Großes Fachpublikum beim 2. Essener Membranbausymposium

Am 26. September richteten das Institut für Metall- und Leichtbau und das Essener Labor für Leichte Flächentragwerke (ELLF) der Universität Duisburg-Essen gemeinsam das 2. Essener Membranbau Symposium aus. Die Veranstalter durften ein großes, 130 Gäste umfassendes Fachpublikum begrüßen. Vertretern aus Forschung und Praxis des Membranbaus, Materialherstellern, Konfektionären, Vertretern von Prüfeinrichtungen, Bauaufsichtsbehörden und Softwareherstellern wurde ein breit gefächertes Programm von Fachvorträgen geboten.

Professor Daniel Balzani (Technische Universität Dresden, Institut für Mechanik und Flächentragwerke) stellte den aktuellen Forschungsstand zur Modellierung des Materialverhaltens von Gewebemembranen mittels Schalenelementen und der Nutzung von hyperelastischem Materialverhalten vor. Das Materialverhalten kann über lediglich vier Parameter beschrieben werden, die aus biaxialen Zugversuchen zu ermitteln wären. Das Besondere des vorgestellten Ansatzes war, dass durch die Verwendung von polykonvexen Energiefunktionen Faltenbildung in der Membrane simuliert werden kann. Herr Balzani stellte in Aussicht, dass der Weg bis zur Anwendung der vorgestellten Formulierungen in der Praxis nicht mehr weit ist.

Dr. Alexander Michalski (SL-Rasch GmbH, Stuttgart) erläuterte die besonderen Herausforderungen bei der Ermittlung von Windlasten auf weiche, doppelt gekrümmte Membranstrukturen und zeigte verschiedene Berechnungsmethoden auf: von der vereinfachten Anwendung von norm-basierten Winddruckbeiwerten, über Windkanalversuche bis zur Anwendung von Computational Fluid Dynamics, die bei größeren Bauwerken die Windkanaluntersuchungen ergänzen kann. Mit dem Ziel der zukünftigen Erweiterung der vorhandenen norm-basierten Winddruckbeiwerte auf typische Membranformen entwickelte er eine Gliederung der geometrischen Vielfalt für den Zweck einer Windkanalversuchsreihe.

Dem Zusammenhang zwischen Bauaufgabe und Materialauswahl im Membranbau widmete sich Klaus Saxe (Universität Duisburg-Essen, Essener Labor für Leichte Flächentragwerke, ELLF). Er zeigte deutlich auf, welche Materialien für welche Konstruktionen geeignet sind und welche sich am Markt durchgesetzt haben – oder sich trotz guter technischer Eigenschaften bisher nicht durchgesetzt haben. Die hohen Anforderungen an technische Membranen wurden den mechanischen, bauphysikalischen und optischen Eigenschaften sowie Kostengesichtspunkten konkret gegenübergestellt. Er stellte heraus, dass PVC-beschichtete Polyestergewebe entgegen verbreiteter Meinung durchaus höhere Festigkeiten aufweisen können als PTFE-beschichtete Glasfasergewebe und dass sich für letztere der Preisunterschied zu den Polyestergeweben relativiert, wenn man Konfektionierungskosten mit einrechnet.

Jörg Uhlemann (Universität Duisburg-Essen, Institut für Metall- und Leichtbau) stellte zum Einen aktuelle Sicherheitsansätze für die Bemessung von Membrankonstruktionen im Rahmen vorhandener Normen vor. Zum Anderen präsentierte er Ergebnisse einer Analyse von Standsicherheitsnachweisen für ausgeführte Bauwerke. Dabei wurde deutlich, dass derzeit von den Tragwerksplanern im Membranbau sehr unterschiedliche Sicherheitsansätze benutzt werden, die zu deutlichen Unterschieden in den Sicherheitsniveaus der einzelnen Bauwerke führen. Er empfahl vor allem, Sicherheitsbeiwerte und Beiwerte, die tatsächliche Festigkeitsabnahmen von Membranmaterialien berücksichtigen, in der Praxis und der zukünftigen Normung zu trennen, um das tatsächlich erreichte Sicherheitsniveau einer Konstruktion besser bewerten zu können.

Die derzeitigen Bemühungen zur europaweiten Harmonisierung der Membranbaubemessung mit dem Ziel eines neuen Eurocodes für den Membranbau wurden von Prof. Natalie Stranghöner (Universität Duisburg-Essen, Institut für Metall- und Leichtbau) vorgestellt, die nicht nur Mitglied des europäischen Normenausschusses CEN/TC250 WG5 ist, sondern auch Federführende des deutschen Spiegelausschusses. Derzeit wird ein Hintergrundbericht erarbeitet, der als Grundlage für die Entwicklung des Eurocodes dienen soll. Frau Stranghöner stellte den Anwesenden die geplante Struktur und Inhalte sowie den Zeitplan für die Erstellung der neuen Bemessungsnorm vor.

Eine eingehende Erörterung von Rechtsfragen rund um das Bauen mit Membranen bot der Fachanwalt Thomas Kierner (Althoff Kierner & Partner, Dresden). Er räumte einige Fehlvorstellungen in der Kommunikation zwischen Technikern und Juristen aus. Zur Vermeidung von Nachteilen für Vertragsparteien hob er vor allem die große Bedeutung der Genauigkeit bei der Erstellung der Leistungsbeschreibung hervor. Dies verdichtete er in dem prägnanten Satz: „Sie bauen etwas Besonderes, also beschreiben Sie es auch besonders.“

ETFE-Folientragwerke ermöglichen Notlaufeigenschaften eines Gesamtbauwerks: Dies betonte Sebastian Gerhold (Vector Foiltec GmbH, Bremen) in seinem Vortrag über die langjährigen Erfahrungen aus Planung, Ausführung und Betrieb dieser Tragwerke. Dabei ist die vollumfängliche Betrachtung von Bauwerken wichtig. So können ETFE-Folienkonstruktionen in den Brand- und Detonationsschutz einbezogen werden. Darüber hinaus thematisierte er beispielhaft, inwiefern hohe Sicherheitsfaktoren nicht zwangsläufig zu einem höheren Sicherheitsniveau der Gesamtstruktur führen.

Als Abschlussredner präsentierte Dr. Martin Synold innovative Projektideen zum Bauen mit Stoff, die derzeit an seinen Wirkungsstätten am Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK) der Universität Stuttgart und dem Ingenieurbüro Werner Sobek entwickelt werden. Neben aktuell in der Verwirklichung befindlichen Projekten gab er auch einen Ausblick auf das Bauen mit innovativen Materialien, die beispielsweise Sensorik oder textile Aktuatoren beinhalten können.

Der Ausklang des Tages im ELLF fand regen Zuspruch und die Möglichkeit zum weiteren fachlichen und persönlichen Austausch wurde – wie schon in den Pausen – sehr ausgiebig wahrgenommen.

Die Beiträge der Referenten liegen in einem Tagungsband auch in schriftlicher Form vor:
Natalie Stranghöner, Klaus Saxe, Jörg Uhlemann (Hrsg.), 2. Essener Membranbau Symposium, Shaker Verlag, Aachen, 2014.

Angesichts der vielen positiven Rückmeldungen freuen sich die Veranstalter bereits auf die dritte Ausgabe des Essener Membranbau Symposiums, die im Jahr 2016 stattfinden wird.

Jörg Uhlemann

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