziehung zwischen den Zeichen und ihren Interpreten“ richtet sich das Forschungsinteresse der Pragmatik auf das Studium der kognitiven und emotionalen Prozesse, die sich einstellen, wenn ein Empfänger die sprachlichen und nicht-sprachlichen Äußerungen seines Gegenübers wahrnimmt und ihnen Bedeutung zumisst. 

Die Einbindung der pragmatischen Dimension des Kommunikationsprozesses impliziert eine notwendige Abkehr von dem dominierenden Kommunikationsmodell, das seinen Ursprung in der Nachrichtentechnik hat. Dieses sieht die Kommunikation als einen Vorgang der Informationsübergabe in drei Etappen an: Die Nachricht eines Senders wird zunächst mittels eines Codes in die Signale einer (Maschinen-) Sprache transponiert und danach durch einen geeigneten Kanal auf einen Empfänger übertragen, der seinerseits die eintreffenden Signale mit demselben Code, mit dem die Nachricht eingelesen wurde, entschlüsselt. Die theoretischen und praktischen Probleme richten sich dementsprechend darauf, wie man die Gesamtheit der potentiellen Nachrichten in Signale umwandelt und diese störungsfrei zum Adressaten bringt. Die Signaldecodierung, mit anderen Worten der Akt des Verstehens auf der Seite des Empfängers, ist dann nur noch eine unproblematische Umkehr des Encodierungsprozesses.

Das ausschließlich Sender-orientierte technische Kommunikationsmodell verfehlt jedoch die Eigenarten der Humankommunikation. Denn in dieser kommt den Wahrnehmungen, Empfindungen und dem Verstehen des Empfängers eine kommunikationsbestimmende Rolle zu. Der menschliche Sender kann niemanden dazu verpflichten, ein Signal in einem bestimmten Sinne zu verstehen oder einen gewünschten Eindruck zu empfinden. Die Signalerkennung und Bedeutungszuweisung bleiben das Hoheitsgebiet des Empfängers.

Der pragmatische Aspekt hat für die nonverbale Kommunikation eine weit höhere Relevanz als für die Sprachverständigung. Im Gebrauch der Sprache bestehen über viele Generationen hinweg nahezu unverändert geltende Bestimmungen über die Bedeutung von Wörtern, über die Anwendbarkeit von Regeln der Grammatik u. dgl. Für Sprecher und Hörer ist dadurch ein Reglement vorgegeben, das die Freiheitsgrade der Verständigung für alle Sprachteilnehmer einschränkt. In der nichtsprachlichen Kommunikation existieren solche Konventionen nicht. Sie ist deshalb besonders offen (oder auch anfällig) für alle Arten von subjektiven Eindrücken und Schlussfolgerungen.

 References

  • Foundations of the theory of signs. Morris, C. in: Neurath, 0. Carnap, R. and Morris, C.  (eds.). International Encyclopedia of Unified Science, Vol. 1. Chicago: University of Chicago Press, 1938.
  • Funktionsprinzipien der Humankommunikation und der technischen Kommunikation. Frey, S. In: Informationstechnische Gesellschaft im VDE (Hrsg.): Nutzung und Technik von Kommunikationsendgeräten. ITG-Fachbericht 121, 25-38. Berlin: VDE Verlag, 1992.
  • Theoretische Grundlagen der multimedialen Kommunikation. Frey, S., Kempter, G., und Frenz, H.G. Spektrum der Wissenschaft, 8/1996.
  • Zur Frage der Pragmatik in der Mensch-Technik Interaktion. Frey, S. in: Alcatel-Lucent Stiftung (Hrsg.) Mensch, Technik, Kommunikation. Beiträge zur Informatisierung in Gesellschaft, Recht, Ökonomie und Technik. Stuttgart: Alcatel-Lucent Stiftung, 2009.