IAQ Pressemitteilung
IAQ zu den Potenzialen von Berufskollegs in den Kommunen
Die berufsbildenden Schulen in Deutschland verfügen über vielfältige Potenziale, die die kommunale Bildungspolitik aber bislang kaum ausschöpft. Um Jugendliche in ihrer Laufbahn voranzubringen wie auch um die regionale Wirtschaft zu fördern, besetzen sie eigentlich eine Schlüsselrolle. Für mehr Beachtung und Wertschätzung der berufsbildenden Schulen in der bildungspolitischen Debatte warb jetzt eine Fachtagung des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) an der Universität Duisburg-Essen.
Denn ein zentrales Handlungsfeld strategischer Stadtentwicklung ist die (Weiter-)Entwicklung kommunaler Bildungs- und Qualifizierungsstrukturen. Die beruflichen Schulformen bieten die Möglichkeit, sowohl für übergreifende Trends als auch für den regionalen Qualifikationsbedarf passende Bildungsangebote einzurichten. Vor allem können sie „Brücken bauen”, indem sie die Vergabe der (Fach-)Hochschulreife mit einer spezifischen beruflichen Angebotsorientierung verknüpfen. „Vor dem Hintergrund aktueller Bestrebungen für mehr Durchlässigkeit zwischen Berufs- und Hochschulbildung liegt hier ein wichtiges Entwicklungspotenzial, nicht zuletzt auch um das regionale Bildungsniveau anzuheben”, so PD Dr. Sybille-Stöbe-Blossey, Leiterin der Forschungsabteilung Bildung und Erziehung im Strukturwandel am IAQ.
Ein Blick in die Statistik und ein erster Vergleich zwischen nordrhein-westfälischen Kommunen zeigen, dass diese Potenziale „vor Ort” höchst unterschiedlich genutzt werden. „Auch im Ländervergleich gibt es Unterschiede”, stellte die IAQ-Bildungsforscherin Katharina Hähn fest. So wird in Baden-Württemberg bereits in 30 Prozent der Fälle das Abitur an berufsbildenden Schulen erworben, und drei- und sechsjährige Berufliche Gymnasien werden gezielt gefördert und ausgebaut. Die Berufskollegs könnten „Grenzüberschreitungen” zwischen den Bildungssystemen fördern, indem sie Zusatzqualifikationen für lernstarke Jugendliche und neue Ausbildungsgänge anbieten, Berufsbildung mit höherwertigen Schulabschlüssen (Abitur, FH-Reife) verknüpfen und mit (Fach-)Hochschulen kooperieren. Für die kommunale Bildungspolitik kommt es darauf an, die berufsbildenden Schulen in ihre Schulentwicklungsplanung zu integrieren und deren Kompetenzen in den lokalen Dialog einzubeziehen.
Allerdings kritisieren insbesondere die Wirtschaftsverbände diese Bildungswege oft als „unproduktive Warteschleifen”. Da es immer weniger Jugendliche gibt, sollten möglichst viele – am besten auch gut qualifizierte – unmittelbar in das duale System einmünden. Jedoch zeigt sich am Wahlverhalten der Schülerinnen und Schüler, dass das Berufskolleg immer mehr zur „Oberstufe der Realschulen” geworden ist: Jugendliche reagieren letztlich auf die bildungspolitische Diskussion und streben höherwertige Schulabschlüsse an, wie sie ihnen die Berufskollegs auf unterschiedlichen Wegen und für unterschiedliche Zielgruppen bieten. Entscheidend für die Bewertung der Bildungsgänge sei letztlich ihre Funktionalität für die individuelle Bildungsbiographie, so die Teilnehmer der Tagung. Einen Lösungsweg verfolgt das nordrhein-westfälische Schulministerium: er richtet sich darauf, das duale System attraktiver für diese Zielgruppe zu machen: Der Erwerb der Fachhochschulreife oder des Abiturs soll künftig besser in den schulischen Teil der Ausbildung im dualen System integriert werden.
Die Fachtagung wurde gefördert aus Mitteln des gesellschaftswissenschaftlichen Profilschwerpunkts „Wandel von Gegenwartsgesellschaften” an der Universität Duisburg-Essen.