Informationen zum Forschungsprojekt

Controlling-System zur Landesinitiative Zeitarbeit 50plus



Ziel und Aufgabenstellung

Das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit NRW (MWA) verabredete Ende 2001 zusammen mit dem Landesarbeitsamt NRW und den 11 in NRW führenden Zeitarbeitsunternehmen für das Jahr 2002 eine Initiative "Zeitarbeit 50plus". Im Rahmen dieser Initiative wurden alle in NRW registrierten Arbeitslosen zwischen 50 und 55 Jahren, die zum Stichtag 30.11.2001 nicht länger als 12 Monate arbeitslos gemeldet waren, durch die Arbeitsverwaltung zentral angeschrieben und auf die Möglichkeit der Wiederbeschäftigung durch Zeitarbeit hingewiesen. Zielsetzung dabei war, dass die Angehörigen dieser Zielgruppe mit einem oder mehreren Zeitarbeitsunternehmen ein Bewerbungsgespräch führen, in den Bewerberpool einer Zeitarbeitsfirma aufgenommen werden und im Laufe des Jahres 2002 in Beschäftigung als Zeitarbeiter kommen sollten.

Das MWA beauftragte das Institut Arbeit und Technik damit, zur Landesinitiative "Zeitarbeit 50plus" ein Controlling-System zu entwickeln und mit dessen Hilfe deren Fortgang und Wirkungen laufend statistisch zu beobachten sowie am Ende der Initiative eine Gesamtbilanz zu erstellen. Ein möglichst zeitnahes Controlling sollte folgende Informationen liefern:

  • Wie viele der Angeschriebenen haben auf das Anschreiben reagiert, wie viele zeigten sich interessiert, bzw. welche Gründe wurden für fehlendes Interesse angegeben?

  • Wie viele davon sind zu einer Informationsveranstaltung erschienen und wie viele haben mit einem oder mehreren Zeitarbeitsunternehmen (ZAU) Kontakt aufgenommen?
  • Wie viele davon wurden in den Bewerberpool eines oder mehrerer ZAU aufgenommen? Was waren die Gründe dafür, dass ein Bewerbungsgespräch nicht mit Aufnahme in den Bewerberpool endete?
  • Wie viele der in Bewerberpools von ZAU registrierten Arbeitslosen wurden tatsächlich von einem ZAU für einen Einsatz eingestellt?
  • Wie war der Verbleib der Eingestellten am Ende der Initiative, also am 31.12.2002? Waren sie weiterhin bei einem an der Initiative beteiligten ZAU beschäftigt, in Beschäftigung bei einem anderen ZAU oder anderen Arbeitgeber übergegangen, oder wieder arbeitslos? Wie kam es zur Trennung zwischen ZAU und Arbeitnehmer (Kündigung des Arbeitnehmers, Kündigung durch ZAU wegen Auftragsmangel, Kündigung durch ZAU aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen)?
  • Wie viele der zur Aufnahme einer Beschäftigung als Zeitarbeitnehmer bereiten Arbeitsuchenden waren am Ende der Initiative weiterhin arbeitslos, weil für sie keine passende Einsatzmöglichkeit gefunden wurde?

Vorgehen

Das Controlling-System beruhte auf monatlichen Meldungen der nordrhein-westfälischen Arbeitsämter und der an der Initiative beteiligten ZAU. Diese Meldungen wurden dem IAT als Dateien in einheitlichem Format per e-mail übermittelt und vom IAT in einer Datenbank zur statistischen Auswertung aufbereitet.

  • Die summarische Berichterstattung der Arbeitsämter, die sich im wesentlichen auf die Anschreibeaktion der Bundesanstalt und deren Rücklauf, auf die Teilnahme an Informationsveranstaltungen zu Zeitarbeit 50plus sowie die Vermittlungsaktivitäten der Arbeitsverwaltung im Rahmen der Landesinitiative beschränkte, sollte Aufschluss geben über den Fortgang der Initiative insgesamt und die möglicherweise unterschiedliche Geschwindigkeit dieses Fortgangs in den einzelnen Arbeitsamtsbezirken. Darüber hinaus diente sie als Grundlage für einen Strukturvergleich zwischen den einzelnen Implementierungsstufen.
  • Die an der Landesinitiative beteiligten Zeitarbeitsunternehmen haben zudem anonymisierte Individualdaten erfasst; dazu gehörten Personen- und Qualifikationsmerkmale sowie ausgewählte erwerbsbiografische Daten. Darüber hinaus lieferten die monatlichen Daten Informationen zu den erfolgten Aufnahmen in den Bewerberpool - bzw. bei Nichtaufnahme diesbezügliche Gründe - sowie zu vorgenommenen Einstellungen.
  • Um Aussagen über den individuellen Verlauf während und den Verbleib der TeilnehmerInnen nach Abschluss der Initiative machen zu können, haben die ZAU am Ende der Initiative weitere Individualdaten an das IAT gemeldet, und zwar zu den verschiedenen Einsätzen sowie zu den Umständen und Gründen eines eventuellen Ausscheidens während der Initiative.

Analysen sowohl zur Struktur der Personen, die die verschiedenen Stufen der Initiative jeweils erreichten, als auch zum individuellen Ereignisverlauf sollten die Selektionsprozesse transparent machen, die auf dem Weg von Arbeitslosigkeit jeweils wirksam werden.

Da im Verlauf der Initiative die bei ihrer Implementierung zunächst anvisierte Größe von insgesamt 15.000 Einstellungen in Zeitarbeitsunternehmen nicht annähernd erreicht werden konnte, und sich im Rahmen des Controllings aufgrund des Fehlens von Daten und strukturellen Fehlerquellen zudem Repräsentativitätsprobleme einstellten, hat das MWA das IAT zusätzlich beauftragt, ergänzend zum Controlling leitfadengestützte Interviews mit Vertretern aller beteiligten Zeitarbeitsunternehmen sowie exemplarische Gespräche in einzelnen Arbeitsämtern durchzuführen. Zielsetzung dieser Gespräche war es, Arbeitsverwaltung und Zeitarbeitsunternehmen eine retrospektive Bewertung des Erfolges der Landesinitiative vornehmen zu lassen. Dabei sollten einerseits die für das erzielte quantitative Ergebnis verantwortlichen Ursachen und Hintergründe hinterfragt werden. Andererseits sollten die durch die Landesinitiative möglicherweise auf der prozessualen Ebene oder der Bewusstseinsebene bewirkten qualitativen Effekte eruiert werden.

Ergebnisse

Im Verlauf der Initiative, d. h. zwischen dem 1. Januar und 31. Dezember 2002, wurden nach den von den ZAU gemeldeten Daten insgesamt 1.672 Bewerbergespräche geführt, und es erfolgten 1.243 Poolaufnahmen sowie 243 Einstellungen von älteren Arbeitslosen. Fast 24 Prozent der eingestellten Personen war bereits schon früher einmal bei einem Zeitarbeitsunternehmen beschäftigt gewesen. An den Einstellungen waren nur sieben der insgesamt zehn in die Landesinitiative involvierten Zeitarbeitsunternehmen zu sehr unterschiedlichen Anteilen beteiligt.

Die 50plus-Verleiheinsätze konzentrierten sich auf das Verarbeitende Gewerbe sowie auf das untere Arbeitsmarktsegment: 73 Prozent aller Verleiheinsätze waren auf Hilfskrafttätigkeiten beschränkt, die zu einem nicht unwesentlichen Teil von qualifizierten Arbeitskräften ausgeführt wurden: Rund 59 Prozent aller eingestellten 50plus-ZeitarbeitnehmerInnen mit abgeschlossener Berufsausbildung arbeiteten in den Entleihbetrieben als FachhelferIn, Büro- oder sonstige Hilfskraft. Nur sechs Prozent der eingestellten 50plus-TeilnehmerInnen arbeiteten Teilzeit.

Von den 243 eingestellten Zeitarbeitskräften sind bis zum Ende der Landesinitiative 66 zwischenzeitlich wieder ausgeschieden. Unter den erfassten Austritten gab es bis zum 31. Dezember 2002 neun befristete bzw. unbefristete Übernahmen durch den Entleihbetrieb sowie weitere fünf Anschlussbeschäftigungen durch andere Arbeitgeber. Mindestens 39 der zu Stande gekommenen Beschäftigungsverhältnisse wurden durch die Zeitarbeitsunternehmen beendet, ohne dass eine Anschlussbeschäftigung vorlag oder zumindest eine solche bekannt war. Und in mindestens neun Fällen trat nach dem Ausscheiden aus dem Zeitarbeitsunternehmen eine erneute Arbeitslosigkeit ein.

Die gegenüber den erreichten Einstellungszahlen vergleichsweise hohe Anzahl der in den Bewerberpools der Zeitarbeitsunternehmen "parkenden" und auf einen Verleiheinsatz wartenden Personen (n = 1.243) war bereits ein Hinweis dafür, dass im Jahr 2002 das Angebot an offenen Stellen in der Zeitarbeitsbranche unzureichend oder rückläufig war. Darauf deuten auch die u.a. als Grund für eine Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses von den Zeitarbeitsunternehmen genannten "mangelnden oder unpassenden Einsatzmöglichkeiten" für 50plus-TeilnehmerInnen hin. Nach den in der Arbeitsverwaltung und den Zeitarbeitsunternehmen durchgeführten Interviews ist das im Rahmen der Landesinitiative erzielte quantitative Ergebnis insbesondere auf konjunkturelle Gründe bzw. auf eine schlechte Auftragslage in den Entleihbetrieben zurückzuführen. Aber auch die geringe Bereitschaft von Entleihbetrieben, älteren ArbeitnehmerInnen über Zeitarbeit eine Beschäftigungschance zu eröffnen, hatte einen maßgeblichen Einfluss auf das relativ schlechte Abschneiden der Initiative. Altersrestriktionen - und zwar unabhängig von der Konjunktur - gibt es nach den Erfahrungen der Zeitarbeitsunternehmen insbesondere in "extrem jungen und dynamischen" Branchen, wie etwa im Banken-, Versicherungs-, Kommunikations- und Medienbereich oder im IT-Bereich. Im Assistenz- und Sekretariatsbereich sowie im Verkauf oder Vertrieb ist das Alter ebenfalls ein "K.O.-Kriterium" - insbesondere dann, wenn der Arbeitsmarkt ein ausreichendes Angebot an gut ausgebildetem und zudem jungem und dienstleistungsorientiertem Personal bereit hält. Die verstärkte Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften konnte zum Teil aufgrund nicht passfähiger Qualifikationen innerhalb des Adressatenkreises von Zeitarbeit 50plus nicht gedeckt werden. Einstellungen von berufserfahrenen qualifizierten Arbeitskräften scheiterten zudem an nicht zumutbaren finanziellen Rahmenbedingungen und den im Rahmen von Zeitarbeit angebotenen beruflichen Einsatzmöglichkeiten.

Nach den Einschätzungen der Zeitarbeitsunternehmen ist die Akzeptanz von Zeitarbeit bzw. von Zeitarbeitsunternehmen als anerkannter Arbeitgeber innerhalb der Arbeitsverwaltung in den letzten Jahren grundsätzlich gewachsen, nicht zuletzt aufgrund der in NRW mit der gemeinnützigen Arbeitnehmerüberlassung gemachten Erfahrungen, die ein sehr enges Kooperationsverhältnis zu den Arbeitsämtern erfordert und auch bewirkt hat. Dadurch hat sich die Bereitschaft der Arbeitsämter zur Zusammenarbeit mit den Zeitarbeitsfirmen generell positiv entwickelt.

Vorträge zum Projekt

Lina Zink: Impuls 50plus: Regionale Umsetzung und Ergebnisse der Förderung. Paktkoordinatorentreffen und Beirat "Perspektive 50plus". Lübeck, Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), 10.06.2015

Prof. Dr. Matthias Knuth: Perspektive 50plus. Die Wirkung des Bundesprogrammes Perspektive 50plus – Chancen für ältere Langzeitarbeitslose. 14. Netzwerktreffen „Arbeit und Alter“. Klagenfurt, Arbeitsmarktservice Kärnten, 26.11.2014

Prof. Dr. Matthias Knuth: Evaluation der zweiten Phase des Bundesprogramms. Regionalpakt „Silverstars“ -Treffen der Geschäftsführungen / Amtsleitungen. Pforzheim, Jobcenter , 13.05.2013

Prof. Dr. Matthias Knuth: „Evaluationsergebnisse 2. Programmphase“. Regionalkonferenz II, Bundesprogramm „Perspektive 50plus” - Beschäftigungspakte für Ältere in den Regionen. Goslar, Gesellschaft für soziale Unternehmensberatung / Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 13.03.2013

Prof. Dr. Matthias Knuth: Evaluation zweite Programmphase - Ergebnisse. Bundesprogramm "Perspektive 50plus" - Zweites Paktkoordinatorentreffen der dritten Programmphase. Bielefeld, Gesellschaft für soziale Unternehmensberatung, 03.12.2012

Oliver Schweer: Evaluation der zweiten Phase des Bundesprogramms „Perspektive 50plus – Beschäftigungspakte für Ältere in den Regionen“ - Stand Zwischenbericht 2011. 1. Jahrestreffen der dritten Programmphase. Urania Berlin, Berlin, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 14.09.2011

Prof. Dr. Matthias Knuth: Gesundheitsförderung und Arbeitsmarktpolitik – können sie zusammenfinden? Gemeinsamer Gesundheitstag der JobOffensive 50plus, Schwelm, 20.07.2011  Vortragsfolien

Oliver Schweer: Evaluation des Bundesprogramms "Perspektive 50plus". CEDEFOP: Older workers in companies and on the labour market. Duisburg (16.03.2011), Düsseldorf, Arbeit und Leben DGB/VHS NW e.V., 16.03.2011

Tim Stegmann: Können erkennen, persönlich betreuen, Selbsthilfe fördern. Perspektive 50plus Jahrestreffen 2010. Berlin, Ludwig-Erhard-Haus, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 09.06.2010

Prof. Dr. Matthias Knuth: Ergebnisse der Bundesevaluation zum Programm "Perspektive 50plus". Perspektive 50plus - 3. Jahrestreffen der zweiten Programmphase. Berlin, Ludwig-Erhard-Haus, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 08.06.2010

Prof. Dr. Matthias Knuth: Arbeitsmarktpolitik für ältere Arbeitslose - Erfahrungen aus Beschäftigungsprogrammen und Anforderungen an Träger. Trends in der Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik. Humboldtstein, AWO-Bundesakademie, 18.03.2009

Projektdaten

Laufzeit des Projektes
01.02.2002 - 31.05.2003

Forschungsabteilung

Leitung:
Prof. Dr. Matthias Knuth

Bearbeitung:
Renate Büttner

Finanzierung:
MASQT NRW