Interview
Interview mit Dr. Sophie Rosenbohm zum IAQ-Report 2025-09 „Mit Künstlicher Intelligenz forschen?“„KI im Forschungsprozess ist ambivalent: Sie verspricht Effizienz, birgt aber zugleich auch Risiken.“

Sophie Rosenbohm ist seit 2015 Mitglied im Forschungsteam der Abteilung Arbeitszeit und Arbeitsorganisation (AZAO) des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen. Zuvor war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungsdatenzentrum für Betriebs- und Organisationsdaten der Fakultät für Soziologie an der Universität Bielefeld sowie am Lehrstuhl Soziologie / Organisation, Migration, Mitbestimmung der Fakultät für Sozialwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum tätig. Ihre Promotion schloss sie an der Fakultät für Sozialwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum mit einer Untersuchung zur Arbeitnehmerbeteiligung in der Europäischen Aktiengesellschaft ab. Sie war Stipendiatin der Studienstiftung des deutschen Volkes und wurde 2015 mit dem Nachwuchspreis der German Industrial Relations Association (GIRA) ausgezeichnet. Aktuell forscht Sophie im Projekt „Umsetzung und Auswirkungen eines Dynamic Shared Ownership“.
Liebe Sophie, du hast gerade einen IAQ-Report zum Thema „Mit Künstlicher Intelligenz forschen?“ veröffentlicht. Wie bist du auf das Thema KI gekommen und wo begegnet es dir in deinem Forschungsalltag?
Am IAQ befasse ich mich vor allem mit Arbeitsbeziehungen und Mitbestimmung sowie mit der Digitalisierung von Arbeit. Dabei arbeite ich vor allem mit qualitativen Methoden. KI kam für mich zunächst als Forschungsgegenstand in den Blick – etwa in der Analyse, wie Betriebsräte sich mit dem Einsatz von KI im Betrieb und Unternehmen beschäftigen oder aber was KI für das Feld von Content Creation auf Social-Media-Plattformen bedeutet.
Schnell zeigte sich aber: KI vermag auch unsere Forschungspraxis und methodischen Zugänge zu verändern. Die zunehmende Verbreitung von Large Language Models (LLMs), wie bei ChatGPT, und deren Integration in bestehenden Software-Anwendungen macht den Einsatz extrem niedrigschwellig. Damit stellte sich für mich die Frage: Was bedeutet eigentlich der Einsatz von KI für die Forschung und unsere Rolle als Forschende?
In der arbeitssoziologischen Forschung fehlt bislang eine systematische Auseinandersetzung mit den Potenzialen, aber auch den Grenzen des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz. Was hast du im Rahmen deiner Beschäftigung mit dem Thema herausgefunden, wo kann KI den Forschungsprozess unterstützen? Und was sind die Herausforderungen beim Einsatz von KI in der Forschung bzw. was bewertest du eher kritisch?
KI im Forschungsprozess ist ambivalent: Sie verspricht Effizienz, birgt aber zugleich auch Risiken. KI kann Arbeitsschritte und Routinearbeiten erleichtern. Ein Beispiel ist die Transkription – also die Überführung gesprochener Sprache in geschriebene Form – von Interviews, die sich meiner Erfahrung nach für inhaltsanalytische Auswertungen gut nutzen lässt. Auch für die Erschließung großer Datenmengen können KI-Tools hilfreich sein, sofern ihre Funktionsweise kritisch reflektiert wird. Aber zu beachten ist: Sprachmodelle verstehen nicht, sie basieren auf Wahrscheinlichkeiten und Mustern in den Trainingsdaten. Für kontextsensitive, verstehende Forschung ist das problematisch. Hinzu kommen Datenschutzfragen und die Gefahr, dass eine Verzerrung in den Trainingsdaten in Analysen einfließt.
Mein Fazit: KI kann unterstützen, aber sie ersetzt keine interpretative Analyse. Hier würde ich mir einen kritischen Diskurs in der arbeitssoziologischen Community wünschen.
KI-gestützte Anwendungen wie Chat-GPT sind längst im Alltag angekommen. Es ist anzunehmen, dass solche Anwendungen auch in Forschung und Lehre weiter an Verbreitung gewinnen – insbesondere, weil Studierende und jüngere Personen an ihren Gebrauch gewöhnt sind. Sophie, du bist neben deiner Forschung immer wieder auch in der Lehre tätig. Was rätst du deinen Studierenden in Bezug auf den Einsatz von KI in der wissenschaftlichen Arbeit?
Wichtig ist, zu verstehen, wie KI-Anwendungen funktionieren, bevor man sie einsetzt. KI-Tools können die wissenschaftliche Arbeit unterstützen – etwa bei der Transkription –, aber sie ersetzen keine eigene Analyse. Wer die Funktionsweise von Sprachmodellen ignoriert, riskiert unkritische Übernahmen und methodische Fehler. Deshalb sollten Einsatz und Ergebnisse reflektiert und dokumentiert werden und natürlich sind die Ergebnisse stets kritisch zu prüfen. Wissenschaft lebt von Transparenz, Reflexivität und Kontextsensibilität – genau das versuche ich, Studierenden zu vermitteln.
Die Fragen stellte Katja Goepel, Pressereferentin am Institut Arbeit und Qualifikation.
Zum IAQ-Report: https://www.uni-due.de/iaq/iaq-report-info.php?nr=2025-09
Zum Forschungsprofil von Sophie Rosenbohm: https://www.uni-due.de/iaq/personal/rosenbohm.php