IAQ Pressemitteilung
Pressemitteilung vom 15.05.2025 | Redaktion Katja Goepel
Recht auf mehr (Lebens)Zeit?
Was lebensphasenbezogene Zeitrechte für Betriebe bedeuten
Sich Auszeiten zu nehmen, um sich um Kinder zu kümmern oder weniger zu arbeiten, ist unter deutschen Arbeitnehmer:innen verbreitet. Wie sich das auf die Betriebe auswirkt, ist bisher weitgehend unerforscht. Ein Projekt des Instituts Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen legt daher einen Fokus auf die Fragen, wie stark Betriebe aktuell von der Nutzung von Zeitrechten betroffen sind und welche Maßnahmen ergriffen werden, um den damit verbundenen Arbeits(zeit)ausfall zu kompensieren.
Für das Projekt „Mehr Rechte für die einen, mehr Druck für die anderen? Lebensphasenbezogene Zeitoptionen und ihre Auswirkungen auf die betriebsinterne Arbeitsorganisation (ZOBAO)“ haben Prof. Dr. Ute Klammer, Dr. Angelika Kümmerling und Timothy Rinke zwischen September 2023 und Februar 2024 mittels Fragebögen und computergestützten Telefon-Interviews eine repräsentative Studie mit 1.015 Betrieben ab 50 Beschäftigten durchgeführt.
Die wichtigsten Ergebnisse im Überlick: Die Elternzeit ist mit 36 % das von den Beschäftigten am häufigsten genutzte Zeitrecht. Auch tarifliche Wahloptionen in Form von mehr Geld, mehr Urlaub oder Arbeitszeitverkürzung sind weit verbreitet (20 %); während Pflegezeiten (1,7 %) oder das Pflegeunterstützungsgeld (0,8 %) kaum in Anspruch genommen werden. Darüber hinaus berichten mehr als 40 % der Betriebe, dass sie Anfragen nach temporärer Arbeitszeitreduzierung auch mittels informeller Absprachen regeln. Insgesamt zeigt sich, dass die Vielfalt der zur Verfügung stehenden Zeitrechte mit ihren unterschiedlichen Ankündigungsfristen und Bestimmungen für die Betriebe eine Herausforderung darstellen. Interne Vertretungen (57 %) und Mehrarbeit (50 %), aber auch flexible Arbeitszeitmodelle (38 %) sind für den Großteil der Betriebe die meist gewählten und als besonders effektiv bewerteten Kompensationsmaßnahmen.
Eine entscheidende Rolle bei der Wahl der Maßnahmen spielen laut den Arbeitsforscher:innen Faktoren wie Betriebsgröße, Branche, Tarifbindung, Mitbestimmung, Altersstruktur der Belegschaft sowie der Frauenanteil: „Unsere Analysen zeigen, dass in tarifgebundenen Betrieben Arbeitszeitausfall aufgrund der Inanspruchnahme von Zeitrechten signifikant weniger häufig durch die Steigerung der Arbeitsintensität von Beschäftigten kompensiert wird“, so Kümmerling. Nach Einschätzung der befragten Personalverantwortlichen sind darüberhinaus insbesondere die Personalressourcen im betroffenen Arbeitsbereich wichtig für die Wahl der Maßnahmen. „Vieles spricht dafür, dass eine erfolgreiche Kompensationsstrategie nur mit ausreichend Personalressourcen gelingen kann. Nur so sind interne Vertretungen möglich, ohne die Beschäftigten insgesamt zusätzlich zu belasten“, erläutert Rinke.
Die Gewährung und der weitere Ausbau von Zeitrechten kann nach Meinung der Wissenschaftler:innen einen Weg darstellen, Zeitkonflikte für die in Sorgearbeit involvierten Mitarbeiter:innengruppen zu reduzieren. Viel spricht aber dafür, dass dies nicht ausreichen wird, um den im Zuge des demografischen Wandels wachsenden Zeitanforderungen langfristig zu begegnen. Es brauche daher, wie Kümmerling ausführt, innovative Konzepte, z.B. eine intelligente Verzahnung von dynamisch-situativen und lebensphasenbezogenen Instrumenten der Arbeitszeitflexibilität, die sowohl von Männern als auch von Frauen in Anspruch genommen werden können und werden.
Weitere Informationen:
Kümmerling, Angelika / Rinke, Timothy, 2025: Zeitrechte von Beschäftigten und ihre betriebliche Umsetzung. Ergebnisse einer quantitativen Betriebsbefragung. Duisburg: Inst. Arbeit und Qualifikation. IAQ-Report 2025-05