Das deutsche Transfersystem und Ungleichheit

Dieses Forschungsvorhaben beschäftigt sich mit dem deutschen Sozial- und Transfersystem aus verteilungspolitischer Perspektive. Das Ziel ist die Evaluation von strukturellen Veränderungen innerhalb der Transfersysteme Grundsicherung, Wohngeld und Kinderzuschlag. Im Vordergrund stehen hierbei die Einschätzung von Reformvorschlägen und deren Auswirkungen auf die relative Armut sowie deren Umsetzungswahrscheinlichkeiten.

Das Forschungsvorhaben gliedert sich in zwei große Teilbereiche. Der erste Teil beinhaltet die ökonomische Untersuchung der drei Transfersysteme Grundsicherung, Wohngeld und Kinderzuschlag. Dabei werden die aktuellen Reformvorschläge auf ihre wechselseitigen Auswirkungen auf die relative Armut evaluiert. Aufgrund von Schnittstellenproblematiken und fehlenden Abstimmungen zwischen den einzelnen Transfersystemen bestehen trotz mehrmaliger Reformen strukturelle Probleme und Fehlanreize, die insbesondere die unteren Einkommensklassen benachteiligen. Die eingereichten Reformkonzepte reichen von einer schrittweisen Veränderungen innerhalb der Grundstruktur bis hin zur vollständigen Zusammenführung der drei Transfersysteme. Viele der vorgelegten Lösungsideen vernachlässigen jedoch die verteilungspolitische Perspektive und konzentrieren sich vermehrt auf die individuellen Anreizsysteme, ohne die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen zu betrachten. Mithilfe eines modular aufgebauten Mikrosimulationsmodells sollen die Reformvorschläge von Grundsicherung, Wohngeld und Kindergeld empirisch und auf gleicher Datenbasis wissenschaftlich überprüft werden. Dabei liegt der Fokus zum einen auf der wechselseitigen Bewegung der Empfängerkreise innerhalb der Transfersysteme sowie zum anderen auf den Auswirkungen auf die Armutsrisikoquote, die als Kennzahl für relative Armutsmessung dient. Mithilfe der ökonomischen Analyse wird sowohl der aktuelle gesetzliche Stand sowie deren Auswirkungen auf die gesellschaftlichen Rahmenbedingung überprüft.

Der zweite Teil des Forschungsprojektes konzentriert sich auf die Realisierungsmöglichkeit der zuvor untersuchten Reformkonzepte. Ein großer Bereich nimmt die Entwicklung des Verständnisses der politischen und gesellschaftlichen Akteure sowie deren Bewertungsgrundlagen von Reformen ein. Mithilfe der Aufarbeitung von vorangegangenen Gesetzgebungsprozessen der drei Transfersysteme sollen die strategischen Präferenzen, die wahrgenommenen Realisierungsprobleme sowie deren ideologische Einflüsse ermittelt werden. Innerhalb der Aufarbeitung werden neben den parteipolitischen Beweggründen zudem hegemoniale Strukturen aufgearbeitet und kritisch bewertet. Zudem werden am Ende qualitative Interviews und Befragungen mit den parteipolitischen Vertretern im Bundestag geführt, um die Bewertungsgrundlagen der jeweiligen Reformvorschläge zu verbessern. Die hieraus entstandenen Erkenntnisse sollen als Grundlage für die Ermittlung der Realisierungsmöglichkeiten von armutsreduzierenden Konzepten dienen.

Das Ziel dieses Forschungsvorhabens ist demnach die Offenlegung und Sensibilisierung der verteilungspolitischen Konsequenzen durch strukturelle Veränderungen innerhalb des Sozial – und Transfersystems anhand der Beispiele Grundsicherung, Wohngeld und Kinderzuschlag. Mithilfe des interdisziplinären Ansatzes aus Ökonomik und Politikwissenschaft, soll ein erweitertes Bild über den Status-Quo der Transfersysteme Grundsicherung, Wohngeld und Kinderzuschlag und deren zukünftigen Optionen aus verteilungspolitischer Perspektive entstehen.