IAQ Pressemitteilung

Pressemitteilung vom 01.09.2023 Wer betreut unsere Schulkinder?

Personalgewinnung und Weiterbildung dringend erforderlich

Im Herbst 2021 wurde es nach langem Ringen beschlossen: das Ganztagsförderungsgesetz (Ga-FöG). Alle Kinder, die ab 2026 eingeschult werden, haben damit einen Anspruch auf ganztägige Förderung. Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey und ihr Team vom Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen haben die aktuellen Angebote, deren Organisation sowie die Teilhabe an der Ganztagsförderung in den deutschen Bundesländern ausgewertet und sehen große Herausforderungen.

Dass die Förderung von Grundschulkindern über die eigentliche Unterrichtszeit hinaus im Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) geregelt wird, ist erstmal nichts Neues. Der individuelle Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz tritt jedoch erst 2026 in Kraft. Er beinhaltet dann auch das Recht auf min-destens acht Stunden Förderung pro Werktag – den Unterricht eingerechnet. Die Bundesländer gehen bei der Umsetzung sehr unterschiedliche Wege. In Nordrhein-Westfalen werden aktuell vor allem Aus-bau und Weiterentwicklung der Offenen Ganztagsschulen in den Blick genommen.

Die Auswertung der Daten durch Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey und ihr Team zeigt große Unter-schiede zwischen den Ländern: Im Westen erhielt demnach 2020 durchschnittlich etwa die Hälfte (47 %) der Grundschulkinder eine Ganztagsförderung. Auch in Nordrhein-Westfalen lag die Quote in etwa bei diesem Wert. Im Osten waren es mit 84 % dagegen deutlich mehr Kinder. Genauer angeschaut hat sich die Forschungsgruppe zwei Bundesländer mit hohen Teilhabequoten: In Sachsen besuchen fast 90 % der Kinder einen Hort, der meistens direkt an der Schule angesiedelt ist. Zusätzlich nehmen die meisten Kinder an schulischen Ganztagsangeboten teil. In Hamburg wurde schon 2012 ein Rechtsanspruch auf Förderung von 8:00 bis 16:00 Uhr im Schulgesetz verankert. Inzwischen nutzen fast 95 % der Grundschulkinder die Ganztagsgrundschule.

„Das Hamburger Beispiel zeigt, dass mit dem Rechtsanspruch die Nachfrage steigt“, so Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey. „Daher wird in Nordrhein-Westfalen – wie in den meisten westdeutschen Flächenländern – eine erhebliche Zahl neuer Ganztagsplätze geschaffen werden müssen.“ Allen Prognosen zufolge wird sich damit der bereits jetzt spürbare Personalmangel in den kommenden Jahren noch verschärfen. Nach Berechnungen des Forschungsverbundes des Deutschen Jugendinstituts (DJI) könnte der zusätzliche Personalbedarf bis 2029 bei fast 40.000 Stellen liegen.

Die Ganztagsangebote an Schulen werden in Nordrhein-Westfalen aktuell mehrheitlich über den Einsatz von Teilzeitkräften, zum Teil mit Minijobs, ermöglicht. Neben ausgebildeten Erzieher*innen arbeiten hier vielfach Mitarbeiter*innen ohne einschlägige pädagogische Qualifikation. „Viele dieser Mitarbeiter*innen haben langjährige Erfahrungen gesammelt und werden auch in Zukunft dringend benötigt“, ist sich Prof. Dr. Stöbe-Blossey sicher. Sie fordert, die Ganztagsschule zu einem attraktiven Arbeitsplatz für alle Beschäftigten zu machen, damit das vorhandene Personal im Arbeitsfeld bleibt. Darüber hinaus müssen neue Mitarbeiter*innen – Fachkräfte wie Quereinsteigende – gewonnen wer-den, um den steigenden Bedarf zu decken. „Die Zukunft liegt in multiprofessionellen Teams“, betont Stöbe-Blossey, „dafür werden verschiedene Weiterbildungsangebote gebraucht – von der Basisqualifikation bis zum anerkannten Berufsabschluss“. Außerdem müsse die Zusammenarbeit zwischen Ganztagspersonal und Lehrkräften genauer in den Blick genommen werden: „Nur durch gute Abstimmung der Angebote kann die Förderung aus einer Hand gestaltet werden und allen Kindern zu Gute kommen.“

Weitere Informationen:
Stöbe-Blossey, Sybille, 2023: Rechtsanspruch auf Ganztagsförderung für Grundschulkinder: Strukturen und Herausforderungen. Duisburg: Institut Arbeit und Qualifikation. IAQ-Report 2023-07

Redaktion:

Katja Goepel

Für weitere Fragen steht Ihnen zur Verfügung:

Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey