IAQ Pressemitteilung

Pressemitteilung vom 29.12.2008 ARGEn erfolgreicher bei der Integration von ALG-II-Empfängern, zugelassene kommunale Träger besser bei der Erhöhung der Beschäftigungsfähigkeit



Bezieher von Arbeitslosengeld II, die von Arbeitsgemeinschaften (ARGEn) betreut werden, schaffen eher den Absprung aus dem Leistungsbezug beziehungsweise nehmen eher eine bedarfsdeckende Beschäftigung auf. Dagegen haben zugelassene kommunale Träger ihre Stärken bei der Steigerung der langfristigen Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitsuchenden. Zu diesem Ergebnis kommt eine vergleichende Evaluation von ARGEn und zugelassenen kommunalen Trägern in der Grundsicherung für Arbeitsuchende ("Hartz IV").

Die Evaluation wurde im Auftrag der Bundesregierung von mehreren Forschungsinstituten, darunter dem Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen, durchgeführt. Die Ergebnisse der Evaluation wurden am 17. Dezember 2008 dem Bundeskabinett übermittelt. Die Evaluation macht ebenfalls deutlich, dass der Wettbewerb zwischen den Grundsicherungsstellen zu ganz unterschiedlichen Vorgehensweisen bei der Betreuung Arbeitsloser geführt hat. Es zeigt sich auch, dass bei ARGEn und kommunalen Trägern noch viel für eine bessere Betreuung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen getan werden kann.

Durch die so genannte Experimentierklauselim SGB II stehen ARGEn als gemeinsame Einrichtungen von örtlicher Agentur für Arbeit und Kommune einerseits und zur alleinigen Betreuung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zugelassene kommunalen Träger andererseits für einen begrenzten Zeitraum als alternative Modelle im Wettbewerb. Durch die Evaluation soll nun herausgearbeitet werden, wo die Stärken und Schwächen des jeweiligen Modells liegen.

Die Evaluationhat die Organisation der Grundsicherung in jedem Land- und Stadtkreis genau erfasst. Dabei wurden teilweise große Unterschiede festgestellt. ARGEn verfolgen überwiegend eine Strategie, bei der Kunden mit mehreren Vermittlungshemmnissen durch ein spezialisiertes Fallmanagement betreut werden. Dagegen sind die persönlichen Ansprechpartner in den zugelassenen kommunalen Trägern häufig zugleich für leicht oder schwierig zu integrierende Arbeitsuchende zuständig. Unterschiede bestehen auch darin, wer die Vermittlung auf den Arbeitsmarkt vornimmt. In der Tendenz führt es zu besseren Ergebnissen, wenn die Aufgaben in einer Hand liegen und der einzelne Hilfebedürftige denselben Ansprechpartner für die Betreuung und die Vermittlung hat.

Wichtige Unterschiede in der Umsetzung des SGB II zwischen ARGEn und zugelassenen kommunalen Trägern bestehen im Grad der Handlungsautonomie der Leitungen, der Intensität der Erstbetreuung, der Sanktionspraxis, den EDV-Strukturen und den Controlling- und Zielbildungsverfahren. Beim Einsatz von Maßnahmen (wie Trainingsprogrammen oder beschäftigungsfördernden Maßnahmen) überwiegen dagegen die Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Formen der Aufgabenwahrnehmung. Insgesamt sind die zugelassenen kommunalen Träger durch eine relativ geringe Einheitlichkeit und Standardisierung und eine stärkere regionaler Vielfalt gekennzeichnet. Dies ist mit einer geringen Vergleichbarkeit der Verfahren und höherer lokaler Handlungsautonomie verbunden. Die organisatorischen Traditionen der früheren Sozialämter bleiben teilweise wirksam. Im Gegensatz dazu zeichnen sich die ARGEn durch höhere Einheitlichkeit und Standardisierung über die Regionen und eine vermehrte Anwendung von Sanktionen aus. Hier ist die lokale Handlungsautonomie geringer und die Vorgehensweisen sind durch die Organisation der Arbeitsagenturen geprägt.

Für die ARGEnwird eine höhere Wahrscheinlichkeit geschätzt, dass die von ihnen betreuten Hilfebedürftigen den Leistungsbezug verlassen. Auf Individualebene liegt der Unterschied in der Größenordnung von 3,8 Prozent. In der gesamtwirtschaftlichen Betrachtung fallen die Effekte geringer aus. So hätte die flächendeckende Einführung des ARGE-Modells im Vergleich zum Modell der ausschließlichen Betreuung durch die Kommunen zu einer Reduktion der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen um rund 84.000 Personen pro Jahr geführt. Bei der Aufnahme von nicht bedarfsdeckender Beschäftigung, also dem Phänomen der "Aufstocker", haben die zugelassenen kommunalen Träger eher die Nase vorn. Auch bei der Stärkung der langfristigen Beschäftigungsfähigkeit ist die ausschließliche Betreuung durch die Kommunen günstiger. Gleichwohl wären durch die flächendeckende ausschließliche Betreuung der Kommunen rund 3,1 Milliarden Euro zusätzliche Kosten pro Jahr entstanden.

Wichtig für die Integrationin den ersten Arbeitsmarkt ist die Intensität der Betreuung. Wenn ein direkter persönlicher Ansprechpartner vorhanden ist und die Betreuer und Kunden in engem Kontakt miteinander stehen, beeinflusst dies die Integration in den Arbeitsmarkt positiv. Hier ist noch viel zu verbessern, denn die Vorgaben zur Betreuungsintensität werden bei weitem nicht erreicht. Wichtig für den Erfolg ist auch ein früher Beginn der Betreuung, hier sind die ARGEn im Vorteil.

Kurzfristige Trainingsmaßnahmenwie Bewerbertrainings oder Arbeitsproben führen schon auf kurze Sicht zu einem erhöhten Übergang in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, jedoch damit nicht unbedingt zur Beendigung der Hilfebedürftigkeit. Nicht immer werden solche Maßnahmen an diejenigen Hilfebedürftigen vergeben, die am meisten davon profitieren würden. Die Verzahnung der Eingliederungsleistungen mit den sozialintegrativen Leistungen (Sucht- und Drogenberatung, Schuldnerberatung, psychosoziale Betreuung) gelingt in den zugelassenen kommunalen Trägern besser als in den ARGEn, ist aber ebenfalls verbesserungswürdig.

Die Ergebnisse der Evaluationsollen Entscheidungshilfe für die künftige organisatorische und strategische Ausgestaltung der Betreuung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen geben und gehen daher über die Wahl zwischen ARGEn und zugelassenen kommunalen Trägern weit hinaus.

Die Evaluation wurde gemeinsam von folgenden Instituten durchgeführt:

  • ifo Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München
  • infas Institut für Angewandte Sozialwissenschaft, Bonn
  • Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ), Universität Duisburg-Essen
  • Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW), Tübingen
  • Institut für Stadt- und Regionalentwicklung, Fachhochschule Frankfurt am Main
  • TNS Emnid, Bielefeld
  • Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB)
  • Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim

Redaktion:

Claudia Braczko

Für weitere Fragen steht Ihnen zur Verfügung:

Prof. Dr. Matthias Knuth