Informationen zum Forschungsprojekt

Promoting Decent Work through Public Procurement in Cleaning and Private Security Services

Ziel und Aufgabenstellung

Das Forschungsprojekt untersucht neue Formen des sozialen Dialogs und der Arbeitsmarktregulierung rund um das Thema der sozial verantwortlichen Auftragsvergabe. Die überarbeiteten europäischen Vergaberichtlinien aus dem Jahr 2014 haben die Bemühungen der EU-Mitgliedsstaaten begleitet und unterstützt, öffentliche Aufträge nicht länger vorrangig nach dem niedrigsten Preis zu vergeben, sondern qualitative und soziale Kriterien zu berücksichtigen.

Die neue Norm der sozial verantwortlichen Auftragsvergabe kann jedoch in Konflikt geraten mit den Zielen und Beschränkungen des Wettbewerbsrechts sowie mit finanziellen Restriktionen und Zielen des Schuldenabbaus, die in vielen europäischen Ländern auch infolge der Covid-19-Pandemie erneut an Bedeutung gewinnen dürften. Darüber hinaus erfordert die Entwicklung einer sozialverantwortlichen Steuerung der öffentlichen Lieferketten, dass die Akteure mit neuen Formen der interorganisatorischen Koordination und Kontrolle "experimentieren", die die traditionellen Formen des kollektiven Interessenausgleichs und der Arbeitsmarktregulierung ergänzen.

Das vorliegende Projekt untersucht die "organisatorischen und institutionellen Experimente" (Murray et al. 2020), die Sozialpartner, öffentliche Auftraggeber, zivilgesellschaftliche Organisationen, staatliche Stellen und multinationale Unternehmen entwickeln, um gute und menschenwürdige Arbeit (decent work) mithilfe der öffentlichen Auftragsvergabe sicherzustellen, sowie die Herausforderungen, denen sie sich gegenübersehen. Konkret geht das Projekt auf die folgenden Fragen ein:

  1. Schutzlücken und Ziele: Welches sind die wichtigsten Schutzlücken für Beschäftigte, die durch etablierte Formen der Arbeitsregulierung nicht ausreichend addressiert werden und die daher von neuen ‚Experimenten‘ zur sozialverantwortlichen Auftragsvergabe profitieren würden?     
  2. Strategien: Welche Instrumente und Ressourcen setzen die Akteure zu diesem Zweck ein; inwieweit versuchen sie, Allianzen zu bilden?
  3. Lernprozesse:  Welche Art von Konflikten und Hindernissen treten in diesem Prozess auf und wie gehen die Akteure damit um?
  4. Institutionelle Restriktionen und Unterstützung: Welche Rolle spielen regulative und budgetäre Zwänge? Inwieweit hat das neue EU-Vergaberecht neue ‘Experimente‘ angeregt? Inwieweit hemmen subnationale, nationale und europäische Gesetzgebung und Rechtsprechung eine Stabilisierung von Experimenten oder zwingen Akteure, ihre Strategien anzupassen?

Vorgehen

Die Untersuchung geht diesen Fragen mittels Erhebung und Auswertung qualitativer Daten auf europäischer Ebene und in sechs europäischen Ländern nach: Dänemark, Frankreich, Deutschland, Italien, Polen und das Vereinigte Königreich. Der Kern der empirischen Untersuchung besteht aus Expert*innen-Interviews und lokalen Fallstudien in diesen sechs Ländern.

Wie frühere Studien zeigen, sind die unterschiedlichen Auswirkungen der europäischen Politik und Rechtsprechung auf die Gesetzgebung und Praxis der sozialverantwortlichen Auftragsvergabe in den Mitgliedstaaten eng mit den unterschiedlichen Modellen der Arbeitsbeziehungen in diesen Ländern verbunden. Wir gehen davon aus, dass diese Wechselwirkung zwischen den Modellen der Arbeitsbeziehungen und dem öffentlichen Beschaffungswesen auch die aktuellen und künftigen Anpassungen der nationalen Politiken und Praktiken an den veränderten europäischen Regelungskontext beeinflusst. Die Einbeziehung des Vereinigten Königreichs in die Länderstichprobe bietet die Chance, die Veränderungen in einem regulatorischen Kontext zu untersuchen, der sich außerhalb des Geltungsbereichs des europäischen Vergaberechts bewegt. Durch die Einbeziehung von Ländern aus Nord-, Süd-, und Osteuropa spiegelt die Länderauswahl auch wichtige Unterschiede innerhalb Europas in Bezug auf die wirtschaftlichen Bedingungen wider.

Der Schwerpunkt der empirischen Analyse liegt auf zwei Branchen: Sicherheitsdienstleistungen und Gebäudereinigung. In beiden Branchen kann die öffentliche Auftragsvergabe potenziell eine wichtige Rolle bei der Gewährleistung guter Arbeitsbedingungen spielen, da ein großer Teil der Arbeitsplätze in diesen Branchen durch öffentliche Aufträge abgedeckt ist. Im Reinigungsgewerbe sind überproportional viele Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund beschäftigt; 85 Prozent der Beschäftigten im Sicherheitsgewerbe sind Männer. In vielen EU-Mitgliedstaaten gehören sie zu den am schlechtesten bezahlten Arbeitnehmern. Vor diesem Hintergrund haben die Sozialpartner beider Branchen auf europäischer Ebene (EFCI, CoESS & UNI Europa) ihre jeweiligen "Best Value Guides" entwickelt, um soziale und qualitative Kriterien bei der Auftragsvergabe uu fördern (siehe http://www.securebestvalue.org/ and http://www.cleaningbestvalue.eu/uploads/1/6/7/9/16796136/en_cleaningbestvalueguide.pdf).

Projektbeteiligte

Die Gesamtkoordination für das Projekt liegt bei Mark Bergfeld, Direktor der UNI Europa Abteilung ‚Property Services‘. Die wissenschaftliche Leitung des Projekts übernimmt Karen Jaehrling vom IAQ der Universität Duisburg.

Das Vorgehen zeichnet sich durch eine enge Zusammenarbeit zwischen europäischen Arbeitgeberverbänden (CoESS, EFCI) und Gewerkschaften (UNI Europa) sowie den Forschungseinrichtungen in den sechs Ländern aus. Alexander Frank, Leiter für EU-Angelegenheiten bei CoESS, wird die Beziehungen zwischen CoESS, den Arbeitgeberorganisationen auf nationaler Ebene und den Forschungsteams der sechs Länder koordinieren.

Das Forschungsteam setzt sich aus den folgenden Personen zusammen:

Karen Jaehrling

Abteilungsleiterin, IAQ/Universität Duisburg-Essen (Wissenschaftliche Projektleitung)

Daniela Böhringer Wissenschaftliche Mitarbeiterin, IAQ, University of Duisburg-Essen

Bjarke Refslund

Associate Professor, Aalborg University, Denmark

Trine Pernille Larsen

Associate Professor, Copenhagen University, Denmark

Jens Arnholtz

Associate Professor, Copenhagen University, Denmark

Aristea Koukiadaki

Professor, University of Manchester, UK

Stephen Mustchin

Senior Lecturer University of Manchester, UK

Damian Grimshaw

Professor, Kings College London, UK

Julie Valentin

Maître de conférences, Université de Paris-Sorbonne I, France

Francois-Xavier Devetter

Professor, Université de Lille, France

Anna Mori Assistant Professor, University of Milano, Italy
Roberto Pedersini Professor, University of Milano, Italy
Lisa Dorigatti Associate Professor, University of Milano, Italy

Jan Czarzasty

Associate Professor, Warsaw School of Economics, Poland

Katarzyna Duda

Social policy advisor, OPZZ, Poland

Vorträge zum Projekt

Dr. Karen Jaehrling: Invited Speaker (Time Slot: 15:10 – 15:20; comment: 16:11 – 16:13). "The social impact of public procurement, including sub-contracting – can the EU do more?” Public hearing / European Parliament Committee on Employment and Social Affairs (EMPL), Brüssel, 25.10.2023  Weitere Informationen

Dr. Karen Jaehrling: Better work in outsourced public services in Europe: Experimentation and the contradictory trends. 41st Conference of the International Working Party on Labour Market Segmentation, 14 – 16 September, Paris, 15.09.2023  Weitere Informationen

Dr. Karen Jaehrling, Jan Dannenbring (ZDH) Nermin Fazlic (BMAS), Stefan Körzell (DGB): „Podiumsdiskussion zum Bundestariftreuegesetz“. Vergabetagung am 12. Mai 2023 Öffentlicher Auftrag? Nur mit Tarif! Countdown zum Bundestariftreuegesetz. Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) und Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), 12.08.2023  Weitere Informationen

Dr. Karen Jaehrling: Mehr als ein Mindestlohn – Ansatzpunkte für faire Entlohnung bei der Vergabe von Aufträgen und Zuwendungen in der Weiterbildungsbranche. Fachtagung "Tarifbindung im öffentlich geförderten Sektor aus Sicht der Politik, Wissenschaft und Praxis", Berlin / Virtuell, 17.11.2022

Dr. Karen Jaehrling: Promoting Decent Work through Public Procurement in Private Security Services. European Sectoral Social Dialogue for the Private Security Services, Brussels, 10.11.2022

Dr. Karen Jaehrling: App-Based Intermediaries in Domestic and Cleaning Work in Europe . CRIMT 2022 International Conference: Better Work for a Better Society. Montreal, 27.-29.10.2022, 27.10.2022  Weitere Informationen

Dr. Karen Jaehrling: Variegated de-marketization': manifestations and dynamics of extra-neoliberal politics and practices. CRIMT 2022 International Conference: Better Work for a Better Society. Montreal, 27.-29.10.2022, 27.10.2022  Weitere Informationen

Dr. Karen Jaehrling, Dr. Daniela Böhringer, Julie Valentin, François-Xavier Devetter: Co-Management of the labour process – How public purchasing authorities, companies and social partners negotiate working schedules and work intensity in the cleaning industry. CRIMT 2022 International Conference: Better Work for a Better Society. Montreal, 27.-29.10.2022, 27.10.2022  Weitere Informationen

Dr. Karen Jaehrling, Anna Mori, Bjarke Refslund: Securing the Enforcement of Labour Standards in the Public Supply Chain. CRIMT 2022 International Conference: Better Work for a Better Society. Montreal, 27.-29.10.2022, 27.10.2022  Weitere Informationen

Dr. Karen Jaehrling: Variegated de-marketization': manifestations and dynamics of extra-neoliberal politics and practices. Industrial relations and the Green Transition; towards inclusive and sustainable growth. 13th European Regional Congress of the International Labour and Employment Relations Association (ILERA), Barcelona, 8–10 September 2022, 10.09.2022  Weitere Informationen

Veranstaltungen zum Projekt

01.12.2023

Öffentliche Aufträge und gute Arbeit. Abschlussworkshop PROCURFAIR. Virtuell.

Dr. Karen Jaehrling präsentiert zentrale Befunde aus den sechs am Projekt beteiligten Ländern sowie Beispiele für Vergabepraktiken, die auf eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in beauftragten Firmen zielen. Ein besonderer Fokus liegt auf dem Thema ‚Kontrollen‘. Als Gast wird daher auch Dr. Bjarke Refslund vom dänischen Forschungsteam (Univ. Aalborg) über die verschiedenen Ansätze zur Kontrolle von ‚labour clauses‘ in öffentlichen Aufträgen in Dänemark berichten. Wir bitten um Anmeldung bis Montag, 27.11. bei Monika Spies: monika.spies@uni-due.de


(Ansprechpartner*in: Dr. Karen Jaehrling).

Veranstaltungen zum Projekt

16.11.2023

PROCURFAIR CONFERENCE - Promoting Decent Work through Public Procurement in Cleaning & Private Security. Bruxelles, Belgium. Flyer,

Public money for 'decent work' only - this demand has recently been addressed to public procurement policy and practice in many European countries and has triggered legal reforms and new procurement practices. A current example in the German debate is the announced Federal Act on prevailing wages (Bundestariftreuegesetz); similar pay clauses are already widespread in other countries. Other problems have also been addressed by contracting authorities: how can we prevent employees' working conditions from deteriorating or them even losing their jobs if the contract is awarded to another company? How can better working hours be made possible for employees of contracted companies or how can the use of atypical employment relationships be minimized? And how can we ensure that the contracted companies actually comply with labor law and collective agreements and that these are not effectively undermined by subcontractors? What is the role of trade unions and employers in this context? These are the questions addressed by the European research project PROCURFAIR, coordinated by the IAQ, jointly with UNI Europa, which examined the development of procurement laws and practices in six European countries. The results of the project will now be presented to the public on November 16 in Brussels and discussed with experts from politics, social partners and academia.


(Ansprechpartner*in: Dr. Karen Jaehrling).

Projektdaten

Laufzeit des Projektes
01.10.2021 - 30.09.2023

Forschungsabteilung
Flexibilität und Sicherheit

Leitung:
Dr. Karen Jaehrling

Bearbeitung:
Dr. Daniela Böhringer

Finanzierung:
EU DG Employment and Social Affairs