Erwerbs- und Fürsorgearbeit

Abstract

In diesem Cluster verorten sich Forschungen, die sich mit den Rahmenbedingungen und den Auswirkungen von Wirtschafts- und Sozialpolitik und deren entsprechenden gesetzlichen Vorgaben auf eine geschlechtergerechte Gestaltung der beiden großen sozio-ökonomischen Bereiche der Fürsorgearbeit und der Erwerbsarbeit beschäftigen. Dabei stehen die Berücksichtigung der wechselseitigen Abhängigkeit beider Bereiche und deren Auswirkungen auf das Verhältnis der Geschlechter im Vordergrund. Die Forschung in diesem Themencluster versteht sich als ein Beitrag zur Stärkung des Forschungsprofils der Universität in einem zentralen gesellschaftlichen Bereich von wachsender Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft.

Im Cluster werden – aus einer Geschlechterperspektive – die Verschränkungen des Wandels der Erwerbssphäre, der Lebensformen und deren (sozial-)politischer Rahmenbedingungen und Regulierungen in den Mittelpunkt gestellt. Mit der Erosion des Familienernährermodells und des Normalarbeitsverhältnisses treffen neue Anforderungen und Zumutungen der Erwerbssphäre wie die Intensivierung, Flexibilisierung, Prekarisierung und Transnationalisierung von Erwerbsarbeit sowie einer Subjektivierung durch Arbeit auf das sozialpolitische Leitbild einer umfangreichen Aktivierung zur Erwerbsarbeit: Frauen wie Männer sollen nun erwerbstätig sein. Die Erwerbsbeteiligung von Frauen ist in den letzten Jahrzehnten gestiegen. Dennoch sind viele Frauen häufig nur in Teilzeit erwerbstätig und haben eine geringere soziale Absicherung, ein niedrigeres Einkommen, schlechtere berufliche Positionen und geringere Karrierechancen. Allerdings sind auch Männer vermehrt unsicher oder prekär beschäftigt.

Gleichzeitig vervielfältigen sich mit der Erosion des Modells des männlichen Familienernährers die Lebensformen: neben die Kleinfamilie treten Patchwork-, Ein-Eltern-Familien sowie gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften mit und ohne Kinder. Die Erziehung von Kindern und die Pflege von Angehörigen werden vor neue Herausforderungen gestellt – also die Formen von und Bedingungen für Fürsorgetätigkeiten.

Die Einrichtung des Clusters zielt auf die Bündelung und Sichtbarmachung der vorhandenen Expertise an der Universität, seiner Institute und Einrichtungen. Im inter- und transdisziplinären Austausch sollen Forschungsprojekte initiiert und damit Synergien geschaffen werden. Schließlich erfolgt mit dem Cluster eine Profilschärfung und Positionierung nach innen und nach außen.

Forschungsfragen

Ausgehend von einem weiten Arbeitsbegriff, der Produktions- und Reproduktionstätigkeiten umfasst, liegt der derzeitige Schwerpunkt der Forschungsaktivitäten des Cluster „Erwerbs- und Fürsorgearbeit“ auf der empirischen wie theoretischen Untersuchung der nachfolgenden Fragen. Hierbei zielt das Cluster auf eine Verknüpfung der Mikroebene der vergeschlechtlichten Subjekte, ihrer Deutungen, Relevanzen und Interaktionen, mit der Mesoebene von (Arbeits-)Organisationen sowie der Makroebene gesellschaftlicher Strukturen und kultureller Leitbilder.

1) Wie verändern sich die Formen des Arbeitens, Lebens und Fürsorgens im Zuge gesellschaftlichen Wandels?

  • Wie verändern sich Lebensformen und Formen des Zusammenlebens mit der Erosion des männlichen Ernährermodels? Werden Paarbeziehungen egalitärer, bestehen Ungleichheiten fort oder entstehen neue Ungleichheiten? Welche Ungleichheiten zeigen sich etwa in Doppelkarriere-Paaren, bei Familienernährerinnen, bei prekär beschäftigten Paaren oder bei gleichgeschlechtlichen Formen des Zusammenlebens?
  • Wie verändern sich Formen und Sinngehalte von Erwerbsarbeit angesichts der Erosion des männlichen Normalarbeitsmodells und einer zunehmenden Flexibilisierung und Subjektivierung, aber auch Prekarisierung von Erwerbsarbeit? Wie zeigen sich veränderte Arbeitszeit- und Beschäftigungsmuster, Entgrenzung, Arbeitsverdichtung, Unsicherheiten und Ausschlüsse aus der Erwerbssphäre und wie wirken sich diese auf die Beschäftigten und auf die Einzelnen aus?
  • Wie verändern sich Formen von und Bedarfe nach Fürsorgetätigkeiten, sowohl im Bereich bisher unbezahlter Care-Tätigkeiten als auch im Bereich bezahlter Fürsorge? Zwei zentrale Felder sind erstens die (ungleiche) Beteiligung an Fürsorgetätigkeiten für Kinder, etwa mit Blick auf Männlichkeitsvorstellungen und -konzepte ‚aktiver‘ Väter, Veränderungen in der Elterngeldinanspruchnahme oder die Einführung des Betreuungsgeldes. Zweitens werden Pflegetätigkeiten für Angehörige und Ältere untersucht, etwa mit Blick auf die Professionalisierung von Pflegetätigkeiten oder die Arbeitsbedingungen von (meist weiblichen) professionellen Pflegedienstleisterinnen.
  • Eine zentrale Frage hierbei ist stets, welche Ungleichheiten zeigen sich dabei zwischen den Geschlechtern bzw. Genus-Gruppen, aber auch, welche Ungleichheiten zeigen sich innerhalb der Gruppen, etwa nach Bildung, Herkunft, Migration und anderen Merkmalen.

2) In welchem Verhältnis stehen ‚Leben‘ / ‚Liebe‘, Erwerbsarbeit und andere Tätigkeiten im gesamten Lebenszusammenhang angesichts von Diagnosen einer Entgrenzung und Ökonomisierung? Welche Ungleichheiten zeigen sich hier zwischen ‚den‘ Geschlechtern und im Geschlechterverhältnis?

  • Welche Bedeutung kommt Erwerbsarbeit relativ zu anderen Anerkennungssphären und Tätigkeiten zu? Der Sozialstaat ist nach wie vor als erwerbsarbeitszentriert zu charakterisieren, anerkannt wird v.a. Erwerbsarbeit, wodurch andere Tätigkeiten untergeordnet werden. Auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen zeigt sich eine Hierarchisierung von Erwerbsarbeit über andere Tätigkeiten.
  • Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist nach wie vor hauptsächlich eine Frauen zugeschriebene Aufgabe, auch wenn mehr Männer sich an Haus- und Fürsorgetätigkeiten beteiligen. Nicht nur gesamtgesellschaftliche, sozialpolitische und wohlfahrtstaatliche Rahmenbedingungen, sondern auch ungenügende betriebliche Rahmenbedingungen erschweren eine Umverteilung der Produktion- und Reproduktionsarbeit oder die Vereinbarkeit von Beruf und Familie - nicht nur für Frauen, sondern für beide Geschlechter.

 

Ausgewählte Schnittpunkte zu bestehenden Forschungsinteressen

Mitglieder und assoziierte Mitglieder des EKfG

  • Aunkofer*, Stefanie, M.A. (Gender Studies, Ruhr-Universität Bochum): Väter in Elternzeit. Aushandlungs- und Entscheidungsprozesse zwischen Paarbeziehung und Betrieb (Promotionsvorhaben)
     
  • Jansen*, Katrin, Dipl. Soz.-Wiss. (bis 2015) (Rhein-Ruhr-Institut für Sozialforschung und Politikberatung RISP): Gründungen von WissenschaftlerInnen, Wissenschaftskarrieren von NaturwissenschaftlerInnen; Geschlechter- und Migrationsthemen, Bildungs- und Arbeitssoziologie, qualitative Sozialforschung
     
  • Klammer, Ute, Prof. Dr. (Politikwissenschaften, insbes. Sozialpolitik), Arbeitschwerpunkte: Erwerbstätigkeit von Frauen, Fürsorge/ Pflegearbeit
     
  • Motakef*, Mona, Dr. (Soziologie, Humboldt-Universiät zu Berlin), Arbeitsschwerpunkte: Geschlechterforschung, Soziale Ungleichheit; Erwerbs- und Fürsorgearbeit, qualitative Methoden; Soziologie der Körper
     
  • Neukirch, Sabine, Dipl. Soz.-Arb./Soz.-Päd. (Institut SO.CON, Fachhochschule Niederrhein (Mönchengladbach), Arbeitsschwerpunkt Pflegemigration
     
  • Pascher-Kirsch*, Ute, Dr. (bis 2015) (Rhein-Ruhr-Institut für Sozialforschung und Politikberatung RISP bis 31.08.2015): (Akademische) Gründungen von WissenschaftlerInnen; unternehmerisches Handeln in der Wissenschaft
     
  • Paul, Marie, JProf. Dr. Evaluation arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen, Lohneffekte flexibler Beschäftigungsverhältnisse, Evaluation familienpolitischer Reformen, Angewandte Mikroökonometrie
     
  • Petrova-Stoyanov, Ralitsa, Dipl. Soz.-Arb./Soz.-Päd. (wiss. Mitarbeiterin, Professur für Politikwissenschaften, insbes. Sozialpolitik): Arbeitsschwerpunkt: Gleichstellungspolitik an Hochschulen, insbes. Forschungsorientierte Gleichstellungsstandards der DFG)
     
  • Shire, Karen, Prof. Ph. D. (Soziologie): Steuerpolitik und haushaltsnahe Dienstleistungen;
     
  • Tunç*, Michael, Dipl. Soz.-Päd. (Stiftung Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung ZfTI): Projekt „Praxisforschung für nachhaltige Entwicklung interkultureller Väterarbeit in NRW", gefördert durch das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales NRW
     
  • Tünte, Markus, Dipl.-Soz.-Wiss. (Soziologie): Arbeitsmarkt- und Beschäftigungswandel, Frauenerwerbstätigkeit, Wandel von Männlichkeit(en)
     
  • Wimbauer*, Christine, Prof. Dr. (Soziologie der Arbeit und der Geschlechterverhältnisse, Humboldt-Universität zu Berlin): Arbeitsschwerpunkte: Geschlechterforschung, Soziale Ungleichheit; Soziologie der Paarbeziehungen; Erwerbs- und Fürsorgearbeit, Sozial- und Wohlfahrtsstaat; Anerkennungstheorie; qualitative Methoden

* assoziierte Mitglieder

Kooperierende Wissenschaftlerinnen der Universität Duisburg-Essen

  • Weinkopf, Dr. Claudia (Institut für Arbeit und Qualifikation IAQ): Fachkräftemangel, Niedriglohnsektor und Frauenberufe, Arbeitsmarkbedingungen, Sozialstaat

Ansprechpartnerinnen

Prof. Karen Shire, Ph. D.
Soziologie

Dr. Ute Pascher-Kirsch*,
Rhein-Ruhr-Institut für Sozialforschung und Politikberatung (RISP)
*bis August 2015