Informationen zum Forschungsprojekt

Bedarfsorientierte Kinderbetreuung für Beschäftigte mit atypischen Arbeitszeiten am Beispiel des Gesundheitswesens



Ziel und Aufgabenstellung

Um Frauen eine angemessene Teilnahme am Erwerbsleben zu ermöglichen, wirdein Ausbau der Kinderbetreuung in Deutschland seit einiger Zeit verstärktgefordert. Im Mittelpunkt steht dabei meistens die Ausweitung von Ganztagsangebotenin ihrer bisherigen Struktur (etwa 7.30 Uhr bis 16.30 Uhr), was aber dem Bedarfnur teilweise entspricht: Immer mehr Beschäftigte arbeiten zu "atypischen"Zeiten - am späten Nachmittag, abends, nachts oder am Wochenende.

In den Gesundheits- und Pflegeberufen stellt sich dieses Problem in besonderemMaße - zu nennen sind beispielsweise Schichtarbeit in Krankenhäusern,Altenheimen und bei Pflegediensten oder die in den Abend hineinreichenden Öffnungszeitenvon Arztpraxen oder Therapieeinrichtungen. Der Frauenanteil in den nichtakademischenGesundheitsberufen beträgt in Nordrhein-Westfalen ca. 85 %, der Anteilder weiblichen Beschäftigten ist damit mehr als doppelt so hoch wie imakademischen Bereich. Bereits heute zeichnen sich Personalengpässe in denBereichen Kranken- und Altenpflege, aber auch im ärztlichen und therapeutischenBereich ab. Es gibt hohe Quoten von Berufsausteiger/inne/n, und Frauen zögernoft, nach einer "Kinderpause" in ihr altes Berufsfeld zurückzukehren,weil die Arbeitszeiten nicht mit den vorhandenen Kinderbetreuungsangeboten inÜbereinstimmung zu bringen sind. Flexible Betreuungsangebote könntensomit dazu beitragen, sowohl berufliche Perspektiven für Frauen zu eröffnenals auch dem Arbeitskräftemangel im Gesundheitswesen entgegenzuwirken.

Die Vormittagszeiten und zunehmend auch die Nachmittagsbetreuung bis ca. 16.00Uhr sind für Kindergarten- und Schulkinder inzwischen vielfach überöffentliche Angebote abzudecken. Die Kernfragestellung des hier skizziertenProjektes zielt daher darauf ab, Lösungsmodelle zu entwickeln, mit denennach Bedarf "zukaufbare" Betreuungsstunden organisiert und finanziertwerden können. Dabei geht es für alle Altersgruppen um Zeiten am spätenNachmittag, am Abend und evt. auch um eine Über-Nacht-Betreuung und darüberhinaus um spezielle Lösungen für unter Dreijährige. Ziel desProjektes war die Vorlage von Konzepten, die Gruppenangebote mit individuellnutzbaren Familiendiensten kombinieren und neue Angebote mit vorhandenen Betreuungseinrichtungenverzahnen sollten. Das Projekt wurde in enger Kooperation mit der RegionalstelleFrau und Wirtschaft in Recklinghausen durchgeführt, die die Umsetzung begleitenwird.

Vorgehen

Erfahrungen gerade von innovativen Kinderbetreuungsprojekten zeigen, dass siedie Unterstützung ihres regionalen Umfeldes brauchen und passgenau fürdie regionalen Rahmenbedingungen konzipiert werden müssen. Insofern wurdeim Projekt eine intensive Kooperation mit regionalen Akteuren angestrebt (bspw.Jugendämter, freie Träger von Tageseinrichtungen, Gesundheitswirtschaft,Arbeitsverwaltung). Darüber hinaus wurden Informationen sowohl überdie Rahmenbedingungen zur Entwicklung von Betreuungsangeboten als auch überinnovative Lösungen bereit gestellt. Durch die Kooperation mit der do.itProjektmanagement GmbH, einer aus dem Kinderhaus Rasselbande in Recklinghausenhervorgegangenen Beratungsagentur, konnte ein enger Praxisbezug gewährleistetwerden.

Im Zuge der Bedarfsermittlungen, die im Projekt vorgenommen wurden, stelltesich heraus, dass die prognostizierte Arbeitskräfteknappheit im Gesundheitswesenden Arbeitsmarkt in der Emscher-Lippe-Region noch nicht erreicht hat - im Gegenteil:In den meisten Segmenten ist eher ein Bewerberüberhang zu verzeichnen,der durch Einsparzwänge aufgrund der Gesundheitsreformen verschärftwird. Insbesondere bei kleinen Anbietern - bspw. Arztpraxen und freie Therapeuten- war daher kein personalwirtschaftliches Interesse an der Förderung vonKinderbetreuung festzustellen. Die Bereitschaft, sich mit dem Thema Kinderbetreuungauseinanderzusetzen, entsteht in der Regel erst dann, wenn bewährte Mitarbeiterinnen,die man gern halten möchte, diesbezügliche Probleme haben. Bei größerenArbeitgebern - etwa Krankenhäusern - sieht dies teilweise insofern andersaus, als man sich jenseits des akuten Personalbedarfs der Bedeutung von zufriedenstellenden Kinderbetreuungslösungen für die Motivation der Beschäftigtenbewusst ist. Bei einer Befragung von arbeitslosen Frauen zeigte sich, dass Arbeitgeberangesichts der Arbeitsmarktsituation in aller Regel nicht bereit sind, bei derEinstellung auf Bedürfnisse einzugehen, die mit der Betreuung von Kindernzusammen hängen. Frauen mit Kindern sind somit auf dem Arbeitsmarkt deutlichbenachteiligt, und unternehmensgestützte Lösungen sind in der aktuellenArbeitsmarktlage oft weit entfernt.

Aus diesem Grunde konzentrierte sich das Projekt darauf, Konzepte fürAngebote zu entwickeln, die in öffentlichen Einrichtungen zusätzlichermöglicht werden können (beispielsweise Spätnachmittags- undSamstagsgruppen in bestehenden Einrichtungen) oder die in Kooperation mit größerenBetrieben - bspw. Krankenhäusern - umgesetzt werden können. Die RegionalstelleFrau und Wirtschaft moderiert, wie geplant, die Umsetzung, wobei zunächstdie Entwicklung von Zusatzangeboten in bestehenden Einrichtungen im Mittelpunktsteht.

Darüber hinaus entstand während der Projektlaufzeit in Recklinghausendas im Rahmen der Initiative "Regionen Stärken Frauen" (LandNRW/Europäischer Sozialfonds) geförderte Projekt U.Fa.Flex (Unternehmen- Familie - Flexibilität), das eine Weiterführung der angestoßenenAktivitäten ermöglicht.

Publikationen zum Projekt

Micheel, Brigitte / Stöbe-Blossey, Sybille, 2005: Vereinbarkeit von Beruf und Familie – welche Angebotsstrukturen brauchen Kinder und Eltern heute? In: Zukunftsforum Familie: Lokale Bündnisse für Familie – eine Chance für bessere Arrangements in der Bildung, Erziehung und Betreuung? Dokumentation der Fachtagung am 28. Februar 2005 in Bonn und Handreichung für die fachliche Praxis, S. 6–21

Projektdaten

Laufzeit des Projektes
01.04.2004 - 30.06.2005

Forschungsabteilung

Leitung:
Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey

Bearbeitung:
Dr. Brigitte Micheel

Finanzierung:
Versorgungsamt Gelsenkirchen