IAQ Pressemitteilung

Pressemitteilung vom 30.09.2016 Expertengruppe legt Abschlussbericht vor

Reform-Empfehlungen für Griechenlands Arbeitsmarkt



Im letzten Griechenland-Memorandum von 2015 war die Einsetzung einer Expertenkommission festgelegt worden, die nach den massiven Eingriffen in die Tarifautonomie Vorschläge für neue und bessere Arbeitsbeziehungen in Griechenland unter Berücksichtigung vorbildlicher europäischer Erfahrungen erarbeiten sollte. Vier Mitglieder der Kommission wurden von der griechischen Regierung, vier von den Kreditgebern, den sogenannten „Institutionen”, benannt. Aus Deutschland waren die Professoren Gerhard Bosch (Universität Duisburg-Essen) und Wolfgang Däubler (Universität Bremen) Mitglieder der Kommission.

Die Kommission hat Hearings mit den Sozialpartnern und Experten in Athen durchgeführt. Sie schlägt vor die Tarifautonomie der Sozialpartner wieder herzustellen, was auch dem einstimmigen Wunsch der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände in Griechenland entspricht. Branchentarife sollen künftig wieder – wie in vielen andern EU-Ländern – für allgemeinverbindlich erklärt werden können, um gleiche Konkurrenzbedingungen für Betriebe zu schaffen und die weitere Zunahme geringer Löhne zu vermeiden. Voraussetzung ist, dass der Tarifvertrag entweder für 50 Prozent der Beschäftigten im Tarifgebiet gilt oder dass die Allgemeinverbindlichkeit im öffentlichen Interesse liegt. Angesichts der Struktur der griechischen Wirtschaft, wo Kleinbetriebe bei weitem überwiegen, ist die Allgemeinverbindlichkeit unabdingbar. Von Branchentarifen kann auf Betriebsebene nicht zu Lasten der Arbeitnehmer abgewichen werden, es sei denn, dass die Tarifpartner – wie in Deutschland – Öffnungsklauseln für den Fall gravierender wirtschaftlicher Schwierigkeiten vereinbaren.

Weiterhin soll der Mindestlohn, wie in Deutschland oder Belgien, allein durch die Sozialpartner festgelegt werden. Die bisherige Regelung, wonach Arbeitnehmer bis 25 Jahre einen reduzierten Mindestlohn erhalten, soll abgeschafft werden. Stattdessen soll es lediglich für Berufsanfänger im ersten Jahr einen Abschlag von 10 Prozent, im zweiten Jahr von 5 Prozent geben.

Das Streikrecht soll ebenso unangetastet bleiben wie das Verbot der Aussperrung. Personalabbau soll im Rahmen des wirtschaftlich Möglichen durch Kurzarbeit verhindert werden, die ähnlich flexibel wie in Deutschland sein soll. Bei unvermeidbarem Personalabbau sind über den Status quo hinaus Sozialpläne und Umschulungsmaßnahmen vorzusehen.

Die Vorschläge der Expertengruppe sind überwiegend einstimmig beschlossen worden. In Bezug auf die Wiederherstellung der Tarifautonomie gab es eine Mehrheit von 6 zu 2, in Bezug auf den Mindestlohn von 5 zu 3.

Die eingehende Begründung, die bislang nur auf Englisch vorliegt, geht davon aus, dass die wirtschaftliche Lage Griechenlands nur mit fairen und rechtlich stabilen Arbeitsbedingungen verbessert werden kann. Die bisher praktizierte Deregulierung hat in eine Sackgasse geführt.

Weiterer Ansprechpartner:
Wolfgang Däubler, Universität Bremen, Tel.: 0177/6051939 und 07072/80888; daeubler@uni-bremen.de

Redaktion:

Claudia Braczko

Für weitere Fragen steht Ihnen zur Verfügung:

Prof. Dr. Gerhard Bosch