Ebiss (Eyetrackingbasiertes Interaktionsmanagement synchroner Schriftkommunikation)

Projektbeteiligte:

  • Andrea Kienle (Informatik, FH Dortmund) (Projektleiterin)
  • Michael Beißwenger (UDE, linguistischer Kooperationspartner und Mitwirkung an der Antragstellung)
  • Ebiss-Team @ FH Dortmund

Förderung:

Laufzeit:

  • 01.04.2015 – 31.03.2018

Projektbeschreibung:

Synchrone, schriftbasierte Kommunikationsformen wie die Chat-Kommunikation bilden einen interessanten Anwendungsfall, um eine individuenzentrierte Perspektive auf die Teilhabe an sprachlicher Interaktion für eine interaktionslinguistisch motivierte Rekonstruktion von Phänomenen der Handlungskoordination fruchtbar zu machen. Aus einer individuenzentrierten Sicht stellt sich die aktive Beteiligung an einem Chat-Ereignis als ein individuelles Problemlösen dar, bei dem der einzelne Chatter seine Beteiligungsplanung (Lesen/Verarbeitung, Handlungsplanung, Schreiben/Sprachpro­duktion) immer wieder neu an den aktuellen Stand seiner individuellen Wahrnehmung des Interaktionsverlaufs adaptieren muss.

Im Gegensatz zu mündlichen Gesprächen, für die aufgrund der charakteristischen ‚On-line’-Bedingungen von einer vollständigen Synchronisation der Sichten der Beteiligten auf den Stand des Interaktionsverlaufs ausgegangen werden kann, muss für die Chat-Kommunikation von einer systematischen Divergenz der Sichten ausgegangen werden: Neue Partnerbeiträge werden individuell erst dann wahrgenommen, wenn ein Chatter das nächste Mal das am Bildschirm angezeigte Wortlaufprotokoll nachliest (= zeitliche Entkopplung der Verfügbarkeit und Rezeption von Interaktionsbeiträgen). Um einen Interaktionsbeitrag zu realisieren, muss dieser zunächst vollständig eingegeben und anschließend verschickt werden (= zeitliche Entkopplung von Versprachlichung und Übermittlung). Dies begünstigt Inkohärenzen und Redundanzen bei der sequenziellen Organisation der Interaktion und schränkt die Möglichkeiten einer geregelten Aushandlung der Turnvergabe zur Laufzeit der Interaktion erheblich ein.

Ziel des DFG-Projekts Ebiss ist die Entwicklung eines Prototypen für ein Chat-System neuen Typs, das Informationen aus einer Eyetracking- und einer Keylogging-Komponente systematisch als Datenquellen nutzt, um die für Chats beschriebenen Schwierigkeiten des Interaktionsmanagements auszugleichen und dadurch die Potenziale schriftlicher Interaktion für die Beteiligten noch besser nutzbar zu machen.

Auf Basis von Methoden zur Erkennung von Leseverhalten werden Algorithmen entworfen, die Rückschlüsse auf das Lesen des Bildschirmprotokolls bzw. einzelner Postings erlauben. Informationen zu den produktiven Aktivitäten der Chat-Beteiligten erlauben Rückschlüsse auf den aktuellen Stand der individuellen Handlungsplanung. Im zu entwickelnden Prototypen sollen beide Arten von Informationen für die Bereitstellung innovativer Hilfen für das Interaktionsmanagement genutzt werden, die den Beteiligten zur Laufzeit der Interaktion angeboten werden. Der Prototyp wird belgeitend zu seiner Entwicklung in einer Reihe von Laborstudien erprobt und evaluiert.

Projektpublikation:

  • Kienle, Andrea; Beißwenger, Michael; Cedli, Linda; Holmer, Torsten; Schlieker-Steens, Philipp; Schlösser, Christian (2017): Eyetracking als Ressource zur Unterstützung des Interaktionsmanagements in synchroner Schriftkommunikation. In: Michael Beißwenger (Hrsg.): Empirische Erforschung internetbasierter Kommunikation. Berlin/New York: de Gruyter (Reihe Empirische Linguistik / Empirical Linguistics 9), 143-174.