Informationen zum Forschungsprojekt

Stellenbesetzungsprozesse im Bereich 'einfacher' Dienstleistungen



Ziel und Aufgabenstellung

Angesichts eines hohen Anteils von gering Qualifizierten an den Arbeitslosen richten sich große beschäftigungspolitische Hoffnungen auf den Bereich der so genannten "einfachen Dienstleistungen". Hier werden erhebliche Beschäftigungspotenziale gesehen, dessen Erschließung jedoch von falsch gesetzten Anreizen im Sozialsystem (geringe Unterschiede zwischen erzielbaren Nettolöhnen und Transferzahlungen) blockiert werde.

Vor diesem Hintergrund wurden in den vergangenen Jahren unterschiedliche Formen von Kombilöhnen erprobt, an deren Evaluierung das IAT teilweise beteiligt war (vgl. Projekt CAST). Die erreichten Fallzahlen blieben allerdings durchgängig hinter den Erwartungen zurück. Gespräche, die im Rahmen der Evaluierung des Mainzer Modells in Unternehmen geführt wurden, deuteten bereits darauf hin, dass die Problematik der Stellenbesetzung im Niedriglohnbereich vielschichtiger ist als oftmals angenommen wird. So wurde in den befragten Betrieben beispielsweise eher selten auf einen generellen Mangel an Bewerber/innen verwiesen. Häufiger wurde beklagt, dass Bewerber/innen teilweise nicht die erforderlichen Voraussetzungen für die zu besetzenden Stellen mitbringen. Auch die Ergebnisse einiger anderer Untersuchungen in verschiedenen Branchen verweisen darauf, dass die tief greifenden Veränderungen der Arbeitswelt inzwischen auch die so genannte "einfache Arbeit" erfasst haben und zu steigenden Qualifikationsanforderungen der Betriebe führen.

Im Projekt STEP wurden diese Hinweise, die zuvor eher Nebenprodukt von Forschungsprojekten waren, zum Anlass genommen für eine systematische empirische Untersuchung von Stellenbesetzungsprozessen im Bereich einfacher Dienstleistungen. Damit haben wir uns einem Teilbereich des Arbeitsmarktes gewidmet, der in der Diskussion zum Wandel von Erwerbsarbeit bislang eher am Rande behandelt wurde. Auch hier - so eine Ausgangsthese des Projektes - sind jedoch Wandlungsprozesse im Gange, die einer näheren Analyse bedürfen.

Die Untersuchung soll Aufschluss geben

  • über die Merkmale einfacher Dienstleistungsarbeit, ihre Veränderungen und daraus resultierende Anforderungen an Bewerber/innen,
  • über Probleme bei der Stellenbesetzung in diesem Bereich,
  • über Strategien der Unternehmen, um Besetzungsprobleme zu vermeiden oder zu verringern, und
  • über die Chancen von formal gering Qualifizierten, in diesem Arbeitsmarktsegment beschäftigt zu werden.

Vorgehen

Die Komplexität des Gegenstandes erforderte einen Mix aus quantitativen und qualitativen Methoden. Kern des quantitativen Untersuchungsteils zur Beschäftigungsentwicklung von formal gering Qualifizierten waren Auswertungen der IAB-Beschäftigtenstichprobe (1975 bis 1995) sowie des Beschäftigtenpanels der Bundesagentur für Arbeit (1999-2002). Im Mittelpunkt des qualitativen Untersuchungsteils standen 25 Betriebsfallstudien in ausgewählten Dienstleistungsbranchen mit einem vergleichsweise hohen Anteil von Arbeitsplätzen für Un- und Angelernte: Gebäudereinigung, Handel, Hotels und Pflege.

Ausgewählte Ergebnisse

Die quantitativen Auswertungen haben gezeigt, dass die Zahl formal gering Qualifizierter unter den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Westdeutschland zwischen 1980 und 2002 um rund 40 % auf 3,5 Millionen zurückgegangen ist. Gleichzeitig hat sich der Anteil formal gering Qualifizierter von 30 % im Jahre 1980 auf 16,8 % im Jahre 2002 fast halbiert. Der stärkste Rückgang vollzog sich allerdings zwischen 1980 und 1995, während vor allem zwischen 1999 und 2002 eher eine Stagnation festzustellen ist. Differenzierte Auswertungen für einzelne Wirtschaftszweige und Berufe haben zudem gezeigt, dass es gegen den allgemeinen Trend durchaus auch Tätigkeiten gibt, in denen gering Qualifizierte in den letzten Jahren Beschäftigungsgewinne zu verzeichnen haben (z.B. in den Bereichen unternehmensnahe, haushalts- und personenbezogene Dienstleistungen sowie Infrastrukturdienstleistungen).

Informationen darüber, von welchen Faktoren es abhängt, ob formal gering Qualifizierte eingestellt werden, ließen sich den ausgewerteten Datenquellen jedoch nicht entnehmen. Hier setzten die Betriebsfallstudien an, die gezeigt haben, dass das Anforderungsprofil der Unternehmen auch für die untersuchten einfachen Tätigkeiten breiter und differenzierter ist, als oftmals unterstellt wird: Gefordert werden je nach Art der Tätigkeit körperliche Fitness und ein ansprechendes äußeres Erscheinungsbild, Schlüsselqualifikationen, Leistungsbereitschaft, gute Deutschkenntnisse, Fachkompetenzen, Berufserfahrung und nicht selten auch eine (ggf. fachfremde) Berufsausbildung. Selbst wenn ein Berufsabschluss nicht zwingend erforderlich ist, werden oftmals trotzdem qualifizierte Bewerber/innen bevorzugt, weil eine abgeschlossene Berufsausbildung mangels anderer verlässlicher Auswahlkriterien als Signal für Eignung und Durchhaltevermögen genutzt wird. Obwohl die Anforderungen also keineswegs gering sind, berichtete keines der beteiligten Unternehmen von gravierenden Besetzungshemmnissen. Beklagt wurde vielmehr häufig eine wahre "Bewerbungsflut", die nicht wenige Unternehmen dazu veranlasst hat, offene Stellen nicht der öffentlichen Arbeitsvermittlung zu melden, sondern vorrangig interne Rekrutierungswege zu nutzen, was tendenziell dazu führt, dass Arbeitslose seltener von solchen Stellenangeboten erfahren.

Auf der Basis der Projektergebnisse konnten einige Ansatzpunkte für die Arbeitsvermittlung und die Arbeitsmarktpolitik identifiziert werden, um die Wiedereingliederung von gering Qualifizierten gezielter zu fördern. Die Chancen, dies über Kombilöhne zu erreichen, stehen jedoch eher schlecht. Eine Verbesserung der Arbeitsmarktsituation von gering Qualifizierten dürfte letztlich am ehesten zu erreichen sein, wenn die Beschäftigung insgesamt - also auf allen Qualifikationsebenen - gesteigert wird, weil dies dazu beitragen könnte, die Verdrängung von gering Qualifizierten auf Arbeitsplätzen mit eher niedrigen Anforderungen durch qualifiziertere Personen zu verringern.

Publikationen zum Projekt

Hieming, Bettina / Jaehrling, Karen / Kalina, Thorsten / Vanselow, Achim / Weinkopf, Claudia, 2006: Der Arbeitsmarkt für "einfache" Dienstleistungstätigkeiten: Beschäftigungschancen für gering Qualifizierte? In: Sozialer Fortschritt 55 (8), S. 208-214

Weinkopf, Claudia, 2006: "Einfache" Dienstleistungsarbeit – ist sie tatsächlich einfach? In: Deryk Streich und Dorothee Wahl: Moderne Dienstleistungen Impulse für Innovation, Wachstum und Beschäftigung. Beiträge der 6. Dienstleistungstagung des BMBF, S. 249–256

Weinkopf, Claudia, 2006: Braucht Deutschland zusätzliche Kombilöhne? In: Intervention 3 (2), S. 201-209

Weinkopf, Claudia, 2006: Kombilöhne - kein Patentrezept für den Arbeitsmarkt. In: Soziale Sicherheit 55, S. 98-103

Hieming, Bettina / Jaehrling, Karen / Kalina, Thorsten / Vanselow, Achim / Weinkopf, Claudia, 2005: Stellenbesetzungsprozesse im Bereich "einfacher" Dienstleistungen: Abschlussbericht einer Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit. Berlin: Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit. BMWA-Dokumentation

Hieming, Bettina / Jaehrling, Karen / Vanselow, Achim, 2005: Personalarbeit bei einfachen Dienstleistungen - (k)ein Problem? In: Jahrbuch 2005, S. 185–203

Jaehrling, Karen / Weinkopf, Claudia, 2005: Low-skill work in flux. In: Management Revue 16 (3), pp. 389-403 | Lesen

Kalina, Thorsten / Voss-Dahm, Dorothea, 2005: Mehr Minijobs = mehr Bewegung auf dem Arbeitsmarkt? Fluktuation der Arbeitskräfte und Beschäftigungsstruktur in vier Dienstleistungsbranchen. Gelsenkirchen: Inst. Arbeit und Technik. IAT-Report Nr. 2005-07 | Lesen

Kalina, Thorsten / Weinkopf, Claudia, 2005: Beschäftigungsperspektiven von gering Qualifizierten: Gewinne in einigen Dienstleistungsbereichen bei negativem Gesamttrend. Gelsenkirchen: Inst. Arbeit und Technik. IAT-Report Nr. 2005-10 | Lesen

Weinkopf, Claudia / Jaehrling, Karen, 2005: Stellenbesetzungsprobleme bei "Einfacharbeitsplätzen bzw. Niedriglohnjobs". In: Thomas Hoffmann: Einfache Arbeit für gering Qualifizierte: Material und Handlungshilfen. Fachinformation Bd. 2, S. 20–21

Jaehrling, Karen, 2004: Political reforms in the domestic service sector: aims and impact. In: Antoinette Fauve-Chamoux: Domestic service and the formation of European identity: understanding the globalization of domestic word, 16th–21st centuries, pp. 235–246

Jaehrling, Karen, 2004: Wissen in der Wissensgesellschaft. In: Institut Arbeit und Technik: Jahrbuch 2003/2004, S. 136–152

Vorträge zum Projekt

Dr. Claudia Weinkopf: Zukunft der einfachen Erwerbsarbeit in Deutschland. Incube - EQUAL Abschlusstagung "Neue Jobs in Neuen Märkten" . Hotel Stuttgarter Hof, Berlin, MIG GmbH in Kooperation mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Integrationsfirmen, 15.11.2007

Projektdaten

Laufzeit des Projektes
01.09.2003 - 30.06.2005

Forschungsabteilung

Bearbeitung:
Dr. Karen Jaehrling,Dr. Thorsten Kalina, Achim Vanselow,Dr. Claudia Weinkopf, Bettina Hieming

Finanzierung:
Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit