IAQ Pressemitteilung

Pressemitteilung vom 27.03.2019 IAQ zur Diskussion um Niedrigrenten

Sozialen Ausgleich verbessern

Bereits heute gibt es in der Rentenversicherung einen sozialen Ausgleich, der aber trotz langer Versicherungszeiten nicht immer ausreicht, um Niedrigrenten zu verhindern. Vor allem Erwerbspausen erhöhen das Risiko. Wenn diese Unterbrechungen – wie heute bei der Kindererziehung – als Beitragszeiten bewertet werden, steigern sie die Rente, aber nicht dort, wo sie – wie seit 2011 bei Arbeitslosigkeit im ALG II-Bezug – nur als beitragsfreie Zeiten angerechnet werden. Risikofaktoren für und Handlungsmöglichkeiten zur Begrenzung von Niedrigrenten analysiert eine aktuelle Publikation aus dem Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen (UDE).

Prof. Dr. Martin Brussig, Dominik Postels und Lina Zink haben dafür die Versicherungsbiografien von 3.625 Personen untersucht, die in den Jahren 2000 bis 2007 in Altersrente gegangen sind und mindestens 30 Jahre Beiträge gezahlt haben. 23 Prozent in dieser Gruppe erhalten nur eine Niedrigrente unterhalb der Schwelle von Existenzminimum plus 10 Prozent (2014 rund 766 Euro). Unter ihnen sind ostdeutsche Männer lediglich zu circa 2 Prozent von Niedrigrenten betroffen, westdeutsche Männer zu etwa 5 Prozent, ostdeutsche Frauen zu 15 Prozent, aber besonders westdeutsche Frauen mit rund 46 Prozent.

Nicht nur die Entgeltposition – durch niedrige Löhne –, auch die geleisteten Arbeitszeiten beeinflussen die Höhe der späteren Rente. Der Trend zur Teilzeit, um Beruf und Familie besser vereinbaren zu können, birgt aus Sicht der Beschäftigten neben Vorteilen durchaus Nachteile, denn die Arbeitszeitreduktion verringert nicht nur das aktuelle Erwerbseinkommen, sondern auch den künftigen Rentenanspruch. Der sozialpolitische Risikoausgleich versucht Einkommensausfälle bei Kindererziehung auszugleichen durch zusätzliche Entgeltpunkte oder Beitragsgutschriften, wenn Kinderberücksichtigungszeiten für zwei oder mehr Kinder zusammenfallen. Spätere Nachteile wie geringere Löhne beim Wiedereinstieg oder instabile Beschäftigung im weiteren Berufsleben werden damit allerdings nicht aufgefangen. Weiter gibt das Autorenteam zu bedenken, dass der Anteil an Teilzeitarbeit und instabiler Beschäftigung in den letzten Jahren insgesamt zugenommen hat. „Dies wird zukünftig für viele Rentenbiografien von Relevanz sein“.

Auch Arbeitslosigkeit erhöht das Risiko auf niedrige Renten. Seit 2011 ist der Arbeitslosengeld II-Bezug nur noch Anrechnungszeit und erhöht damit nicht mehr direkt die Rentenanwartschaften. „Zukünftig dürften sich diese Zeiten noch deutlich nachteiliger auswirken“, vermutet das IAQ-Team. „Eine Politik, die niedrige Renten vermeiden möchte, sollte sowohl den sozialpolitischen Risikoausgleich in der Rentenversicherung verbessern als auch am Arbeitsmarkt ansetzen – auf „gute Arbeit“ und stabile Beschäftigung hinwirken“, raten die Autor_innen. Das Rentenrecht allein könne die Folgen von Erwerbsunterbrechungen nur bedingt abfedern, lediglich die Nachteile prekärer Zustände für die Alterssicherung begrenzen.

Mit Blick auf die Rentenreformen, die beschlossene Absenkung des Rentenniveaus und höhere Altersgrenzen ist nach Ansicht des Forschungsteams zu erwarten, dass niedrige Renten, die trotz langer Versicherungszeiten nicht oder nur knapp über die Grundsicherung hinauskommen, zunehmen werden. Reformen seien dringend, Ansatzpunkte sollten die beiden zentralen Faktoren „Arbeitsmarktintegration“ in stabile und gute Arbeit sowie der sozialpolitische Ausgleich in der gesetzlichen Rentenversicherung sein.

Die Publikation präsentiert Ergebnisse des Forschungsprojektes „Erwerbsverläufe von Frauen und Männern mit niedrigen Altersrenten“, das vom Forschungsnetzwerk Alterssicherung der Deutschen Rentenversicherung Bund gefördert wurde. Eingeflossen sind Ergebnisse des IAQ-Altersübergangsmonitors, gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung (HBS/Düsseldorf).

Weitere Informationen:

Brussig, Martin / Postels, Dominik / Zink, Lina, 2019: Erwerbsverläufe von Frauen und Männern mit niedrigen Versichertenrenten. Berlin: Duncker & Humblot. Sozialpolitische Schriften (SPS) ; 96

Redaktion:

Claudia Braczko

Für weitere Fragen steht Ihnen zur Verfügung:

Prof. Dr. Martin Brussig