Informationen zum Forschungsprojekt

Nachhaltigkeit von Arbeit und Rationalisierung



Ziel und Aufgabenstellung

In der gegenwärtigen Phase der Globalisierung stellen die hohe Komplexitätund Dynamik des Marktgeschehens Organisationen vor hohe Flexibilitätsanforderungen.Im Bestreben, diesen Anforderungen gerecht zu werden, lassen sich u. a.folgende Entwicklungstrends von Arbeit, insbesondere auch von hoch qualifizierterKopfarbeit, beobachten:

  • "Subjektivierung beschreibt eine neue Logik der Arbeitskraftnutzung. ImUnterschied zur früher vorherrschenden Objektivierung, zur Transformation vonpersonengebundenem Erfahrungswissen in allgemeingültiges Planungswissen,werden zunehmend subjektive Potentiale und Kompetenzen von Personen undGruppen aktiviert und umfassend genutzt sowie Herrschaft und Kontrolle inSelbstbeherrschung und -kontrolle verwandelt.
  • "Entgrenzung von Arbeit beschreibt dabei Tendenzen, denen zufolge es immerweniger möglich ist, Arbeitsaufgaben und -prozesse in sachlicher, zeitlicherund örtlicher Hinsicht präskriptiv festzulegen, weil sie in hohem Maße kontext-und prozessabhängig sind.

Diese Entwicklungstrends sind als Herausforderungen an eine bislangvornehmlich an der Objektivierung von Arbeit orientierter Arbeitsforschung zuverstehen. Das Verbundvorhaben ist dementsprechend als im Wesentlichen theoretischerund konzeptioneller Beitrag zu einer zukunftsfähigen Arbeitsforschung angelegt,die sich diesen neuen Herausforderungen stellt. Es basiert auf einerressourcenzentrierten Sicht auf Arbeit und hat die nachhaltige Gestaltung vonArbeit unter den Bedingungen der Subjektivierung und Entgrenzung im Auge.Methodologisch knüpft es an Konzepte reflexiver Arbeitsforschung und anrelationale Begriffsbildung an:

Reflexive Arbeitsforschung sieht Veränderungen von Arbeit als wesentlichselbstbezüglich an und betont zugleich, angesichts unvermeidbarer, freilichunbeabsichtigter Nebenfolgen, die Notwendigkeit wiederkehrender Reflexion derjeweils erreichten Arbeitsprozesse.

Relationale Begrifflichkeit beruht auf der Einsicht, dass zentrale Begriffein dieser Sichtweise nur relational gebildet werden können. So kann etwa dieNachhaltigkeit von Ressourcen nur im Verhältnis zu den Anforderungen verstandenund beurteilt werden.

Ziel des Projektes war es, Bedingungen und Möglichkeiten nachhaltigerArbeitsgestaltung bei hoch qualifizierter, wissensintensiver Projektarbeitzu untersuchen (einem sich rasch verbreitenden Typ von Arbeit, in dem dieneuen Herausforderungen besonders ausgeprägt sind).

Das Vorhaben untergliederte sich in drei zeitlich aufeinander abfolgende Projektschritte,

(1) der Entwicklung eines ressourcenorientierten Belastungskonzeptes für neuartige Formen der Wissensarbeit,

(2) der Konzeption entsprechender Analysemethoden, sowie

(3) einer Umsetzung des Analysekonzeptes im empirischen Feld.

Für alle drei Teilbereiche liegen Publikationen vor.

Vorgehen bei der empirischen Untersuchung

Die empirische Untersuchung erfolgte anhand von sieben Fallstudien in vierUnternehmen der IT-Branche. Gegenstand der Untersuchung waren Projektgruppen inden Bereichen Softwareentwicklung und -beratung sowie Internetdienstleistungen.

Bausteine der Methodik bildeten:

  • 15 Expertengespräche mit Managementvertretern, Projektleitern und Betriebsräten
  • Gruppendiskussionen mit Mitarbeitern aus sieben Projektgruppen (N=37)
  • Befindenstagebücher, die die Projektmitarbeiter über einen Zeitraum von16 Monaten im Hinblick auf ihre Belastungs- und Beanspruchungssituation ausfüllten, sowie
  • schriftliche Befragungen der untersuchten Projektmitarbeiter zu gesundheitlichenBeschwerden und Burnout sowie zur Bewertung des wirtschaftlichen Projekterfolges.

Mehrfache Feedbackgespräche mit den Teilnehmern, Managementvertretern undBetriebsräten waren ebenfalls Bestandteil des Forschungsdesigns.

Ergebnisse der empirischen Untersuchung

Die Ergebnisse des Projektes lassen sich in folgenden Kernaussagen zusammenfassen:

  • Im Hinblick auf die Belastungs- und Beanspruchungssituation wiesen dieuntersuchten Projektmitarbeiter ein deutlich erhöhtes gesundheitliches Risikoauf. 42 % der Befragten fühlten sich beispielsweise von ihrer Arbeit erschöpft,jeder Vierte glaubte, die derzeitigen Leistungsanforderungen auf Dauer nichtdurchhalten zu können. Im Vergleich zu anderen Beschäftigtengruppen berichtetendie untersuchten Projektmitarbeiter darüber hinaus deutlich häufiger überMüdigkeitsgefühle, Nervosität und Schlafstörungen.
  • Als zentrale Belastungsfaktoren konnten vor allem widersprüchlicheArbeitsanforderungen identifiziert werden, die zu Zeitdruck, Arbeitsunterbrechungen,Zusatzaufwand und überlangen Arbeitszeiten führten. Hauptursachen für das Erlebenvon Stress stellten Mehrstellenarbeit, widersprüchliche Anforderungen von Kundenund Vorgesetzten, fehlende Entscheidungen auf der Managementebene,aufgabenunangemessene Hard- und Software und fehlende Beistellungen von Kunden dar.
  • Zu einer Manifestierung von Belastungen kam es vor allem dort, wo denMitarbeitern ein ausreichender Einfluss auf die Gestaltung ihrer Arbeitssituation(z. B. den Einfluss auf Terminvorgaben) verwehrt war. Das Ausmaß desHandlungsspielraumes bei der Arbeitsausführung hatte dagegen keinen positivenEinfluss auf die Beanspruchungssituation.
  • Wie gesund, lernfähig und motiviert Projektmitarbeiter sind, war maßgeblichvon den betrieblichen Aktivitäten zum Human Ressources Management abhängig:Beschäftigte in Unternehmen mit einem mitarbeiterorientierten Human RessourcesManagement (HRM), litten signifikant weniger unter psychischer Erschöpfung,Desillusionierung und Lernproblemen. Sie schätzten zudem ihre aktuelleLeistungsfähigkeit und den wirtschaftlichen Erfolg ihrer Projekte deutlichpositiver ein als Beschäftigte in Unternehmen mit einem weniger ausgeprägtem HRM.
  • Die Dauer der psychischen Anspannung, der Projektbeschäftigte im Projektverlaufausgesetzt waren, hatte ebenfalls einen maßgeblichen Einfluss auf die Entstehungvon Burnout. Mitarbeiter, die länger als zwei Monate hintereinander unter Stressstanden, litten deutlich häufiger unter Burnout-Symptomen als Mitarbeiter, dieweniger lang unter Stress standen. Daraus folgt, dass regelmäßige Erholungspausenbei der Arbeit zur Prävention von Burnout und Stress deutlich wirksamer sind alsAngebote von Blockurlaubszeiten oder Sabbaticals nach intensiven Arbeitsphasen.

Siehe auch:

http://www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/bwl9/NAR/index.html

Publikationen zum Projekt

Latniak, Erich / Gerlmaier, Anja, 2007: Belastung bei kooperativer Innovationsarbeit. In: Joachim Ludwig, Manfred Moldaschl, Martin Schmauder und Klaus Schmierl: Arbeitsforschung und Innovationsfähigkeit in Deutschland. Arbeit, Innovation und Nachhaltigkeit ; 9, S. 147–156

Gerlmaier, Anja / Latniak, Erich, 2006: Wenn der Akku leer ist: gesundheitliche Auswirkungen flexibler Formen der Wissensarbeit. In: FIfF-Kommunikation 23 (1), S. 35-37

Latniak, Erich / Gerlmaier, Anja, 2006: Zwischen Innovation und alltäglichem Kleinkrieg: zur Belastungssituation von IT-Beschäftigten. Gelsenkirchen: Inst. Arbeit und Technik. IAT-Report Nr. 2006-04 | Lesen

Gerlmaier, Anja, 2005: Projektarbeit - terra incognita für den Arbeits- und Gesundheitsschutz? In: WSI-Mitteilungen 58 (9), S. 498-503 | Lesen

Gerlmaier, Anja / Latniak, Erich, 2005: Nachhaltige Arbeitsgestaltung von Projektarbeit im IT-Bereich: Ansatzpunkte und Grenzen. In: Lutz Packebusch, Birgit Weber und Sandra Laumen: Psychologie der Arbeitssicherheit und Gesundheit: Prävention und Nachhaltigkeit, S. 13. Workshop 20

Gerlmaier, Anja / Latniak, Erich, 2005: Eine Bilanz gesunder Mitarbeiter. In: Personalwirtschaft 32 (7), S. 24-26

Gerlmaier, Anja / Latniak, Erich, 2005: Widersprüchliche Arbeitsanforderungen bei Projektarbeit: ein ressourcenorientierter Ansatz der Belastungsanalyse. In: Gesellschaft für Arbeitswissenschaft e.V.: Personalmanagement und Arbeitsgestaltung: Bericht zum 51. Kongress der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft vom 22.–24. März 2005, S. 419–422

Latniak, Erich / Gerlmaier, Anja, 2005: Nachhaltige Gestaltung von wissensintensiver Arbeit: Möglichkeiten und Grenzen. In: Gesellschaft für Arbeitswissenschaft e.V.: Personalmanagement und Arbeitsgestaltung: Bericht zum 51. Kongress der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft vom 22.–24. März 2005, S. 377–380

Latniak, Erich / Gerlmaier, Anja / Voss-Dahm, Dorothea / Brödner, Peter, 2005: Projektarbeit und Nachhaltigkeit: Intensität als Preis für mehr Autonomie? In: Manfred Moldaschl: Immaterielle Ressourcen: Nachhaltigkeit von Unternehmensführung und Arbeit I, S. 281–314

Gerlmaier, Anja, 2004: Projektarbeit in der Wissensökonomie und ihre Auswirkungen auf die Work Life Balance. In: Michael Kastner: ­Die­ Zukunft der Work Life Balance: wie lassen sich Beruf und Familie, Arbeit und Freizeit miteinander vereinbaren?, S. 282–304

Latniak, Erich / Gerlmaier, Anja, 2004: Challenges of work design: the changing role of direct participation. In: Francesco Garibaldo und Volker Telljohann: Globalization, company strategies and quality of working life in Europe, pp. 181–202

Vorträge zum Projekt

Dr. Anja Gerlmaier: Burnout in der Projektarbeit – Ansatzpunkte der Prävention. IG Metall Betriebsräteseminar. Gäufelden, IG Metall Stuttgart, 17.11.2007

Dr. Anja Gerlmaier, Dr. Erich Latniak: Zwischen Innovation und alltäglichem Kleinkrieg - Zur Belastungssituation von IT-Beschäftigten. IT-Fachtagung Arbeiten Just In Time - Arbeitszeitgestaltung für IT Beschäftigte. Hannover, IG-BCE-Hauptverwaltung, 03.05.2007  Vortragsfolien

Dr. Erich Latniak, Dr. Anja Gerlmaier: Belastungen und Beanspruchungen in der IT-Arbeit. Mobile Arbeit - kompetent und gesund?. DASA, Dortmund, TBS NRW, 26.02.2007

Projektdaten

Laufzeit des Projektes
01.04.2002 - 30.06.2005

Forschungsabteilung

Leitung:
Dr. Erich Latniak,Dr. Anja Gerlmaier

Bearbeitung:
Dr. Peter Brödner,Dr. Anja Gerlmaier,Dr. Erich Latniak

Finanzierung:
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)