Dipl.-Geogr. Friedrich Schulte-Derne
AnsprechpartnerMehrfache Schübe eines Strukturwandels haben das ursprünglich schwerindustriell geprägte Ruhrgebiet tiefgreifend verändert. Komplexe Transformationsprozesse blieben und bleiben bis heute nicht ohne räumliche Folgen für die Region. Auf der Grundlage einer raumzeitlich orientierten kartographischen Aufnahme werden die Veränderungen im östlichen Ruhrgebiet analysiert, in ihrer Bedeutung für eine industriell-urbane Kulturlandschaft als Chance einer zukunftsfähigen Entwicklung in der Metropole Ruhr bewertet und dementsprechende Handlungsempfehlungen für Politik, Planung und Verwaltung formuliert.
Ausgelöst durch Urbanisierung, Industrialisierung sowie durch nachfolgende Deindustrialisierung und Desurbanisierung vollzogen und vollziehen sich bis heute tiefgreifende Veränderungen in der Raumstruktur des Ruhrgebiets. Diese komplexen Prozesse umfassen umfangreiche räumliche Dimensionen, sind erhöhten Dynamiken unterworfen und zeigen vielfältig überlagernde Nutzungsmuster.
Die Studie widmet sich der Entwicklung der industriell-urbanen Kulturlandschaft im östlichen Ruhrgebiet. Um diese in längsschnittlicher Perspektive zu analysieren, werden komplexe, gewachsene räumliche und funktionale Verflechtungen im Zusammenhang mit den jeweiligen Akteursstrukturen unter Berücksichtigung herrschender raumordnerischer und städtebaulicher Leitbilder mittels repräsentativer, zeitlich eng getakteter Querschnitte erfasst. Die Herausarbeitung typischer Entwicklungsmuster liefert die Grundlage, den heutigen Altindustrieraum in seiner Genese zu dekodieren, zu klassifizieren und auf regionale Transfermöglichkeiten zu überprüfen.
Damit sind mehrere Ziele verbunden: neben einem Beitrag zum Erhalt der historischen Kulturlandschaft im Sinne der UNESCO-Welterbekonvention und der damit verbundenen Förderung regionaler Identität, gilt es, einen Beitrag zur Implementierung des Leitbilds der nachhaltigen Entwicklung im Rahmen von Kommunal- und Regionalplanung für einen zukunftsfähigen, wirtschaftlich tragfähigen Altindustrieraum als Teil der Metropole Ruhr auf der Basis seiner industriellen Wurzeln und seiner endogenen Stärken zu leisten.
Die wissenschaftstheoretischen Ansätze liegen im Überschneidungsfeld von Teilbereichen der Stadt- und Wirtschaftsgeographie: Verhaltens- und akteursorientierte Stadtentwicklungsforschung in klassischen Altindustrieräumen, Strategien der Wirtschaftsförderung zur Entwicklung lokaler und regionaler Ökonomien unter Einbeziehung der Verkehrsinfrastruktur, Stadt- und Landesplanung mit Berücksichtigung von Städtebau und Kulturlandschafts-/Denkmalpflege. Verhaltens- und handlungstheoretische Ansätze mit starker Orientierung an Interessens- und Akteursgruppen werden berücksichtigt. Dies trifft nicht nur für ökonomisch-zweckrationale Entscheidungen (Standortfragen) zu, sondern auch für konstruktivistisch-wahrnehmungstheoretisch orientierte Fragen (Image, Identität). Multiperspektivische Ansätze sind relevant für Partizipationsmöglichkeiten und liefern Voraussetzungen für best-practice Lösungen und good-governance-Strukturen im Rahmen von Ansätzen postmoderner Stadt- und Wirtschaftsentwicklung.
Nach Form und Funktion werden vor dem Hintergrund der jeweilig herrschenden Leitbilder städtebaulicher Planung Kulturlandschaftselemente von 1840 bis heute in ihrer Folge für die aktuelle Bau-, Wirtschafts- und Sozialstruktur systematisch erfasst und analysiert. Einbezogen werden punkt- (Einzelobjekte), linien- (Verkehrstrassen und Infrastruktureinrichtungen) und flächenhafte (Industrie, Besiedlung u.a.) Kulturlandschaftselemente. Die raum-zeitliche Analyse soll Entwicklungsmuster der Besiedlung aufzeigen, anhand derer konstituierende Kulturlandschaftselemente identifiziert und genetische, städtebauliche Gesetzmäßigkeiten abgeleitet werden. Dabei soll, unter Berücksichtigung regionaler Konstellationen und Rahmenbedingungen, die Übertragbarkeit auf andere Räume geprüft werden.