Informationen zum Forschungsprojekt

Fortführung und Vertiefung der Evaluation des Saison-Kurzarbeitergeldes

Ziel und Aufgabenstellung

Die Bauwirtschaft ist im Vergleich zu vielen anderen Branchen durch eine hohe Arbeitsplatzunsicherheit geprägt, die Folge der starken Konjunkturabhängigkeit der Branche sowie der besonderen Unternehmensstruktur ist. Da in der Bauwirtschaft überwiegend kleine und mittlere Unternehmen anzutreffen sind, die selten mehrere große Aufträge gleichzeitig abarbeiten können und nur geringe interne Puffer haben, kommt es bei witterungsbedingten Arbeitsausfällen in den Wintermonaten regelmäßig zur Entlassung von überdurchschnittlich vielen Arbeitskräften. Deshalb gibt es schon seit 1959 verschiedene gesetzliche Regulierungen mit dem Ziel der Beschäftigungsstabilisierung.

Mit dem 2006 eingeführten „Gesetz zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung” wurde die gesetzliche Regulierung erneut verändert und das Winterausfallgeld mit dem Kurzarbeitergeld kombiniert. Im Rahmen einer ersten Evaluation wurde vom IAQ untersucht, inwieweit sich das Saison-Kurzarbeitergeld in den ersten beiden Schlechtwetterzeiten der Anwendung 2006/07 und 2007/08 bewährt hat und die verschiedenen Ziele – Entlassungen reduzieren und finanzielle Mehrbelastungen der Bundesagentur für Arbeit vermeiden – erfüllen konnte. Die Evaluation kam zu dem Ergebnis, dass sich das neue Leistungssystem zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung bewährt hat. Die Evaluation konnte allerdings nur unter den witterungsbezogenen und konjunkturellen Rahmenbedingungen der ersten beiden Förderperioden durchgeführt werden.

Im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sollte die Wirkung des „Saison-Kurzarbeitergeldes” auch unter anderen Witterungs- und Konjunkturbedingungen untersucht werden. Im Fokus dieser anschließenden Evaluation standen die Fragen, warum Arbeitgeber die Leistungen des Saisonkurzarbeitergeldes nicht nutzen bzw. nur einen Teil ihrer Belegschaft davon profitieren lassen und welche Möglichkeiten bestehen, um einen breiteren Einsatz des Saison-Kurzarbeitergeldes in den Betrieben zu erzielen.

Vorgehen

Die Gründe dafür, warum Baubetriebe die Winterbauförderung nicht nutzen und welche Möglichkeiten aus Sicht der Betriebe bestehen, den Einsatz des Saison-Kug auszudehnen, wurde durch eine Betriebsbefragung im Baugewerbe ermittelt. In diesem Zusammenhang wurden die bereits vorliegenden Erkenntnisse zur Nutzung und Nicht-Nutzung des Saison-Kurzarbeitergeldes aus der ersten Evaluation berücksichtigt.
Außerdem wurden die aktuellen Rahmenbedingungen und die wirtschaftliche Lage der Baubranche insgesamt analysiert, um die Angaben aus der Betriebsbefragung sachgemäß interpretieren zu können. Zu diesem Zweck wurden statistische Kennziffern der ersten Evaluation fortgeschrieben. Hierzu zählten Daten zur Entwicklung der Beschäftigung und Arbeitslosigkeit sowie zur konjunkturellen Entwicklung im Bauhauptgewerbe.
Ergänzt wurde die Evaluierung der Winterbauförderung durch eine Aktualisierung des bereits existierenden Modells zur Schätzung des Arbeitsmarkteffektes und der möglichen finanziellen Auswirkungen auf die Arbeitslosenversicherung.

Ergebnisse

Die erste Evaluation 2006/08 ergab bereits, dass es sich bei Saison-Kurzarbeitergeld um ein erfolgreiches und breit akzeptiertes Instrument handelte. Diese Evaluation hatte den „Startvorteil”, dass sie sich nicht in einem wirtschaftlichen Krisenjahr oder in einem besonders strengen Winter bewähren musste. Zudem kamen in der ersten Förderperiode noch einige „Sondereffekte” hinzu, die allesamt eine positive Auswirkung auf die Bautätigkeit in der Schlechtwetterperiode hatten. Die nun abgeschlossene Evaluation steht demgegenüber auf einer breiteren Datenbasis, da die Betrieb jetzt bereits seit vier Schlechtwetterperioden Erfahrungen sammeln konnten.

Nutzungsverhalten: Die Ergebnisse zeigen, dass das Saison-Kurzarbeitergeld ein nachhaltig erfolgreiches Instrument zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung darstellt; über den Beobachtungszeitraum hinweg hat sich die Nutzung ausgeweitet. Dabei nutzen die meisten Betriebe Saison-Kurzarbeitergeld regelmäßig, das heisst in mindestens drei der vier untersuchten Schlechtwetterperioden. Die Untersuchung hat auch gezeigt, dass Saison-Kurzarbeitergeld auch neue Nutzer anzieht, in der Schlechtwettersaison 2008/09 war immerhin fast jeder fünfte Betrieb ein "Neueinsteiger", dagegen spricht sich nur eine Minderheit der Betriebe generell gegen die Nutzung von Saison-Kurzarbeitergeld aus. Der überwiegende Teil der Betriebe nutzt also Saison-Kurzarbeitergeld und dies regelmäßig. Dabei ergab die Suche nach den Gründen für eine unregelmäßige oder nicht durchgehende Nutzung, dass ein hoher Anteil dieser Betriebe Saison-Kurzarbeitergeld rational, intelligent und flexibel nutzt. Betriebe, die Saison-Kurzarbeitergeld nicht oder nur unregelmäßig nutzen, geben in der Mehrheit wirtschafltiche und klimatische Bedingungen als Ursache an. Nur ein geringer Anteil macht immanente Gründe des Saison-Kurzarbeitergeldes (z.B. zu hohen Verwaltungsaufwand) für die Nicht-Nutzung verantwortliche. Die vorliegenden Ergebnisse zeigen aber auch, dass ein kleiner Anteil von Betrieben Saison-Kurzarbeitergeld aus prinzipiellen Gründen ablehnt, ohne sich mit den einzelnen Elementen des Instruments auseinandergesetzt zu haben.

Zufriedenheit und Änderungsbedarfe: Ein wesentlicher Baustein der Evaluation bestand in der Erfassung der Zufriedenheit mit dem Instrument und der Feststellung derjenigen Bereiche, in denen die Betriebe ggf. Änderungsbedarfe äußern.
Insgesamt gesehen erklären sich die Betriebe mit dem Instrument zufrieden. Die Mehrheit der Betriebe kann aufgrund der Nutzung von Saison-Kurzarbeitergeld auf Entlassungen verzichten und während der Schlechtwetterperiode flexibler auf Entlassungen reagieren. Die "neue" Winterbauförderung wird im Vergleich zur alten als deutliche Verbesserung bewertet, ausserdem erhält Saison-Kurzarbeitergeld aktuell bessere Einschätzungen als noch in der alten Evaluation. Hier zeigt sich auch ein Zusammenhang mit der Nutzung: je häufiger Betriebe Gebrauch von Saison-Kug gemacht haben, desto besser stufen sie dieses Instrument ein.

Bezüglich der Feststellung der Änderungsbedarfe wurden die Betriebe gebeten, insgesamt sieben Vorschläge hinsichtlich ihrer Wünschbarkeit zu beurteilen (Änderunge des Nutzungszeitraums, Schaffung einer Hinzuverdienstmöglichkeit während des Bezugs von Saison-Kurzarbeitergeld, Veränderung der Bemessungsgrundlage, Erhöhung des Zuschuss-Wintergeldes, Einbringung von Resturlaub, Erhöhung des Mehraufwands-Wintergeldes, höhere Grenzen für bezuschussfähige Arbeitsstunden beim Mehraufwandgeld).
Dabei zeigte sich, dass diejenigen, die Saison-Kurzarbeitergeld nicht oder nur sporadisch nutzten, kein eindeutiges Meinungsbild zu den Änderungsvorschlägen hatten und diese auch keine wesentliche Änderung im Nutzungsverhalten nach sich ziehen würde. Deutlich positiver waren diesbezüglich die Einschätzungen der Betriebe, die Saison-Kurzarbeiter regelmäßig nutzten oder gerade neu eingestiegen waren. Insgesamt wurde von allen Betrieben die Änderung des Geltungszeitraum als am wichtigsten erachtet. Die Ergebnisse sprechen u.E. dafür, dass Nutzer sich stärker mit den Leistungen der Winterbauförderung, ihren Stärken und Schwächen, auseinandergesetzt haben und daher eher in der Lage sind, konkrete Änderungsvorschläge zu beurteilen als Nicht- oder nur seltene Nutzer.

Arbeitsmarkteffekt: Für die Berechnung des Arbeitsmarkteffektes von Saison-Kurzarbeitergeld wurde das für die erste Evaluation entwickelte Modell, um zwei Einflussfaktoren (Wirtschaftskrise und Konjunkturpaket) erweitert, auf die Schlechtwetterperioden 2006/07-2009/10 angewandt. Ziele dabei waren, die Ergebnisse der ersten Evaluation auf eine breitere Datenbasis zu stellen und festzustellen, inwieweit die Winterbauförderung in den letzten vier Schlechtwetterperioden zu Einsparungen geführt hat. Die Modellschätzung ergab, dass das Saison-Kurzarbeitergeld in jeder Schlechtwetterperiode des Beobachtungszeitraums einen eigenständigen positiven Beitrag zur Reduzierung der Winterarbeitslosigkeit leistet. In der Summe konnten seit Einführung von Saison-Kurzarbeitergeld Einsparungen beim Arbeitlosengeld von rund 1 Mrd. Euro erzielt werden.

Publikationen zum Projekt

Kümmerling, Angelika / Worthmann, Georg, 2011: Fortführung und Vertiefung der Evaluation des Saison-Kurzarbeitergeldes. Schlussbericht. [Forschungsauftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales]. Duisburg: Inst. Arbeit und Qualifikation | Lesen

Kümmerling, Angelika / Schietinger, Marc / Voss-Dahm, Dorothea / Worthmann, Georg, 2008: Evaluation des neuen Leistungssystems zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung. Endbericht. Gelsenkirchen: Inst. Arbeit und Qualifikation

Kümmerling, Angelika / Schietinger, Marc / Voss-Dahm, Dorothea / Worthmann, Georg, 2008: Evaluation des neuen Leistungssystems zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung. Endbericht - Zusammenfassung. Gelsenkirchen: Inst. Arbeit und Qualifikation

Bosch, Gerhard / Worthmann, Georg, 2006: "Entwurf eines Gesetzes zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung" - Drucksache 16/429: Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales zum Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU und SPD am 13. Februar 2006. Berlin: Deutscher Bundestag, Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung. Drucksache Nr. 16/429

Bosch, Gerhard / Worthmann, Georg, 2006: Einfacher und gerechter: das Saison-Kurzarbeitergeld kann sich im kommenden Winter erstmals bewähren. In: Baugewerbe H. 18, S. 42-44

Projektdaten

Laufzeit des Projektes
15.01.2007 - 15.06.2008

Forschungsabteilung
Flexibilität und Sicherheit

Leitung:
Prof. Dr. Gerhard Bosch, Dr. Claudia Weinkopf

Bearbeitung:
Dr. Marc Schietinger, Dr. Angelika Kümmerling, Dr. Georg Worthmann, Dr. Dorothea Voss-Dahm

Finanzierung:
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)