IAQ Pressemitteilung

Pressemitteilung vom 27.02.2015 Interdisziplinärer Workshop zu Ermessensspielräumen in der Arbeitsvermittlung

Amtsschimmel im Spagat



Die Fachkräfte in den Arbeitsagenturen und Jobcentern haben täglich Balanceakte zu bewältigen:  damit sie den Arbeitskräftebedarf in ihrer Region bedienen und ihre Kunden individuell betreuen können, hat ihnen der Gesetzgeber erweiterte Handlungsspielräume zugestanden. Gleichzeitig gibt es aber interne Weisungen und Richtlinien, Kennziffern und Kontrollen, die den Spielraum stark einschränken. Wie die Akteure diesen Spagat meistern, diskutierten Wissenschaftler und Praktiker auf Einladung des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen (UDE), der Universität Potsdam und der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) jetzt am Potsdam Centrum für Politik und Management (PCPM).

Das „Paradoxon der gleichzeitig erweiterten und eingeschränkten Ermessensspielräume” – so die Organisatorinnen Dr. Karen Jaehrling (IAQ) und PD Dr. Christine Weinbach (Universität Potsdam) – blockiere zwar nicht das Funktionieren der Arbeitsverwaltung: Jobcenter, Arbeitsagenturen und die einzelnen Fachkräfte haben eigene Bewältigungsstrategien entwickelt. „Die halten den Laden am Laufen – werfen aber zugleich Fragen auf”. Denn nicht immer bewege sich das Vorgehen im Rahmen des gesetzlich oder sachlich Gebotenen und rechtlich Zulässigen. 

Wie die Beiträge und Diskussionen des Workshops zeigten, überwiegen in der Praxis eher Mischformen  zwischen ‚altem‘ und ‚neuem‘ Verwaltungsmodus. Das  neue detailreiche Instrumentarium zur Kontrolle der vorgegebenen Ziele setze zum Teil Anreize zugunsten ganz bestimmter Beratungs- und Vermittlungsstrategien, die Ermessensspielräume einschränkten und dem Anspruch der individuellen Betreuung zuwider liefen. Diese wirkten teilweise sogar kontraproduktiv - etwa, wenn statt der Erwerbsintegration das ‚Auffüllen‘ von eingekauften Maßnahmen im Vordergrund stehe, oder wenn die Eingliederungsvereinbarung mit den Arbeitslosen in erster Linie dazu genutzt werde, Sanktionen rechtlich abzusichern. Zugleich verdeutlichten mehrere Beiträge, dass in der Praxis auch neue Beratungskonzepte und veränderte Steuerungsinstrumente erprobt werden, die auf eine bessere Beratungsqualität zielen. Ob und wie Verfahrensrechte auch die Mitsprachemöglichkeiten von Arbeitslosen stärken können, war ebenfalls Gegenstand der Diskussion.

Erhöhte Ermessensspielräume der Verwaltung führen nicht automatisch zu einem besseren Ergebnis. Aber auch die Hierarchie der Arbeitsmarktpolitik und Vorgaben der Bundesagentur stehen in der Kritik. Ein Resümee des Workshops: die Verwandlung von Verwaltungsmitarbeitern in effektive Fallmanager oder Berater erfordert vielleicht keine Zauberei, muss aber doch beträchtliche Hürden überwinden. 

Redaktion:

Claudia Braczko

Für weitere Fragen steht Ihnen zur Verfügung:

Dr. Karen Jaehrling