IAQ Pressemitteilung

Pressemitteilung vom 24.01.2007 Wenn der demografische Wandel voll auf den Arbeitsmarkt durchschlägt: Auch ältere Frauen müssen mehr und länger arbeiten

Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) fordert Systemwechsel vom traditionellen Alleinverdiener- zum gleichberechtigten Familienmodell



Rentenabschläge und Abschaffung des Vorruhestands helfen nicht allein, den demografischen Wandel auf dem Arbeitsmarkt zu bewältigen und die Beschäftigung Älterer zu erhöhen. "Ein erhebliches Potenzial liegt in der "stillen Reserve" der Frauenerwerbstätigkeit", meint Prof. Dr. Gerhard Bosch vom Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen (bis 31.12.2006 Institut Arbeit und Technik/IAT Gelsenkirchen). Während Länder wie Schweden und Dänemark durch die frühzeitige Integration der Frauen in den Arbeitsmarkt das EU-Ziel 2010, mindestens die Hälfte der Bevölkerung zwischen 55 und 64 Jahren in Beschäftigung zu bringen, längst erreichen, hinken wir hinterher.

Schon in der Altersgruppe der 25- bis 44-jährigen Frauen liegen die Beschäftigungsquoten innerhalb der EU 15 erheblich auseinander. Bei den 55- bis 64-jährigen Frauen sind die Unterschiede noch größer. Die Spannbreite der Beschäftigungsquoten in der EU 15 liegt bei den 55-64-jährigen Männern bei 34,3 und bei den Frauen in der gleichen Altersgruppe bei 48,5 Prozentpunkten. Insgesamt zeigt sich, dass die nationalen Erwerbsmuster der 55- bis 64-jährigen
Männer und Frauen heute in Europa weitaus unterschiedlicher als 1970 sind.

Die meisten Länder der EU versuchen, durch Heraufsetzung des Rentenalters und Abschaffung des Vorruhestands die Beschäftigungsphase zu verlängern. "Dies ist eine klassische Männersicht. Die Beschäftigungsquote der über 50-jährigen Frauen wird man durch rein altersspezifische Maßnahmen nur geringfügig erhöhen können", meint Prof. Bosch. Die Beispiele Schwedens und Dänemarks zeigen, dass die Integration der Frauen in den Arbeitsmarkt vor allem durch ausreichende Kinderbetreuung und eine Individualisierung der Besteuerung und der sozialen
Sicherung frühzeitig gefördert wird.

Nur wenn die Beschäftigungsquote der Frauen in jüngeren Lebensjahren erhöht wird, ist es für sie selbstverständlich, auch nach dem 55. Lebensjahr erwerbstätig zu sein - allerdings auch nur dann, wenn sie hier von Hausarbeit entlastet werden. Was die Kinderbetreuung für die jüngeren Frauen ist, ist die professionelle Pflege für die über 55-Jährigen. So wird zum Beispiel in Deutschland erst jetzt - 40 Jahre nach Schweden - mit den Programmen für Ganztagsschulen (4 Mrd. Euro-Programm der Bundesregierung von 2004), der Kinderbetreuung (Tagesbetreuungsgesetz von 2004) für die unter 3-jährigen Kinder und dem Elterngeld (ab 2007) der Systemwechsel vom traditionellen zu einem gleichberechtigten Familienmodell eingeleitet. Die vollen Auswirkungen auf die Beschäftigungsquote der über 55-Jährigen werden erst mittelfristig eintreten und bis 2010 bescheiden bleiben.

Abbildung:
Beschäftigungsquoten der 25-44-jährigen und der 55-64-jährigen Männer und Frauen in der Europäischen Union (15) 2004

Quelle: Europäische Arbeitskräftestichprobe, eigene Berechnungen IAQ

Redaktion:

Claudia Braczko

Für weitere Fragen steht Ihnen zur Verfügung:

Prof. Dr. Gerhard Bosch