Informationen zum Forschungsprojekt

Arbeitsmarkt-Monitoring



Ziel und Aufgabenstellung

Die öffentliche Diskussion über den Arbeitsmarkt wird nach wie vorvon monatlichen Bestandsgrößen und Quoten von Arbeitslosen beherrscht.Ein Verständnis des Bewegungszusammenhangs auf dem Arbeitsmarkt und einfrühzeitiges Erkennen von Trendwenden werden dadurch eher verhindert. Abgesehenvon einer Abnahme der Arbeitslosenquoten, die durch eine Vielfalt von Einflussfaktoreneinschließlich Änderungen der statistischen Definitionen zu Standekommen können, gibt es auch keinen anerkannten Erfolgsmaßstab fürdie Wirksamkeit von Arbeitsmarktreformen.

In bereits abgeschlossenen Projekten konnten wir erste Einsichten in Bewegungsmusterdes Arbeitsmarktes erlangen. Ziel des Projektes ist es, diese Kenntnisse aufbreiterer Basis zu erweitern und bereits existierende Befunde mit neuen Analyseninterpretatorisch zu verknüpfen, um so ein umfassenderes Verständnisüber die Entwicklung und die Funktionsweise von Arbeitsmärkten zuerlangen. Ferner gilt es zu überprüfen, ob Veränderungen derinstitutionellen Rahmenbedingungen das Arbeitsmarktgeschehen beeinflussen.

Das Projekt "Arbeitsmarkt-Monitoring" ist daher beispielsweise ander Beantwortung folgender Fragen interessiert:

  • Wie wirkt sich der Prozess des wirtschaftlichen Strukturwandels auf Bewegungenam Arbeitsmarkt aus?

  • Gelingt es durch die Reformen der Arbeitsmarktpolitik, die Abgängeaus Arbeitslosigkeit in Arbeit absolut und relativ zu steigern? Gelingtes hierbei, eine erhöhte Eigenaktivität der Arbeitsuchenden auszulösen?

  • Gibt es in den Dimensionen der Arbeitskräfte-Fluktuation, der Beschäftigungsstabilitätund der Beschäftigungssicherheit Trendbrüche?

Vorgehen

Zur Beantwortung der oben skizzierten Fragen wollen wir auf unterschiedlicheDatenquellen und unterschiedliche Analysemethoden zurückgreifen. Zum einensollen amtliche Daten, die insbesondere durch die Bundesagentur für Arbeitin zunehmendem Umfang bereitgestellt werden, aufbereitet und ausgewertet werden.Ferner sollen ergänzend zu diesen aggregierten Analysen eigene Auswertungenvon verfügbaren MikroDatensätzen (wie bspw. das Sozio-oekonomischePanel oder die IAB Beschäftigtenstichprobe) durchgeführt werden. ZurAuswertung dieser Daten greifen wir auf deskriptive Verfahren (Strukturanalyse,Aufstellen von Zeitreihen, etc.) ebenso wie multivariate statistische Instrumente(unterschiedliche Regressionsverfahren etc.) zurück. Ergänzt werdensollen diese neuen Ergebnisse durch im IAT bereits vorliegendes Wissen aus anderenProjektzusammenhängen.

Neben der eigentlichen Verbesserung unseres Arbeitsmarktverständnisseswird es darüber hinaus darum gehen, unsere methodische Kompetenz in derAnalyse, Interpretation und Präsentation sowohl von amtlichen Arbeitsmarkt-Datenals auch von unterschiedlichen Mikrodatensätzen weiter auszubauen. Damitzusammenhängend wollen wir durch Einsatz moderner Software die Effizienzin der Aufbereitung dieser Daten weiter steigern, und hier auf bereits existierendeErfahrungen aus anderen Projektzusammenhängen aufbauen. Zusätzlichsoll das im Projekt "Arbeitsmarkt-Monitoring" bereit gestellte Wissenuns in die Lage versetzen, mit aktuellen Aussagen zur Arbeitsmarkt-Situationin der Öffentlichkeit präsent zu sein. Intern wollen wir diese Informationenfür möglichst alle im IAT zugänglich machen, so dass diese auchkontinuierlich als Hintergrundmaterial für andere Projekte genutzt werdenkönnen.

Schlussendlich soll das Projekt auch Aufschluss darüber geben, welcheFragen mit bereits verfügbaren Daten zu beantworten sind und wo ggf. eineErgänzung durch eigene Arbeitnehmer oder Betriebsbefragungen sinnvoll ist.

Ergebnisse

Die öffentliche Diskussion über den Arbeitsmarkt wird nach wie vor von monatlichenBestandsgrößen und Quoten von Arbeitslosen beherrscht.Ein Verständnis des Bewegungszusammenhangs auf dem Arbeitsmarkt und ein frühzeitigesErkennen von Trend-wenden werden dadurch eher verhindert. Abgesehen von einer Abnahme derArbeitslosenquoten, die durch eine Vielfalt von Einflussfaktoren einschließlich Änderungender statistischen Definitionen zu Stande kommen können, gibt es auch keinen anerkanntenErfolgsmaßstab für die Wirksamkeit von Arbeitsmarktreformen.Übergeordnetes Ziel des Projektes war es daher, neues Grundlagenwissen zur Dynamik desdeutschen Arbeitsmarktes zu gewinnen.

Innerhalb des Projektes wurden drei inhaltliche Schwerpunkte bearbeitet:

(1) Die Analysen des im Jahr 2003 beendeten Projektes "Restrukturierung des Arbeitsmarktes"wurden fortgesetzt und aktualisiert. Insgesamt liefern die Resultate keinen Beleg für eine(zunehmende) Erstarrung des westdeutschen Arbeitsmarktes. Hinsichtlich der Frage, ob ehereine reflexiv-moderne Diskontinuität von Erwerbsverläufen oder aber eine Zunahme des mitdem individuellen Arbeitnehmer untrennbar verknüpften Wissens hinter den komplexen Entwicklungensteckt, ist jedoch keine eindeutige Antwort möglich. Die Destabilisierung vonBeschäftigungsverhältnissen und insbesondere die im Zeitverlauf generell zunehmendeBeschleunigung von Betriebswechseln sind Indizien, die eher für einen Bedeutungszuwachs von"Arbeitskraftunternehmern" sprechen. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass zumindest dieDestabilisierung von Beschäftigung insgesamt kein kontinuierlicher Zeittrend ist,sondern die individuellen Arbeitsmarktakteure zu un-terschiedlichen Zeiten mal mehr,mal weniger von der Beschleunigung betroffen gewesen sind. Ferner weisen insbesondereUngelernte und Akademiker eine erhöhte Mobilität auf - aus unterschiedlichen Gründen und mitunterschiedlichen Folgen. Während qualifizierte Beschäftigte vermehrte Betriebswechselchancen undabnehmende Arbeitslosigkeitsrisiken aufweisen, erleben Ungelernte eine "doppelte Polarisierung".

(2) Die "doppelte Polarisierung" von Beschäftigungschancen und -risiken von Ungelerntenwurden detaillierten untersucht. Eigentlich wäre davon auszugehen, dass aufgrund der grundsätzlichverschlechterten Arbeitsmarktlage für Geringqualifizierte gerade diese Gruppe deutlichverschlechterte Chancen des Wiedereinstiegs in Beschäftigung, ein deutlich erhöhtesArbeitslosigkeitsrisiko und damit einhergehend eine abnehmende Beschäftigungsstabilitätaufweisen müsste. Die vorgenommenen empirischen Analysen haben jedoch gezeigt, dass Ungelernteeinem als "doppelte Polarisierung" zu charakterisierenden Phänomen ausgesetzt gewesen sind.Einige Geringqualifizierte sind durchaus auch in der Dienstleistungsgesellschaft (weiter)marktfähig, während andere in der Tat dauerhaft von Beschäftigung ausgeschlossen bleiben.Auch wenn die Ursachen und die Bedingungen dieser doppelten Polarisierung nicht genauidentifiziert werden konnten, spricht einiges dafür, dass auch im Segment der so genannten"einfachen Tätigkeiten" zunehmenden informelle Qualifikationen ("soft skills" wiez. B. Kommunikationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit etc.) an Bedeutung gewinnen.Es scheint so, als ob gerade die Verfügbarkeit solcher Fähigkeiten verstärkt den Erfolgund Misserfolg von Ungelernten bestimmt.

(3) Ferner hat sich das Projekt mit Fragen der Beschäftigungssicherheit befasst.Unter dem Eindruck von Massenentlassungen und steigenden Arbeitslosenquoten wird häufig vermutet,dass Arbeitsmarktmobilität zunehmend unfreiwillig insbesondere in Form arbeitgeberseitigerEntlassungen auftritt und freiwillige Mobilitätsprozesse demnach an Bedeutung verlören.Im Projekt wurde untersucht, inwiefern seit den 1980er Jahren arbeitgeberseitige Entlassungengegenüber arbeitnehmerseitigen Kündigungen zugenommen haben.Für Westdeutschland zeigt sich dabei, dass das Ausmaß unfreiwilliger Entlassungenim Zeitverlauf insbesondere durch konjunkturelle Einflüsse bestimmt gewesen ist.Jenseits dieser konjunkturellen Schwankungen lässt sich allerdings kein Bedeutungszuwachsarbeitgeberseitiger Entlassungen feststellen. Für Ostdeutschland wird hingegen deutlich,dass selbst nach Rückgang der einigungsbedingten Anfangsturbulenzen die Austritte ausBeschäftigung auf einem im Vergleich zu Westdeutschland sehr hohen Niveau verblieben.Der Anteil freiwilliger Austritte ist sehr niedrig, was ein Hinweis auf die schlechtenBeschäftigungschancen in Ostdeutschland ist. Im Unterschied zu den alten Bundesländernsind konjunkturelle Einflüsse von untergeordneter Bedeutung für das Austrittsgeschehen.Damit weist der ostdeutsche Arbeitsmarkt auch 15 Jahre nach der Wiedervereinigungeklatante Unterschiede zum westdeutschen Arbeitsmarkt auf, die sich nicht nur in höherenArbeitslosenraten, sondern auch in einer fundamental anderen Funktionsweise zeigen.

Publikationen zum Projekt

Erlinghagen, Marcel, 2006: The­ double polarisation of unskilled work: labour market mobility and job stability of unskilled employees in the course of time: evidence from German register data. Bochum: Ruhr-Univ.. Diskussionspapiere aus der Fakultät für Sozialwissenschaft Nr. 06-3 | Lesen

Erlinghagen, Marcel, 2006: ­The­ case of West Germany: flexibility and continuity in the German labour market. In: Christoph Köhler, Kyra Junge, Tim Schröder und Olaf Struck: Trends in employment stability and labour market segmentation: current debates and findings in Eastern and Western Europe, pp. 111–121

Erlinghagen, Marcel / Mühge, Gernot, 2006: How to measure job stability: a comparison of two mesurement concepts. In: Christoph Köhler, Kyra Junge, Tim Schröder und Olaf Struck: Trends in employment stability and labour market segmentation: current debates and findings in Eastern and Western Europe, pp. 146–162

Brussig, Martin / Erlinghagen, Marcel, 2005: Entlassungen und Kündigungen in den neuen Bundesländern. In: Berliner Debatte Initial 16 (2), S. 76-90

Erlinghagen, Marcel, 2005: Wie lange dauert es, bis Beschäftigte ihren Betrieb verlassen? Neue Ergebnisse zur Beschäftigungsstabilität in West-und Ostdeutschland. Gelsenkirchen: Inst. Arbeit und Technik. IAT-Report Nr. 2005-09 | Lesen

Erlinghagen, Marcel, 2005: Entlassungen und Beschäftigungssicherheit im Zeitverlauf: zur Entwicklung unfreiwilliger Arbeitsmarktmobilität in Deutschland. In: Zeitschrift für Soziologie 34 (2), S. 147-168

Brussig, Martin / Erlinghagen, Marcel, 2004: Entlassungen und Kündigungen in den Neuen Bundesländern: Austrittsmobilität auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt in den 1990er Jahren. Gelsenkirchen: Inst. Arbeit und Technik. Graue Reihe des Instituts Arbeit und Technik Nr. 01/2004 | Lesen

Erlinghagen, Marcel, 2004: Gewinnen arbeitgeberseitige Entlassungen an Bedeutung? Zur Entwicklung der Beschäftigungssicherheit auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Berlin: DIW. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung: Diskussionspapiere | Lesen

Knuth, Matthias, 2004: Flexibilisation of employment in the knowledge-based economy: empirical reality, thrilling menace or wishful thinking? In: International Industrial Relations Association: 5th Asian Regional Congress: Special session 3: Workshop for Public Labor Institutes – The 1st global labor forum: globalization, technological change and decent work; Saturday, June, 26, 2004, Azalea Hall (2F), Seoul Olympic Parktel, Seoul, Korea, pp. 55–81

Projektdaten

Laufzeit des Projektes
01.06.2004 - 30.06.2006

Forschungsabteilung

Leitung:
Prof. Dr. Marcel Erlinghagen

Bearbeitung:
Prof. Dr. Matthias Knuth, Jürgen Nordhause-Janz