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Erklärungen zu den verwendeten Fachbegriffen finden Sie im Glossar.

3R in der onkologischen Forschung der Universitätsmedizin Essen

Der Forschungsschwerpunkt ,,Onkologie" an der Universitätsmedizin Essen (UME) steht für Methoden und Modellsysteme, die zu neuen Erkenntnissen in der Grundlagenforschung führen sowie die Entwicklung neuartiger Ansätze in Diagnostik und Therapie von Krebserkrankungen ermöglicht. Aufgrund der komplexen Wechselwirkungen zwischen Krebszelle und Körpergewebe ist es unverzichtbar, einige Versuche im Organismus eines lebenden Versuchstieres durchzuführen. Tierversuche stellen, z.B. mit Mäusen, einen notwendigen Teil der präklinischen Forschung dar, um komplexe Vorgänge wie die Interaktion unterschiedlicher Organsysteme in der Krankheitsentstehung, -progression und unter Therapiebedingungen zu charakterisieren und besser verstehen zu können. Zudem sind mögliche Nebenwirkungs- und Interaktionsprofile von medizinischen Interventionen nicht immer und komplett über Zellkulturmodelle abbildbar.

Die Forschenden des Zentralen Tierlaboratorium Essen folgen dem ,,3R-Prinzip", das eine Reduktion der Tierversuche anstrebt und verlangt, dass die Belastung der Versuchstiere so gering wie möglich ausfällt. Zudem wird stets geprüft, ob alternative Methoden zum Einsatz kommen können. Um letzteres zu erreichen, wird in der onkologischen Forschung an der UME vermehrt auf Experimente mit Zell- und Gewebekulturen sowie mit Organoiden gesetzt; zur Veranschaulichung folgen Beispiele:

Im Westdeutschen Zentrum für Neuroonkologie des WTZ basieren translationale Forschungsansätze vorwiegend auf dem Studium des Tumorgewebes von betroffenen Patienten. Dazu werden nach Einwilligung überschüssige, nicht für die Diagnostik verwendete Gewebeproben gesichert und unter modernen Zellkulturbedingungen standardisiert aufbereitet - in Interaktion zwischen der Klinik für Neurochirurgie, der Westdeutschen Biobank und der Translationalen Neuroonkologie. Der Einfluss medikamentöser Therapien, und auch die Charakterisierung neuartiger Wirkmechanismen, können so schon in vitro sehr gut abgeschätzt werden.

Manche Wirkungen lassen sich allerdings nicht umfassend einordnen. Dazu zählt zum Beispiel das typisch-diffuse Infiltrationsverhalten besonders bösartiger Tumorzellen in benachbarte „normale“ Hirnareale. Um die umfassende Wirkung ausgewählter anti-tumoraler Therapien auch auf diese infiltrierenden Tumorzellen sicher nachweisen zu können, bleiben gut geplante Tierversuche unerlässlich.

In der Molekularen Zellbiologie werden in Experimenten zur Kombinationswirkung von Bestrahlung und zielgerichteten Inhibitoren bei Tumorerkrankungen Zellkultursysteme verwendet (2D, 3D mit Normal- und mit Tumor-Gewebe) sowie Ko-Kultursysteme (Tumorzellen, Fibroblasten) und Primärkulturen von Normalgewebszellen, z.B. sogenannte Air Liquid Interface Cultures von Lungenzellen. Darüber hinaus ist das Hühnerei oder das CAM-Modell (Chorioallantoic Membrane Model) im Einsatz. Zukünftig sollen mit dem Brückeninstitut für Experimentelle Tumortherapie (BIT) auch Slice Cultures und Organoide für Lungen- und Pankreas-Gewebe etabliert werden.

Versuche zu strahleninduzierten Schäden im Normalgewebe lassen sich derzeit leider noch nicht vollständig in vitro umsetzen. Hier steht die Interaktion zwischen den Epithel-oder Endothel-Zellen der Lunge oder den Stroma-Zellen im Pankreas mit dem Immunsystem im Mittelpunkt. Darüber hinaus arbeiten die Klinik für Nuklearmedizin, die Innere Klinik (Tumorforschung) und das BIT an patientenabgeleiteten Tumor-Explant-Systemen und Organoiden zur Evaluation theranostischer Ansätze, welche bisher weitgehend in Mausmodellen untersucht wurden.

Zur Identifikation neuer Therapien für das Maligne Melanom wurde ein neues in vitro 3D-System etabliert. Dabei werden aus wenigen Tumorzellen des Malignen Melanoms sogenannte Tumorsphäroid-Zellkulturen aufgebaut. In diesen Zellkulturen testet man parallel diverse pharmakologische Ansätze und deren Einfluss auf die Metastasierung des Malignen Melanoms. Gleichzeitig ermöglicht das System, molekularbiologische Vorgänge in den Tumorzellen unter Therapie besser verstehen und ggf. anpassen zu können. Mittelfristig sollen diese neuen Untersuchungsmethoden auf andere Krebsarten adaptiert und die Übertragbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse geprüft werden.

1Richtlinie 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2010 zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere Text von Bedeutung für den EWR