Informationen zum Forschungsprojekt
Familienzentren im Primarbereich – Nachhaltigkeit, Transfer und Weiterentwicklung
Ziel und Aufgabenstellung
Das Konzept des Familienzentrums im Elementarbereich ist – im Vergleich zu traditionellen Kindertageseinrichtungen – gekennzeichnet durch eine erweiterte Familienorientierung, einen gezielten Sozialraumbezug und eine Stärkung der multiprofessionellen Kooperation. Die Adaptierung und Nutzung dieses Konzepts für Grundschulen bietet Potenziale für den Aufbau kommunaler Präventionsketten, für die Förderung von Kindern in Schulen in sozialräumlich herausfordernden Lagen und für die Weiterentwicklung und Unterstützung der schulischen Arbeit. Ein solches Konzept erfordert die Einbindung in einen Schulentwicklungsprozess, der mit einer kommunalen Koordinierung und und einer Kooperation mit außerschulischen Akteuren aus den Feldern Schule und Jugendhilfe verbunden wird. Die Forschungsabteilung BEST war von 2015 bis 2018 an der Evaluierung eines Modellprojekts der Stadt Gelsenkirchen beteiligt, das von der Wübben Stiftung im Rahmen einer Entwicklungspartnerschaft gefördert wurde. Das Projekt hatte gezeigt, dass die grundlegenden Bestandteile des Konzepts - Familienorientierung, Weiterentwicklung multiprofessioneller Kooperation innerhalb der Schule und Öffnung der Schule zum Sozialraum – erhebliche Potenziale für die Förderung von Kindern im Grundschulalter und ihren Familien bietet.
Vorgehensweise
Die Forschungsabteilung BEST befasst sich in Forschung und Politikberatung seit einigen Jahren mit Fragen der multiprofessionellen Kooperation in Bildungseinrichtungen sowie mit Fragen der Nachhaltigkeit, des Transfers und der dazu erforderlichen Weiterentwicklung von entsprechenden Konzepten aus dem Elementar- in den Primarbereich. Im Kontext des von der Wübben Stiftung gemeinsam mit der Auridis Stiftung geförderten Projekts wurden kommunale Fallstudien in Familiengrundschulzentren durchgeführt. Im Studienjahr 2022/23 wurden Aufgaben des Projekts in ein Lehrforschungsprojekt im Bachelor-Studiengang Politikwissenschaft eingebunden. Folgende Fragestellungen standen dabei im Fokus:
- Welche Rahmenkonzepte und welche Steuerungs- und Unterstützungsstrukturen für den Aufbau und die Weiterentwicklung von Familienzentren im Primarbereich gibt es in den Kommunen?
- Welche Angebote gibt es an den Grundschulen? Wie wird der „Angebotsmix" für die Arbeit als Familiengrundschulzentrum gestaltet? Wie werden die Angebote auf die verschiedenen Bedarfe der Familien abgestimmt? Wie wird die Qualität kontinuierlich weiterentwickelt?
- Welche Strategien werden in den Grundschulen genutzt, um die verschiedenen Teilsysteme (Unterricht, OGS, Schulsozialarbeit, Familienzentrum) zu einem integrierten Gesamtkonzept zu verknüpfen?
- Welche Strukturen wurden für eine multiprofessionelle Kooperation aufgebaut und wie werden Prozesse einer multiprofessionellen Teamentwicklung gefördert?
Die empirischen Erhebungen wurden in vier Modulen strukturiert:
- Modul 1: Kommunale Steuerung von Familienzentren im Primarbereich
- Modul 2: Verankerung und Transfer des Konzepts „Familienzentrum“ im Primarbereich
- Modul 3: Vernetzung der Teilsysteme an der Schule
- Modul 4: Die Umsetzung aus der Perspektive von Lehrkräften, weiterem pädagogischem Personal und Eltern
Zentrale Ergebnisse
Das Projekt hat gezeigt, dass Familienzentren im Primarbereich die lernförderlichen Bedingungen an Grundschulen durch die Einbeziehung der Eltern in den Schulalltag und die niedrigschwellige Vermittlung bedarfsorientierter Förderung verbessern können. Besonders für Schulen in herausfordernden Lagen bietet der Rückgriff auf Unterstützungsstrukturen der kommunalen Präventionskette eine wichtige Entlastung. Voraussetzung für die Ausschöpfung dieser Potenziale ist ein multiprofessioneller Schulentwicklungsprozess.
Familienzentren sollen bestehende Strukturen nicht erweitern, sondern vorhandene Angebote und Zugänge zu einem „Angebot aus einer Hand“ bündeln. Ziele und Schwerpunkte des schulspezifischen Konzepts sollten gemeinsam mit der Schulgemeinde entwickelt und in eine schulische Gesamtstrategie überführt werden. Bestehende Angebote – etwa aus Ganztag oder Schulsozialarbeit – können mit neuen Elementen des Familienzentrums verknüpft werden, um Doppelstrukturen zu vermeiden.
Für das Gelingen sind klare Strukturen und Prozesse multiprofessioneller Zusammenarbeit entscheidend, die über einen integrierenden Schulentwicklungsprozess etabliert werden. Die Schulleitung trägt dabei die Gesamtverantwortung, sollte den Prozess jedoch kooperativ und teamorientiert gestalten. Herausforderungen ergeben sich insbesondere bei verteilten Trägerstrukturen oder additiven Ganztagskonzepten: unterschiedliche Arbeitszeiten, fehlende Austauschgelegenheiten im Team und unklare Zuständigkeiten erschweren die Kooperation. Werden diese Hürden im Entwicklungsprozess bearbeitet, können Familienzentren Impulse für die Weiterentwicklung multiprofessioneller Zusammenarbeit, die Verzahnung von Vor- und Nachmittag sowie die Einbindung von Schulsozialarbeit und Jugendhilfe geben.
Die Einbindung in kommunale Präventionsketten stellt Schulen zunächst vor zusätzliche Anforderungen, etwa durch vorhandene Qualitätsrahmen und Vorgaben oder die Mitwirkung an Vernetzungsstrukturen. Langfristig überwiegen jedoch die Entlastungseffekte: Kommunen können Schulen durch kooperationsfördernde Strukturen, Leistungsvereinbarungen und einen Qualitätsrahmen, der Orientierung für die Umsetzung der Angebote gibt, unterstützen. Die Bündelung von Jugendhilfeleistungen und die Systematisierung von Lotsenfunktionen tragen zum Abbau von Zugangsbarrieren bei und ermöglichen eine passgenaue Unterstützung für Kinder und Familien.
Publikationen zum Projekt
Hackstein, Philipp / Micheel, Brigitte / Stöbe-Blossey, Sybille, 2024: Familienzentren im Primarbereich: Vom Nebeneinander zum Miteinander in der Schulentwicklung. In: impaktmagazin „Familiengrundschulzentren – Zusammenarbeit im multiprofessionellen Team“, S. 6–21 | Lesen
Fischer, Sandra / Hackstein, Philipp / Stöbe-Blossey, Sybille, 2023: Kommunaler Potenzialgewinn in der Bildungspolitik: Gelingensbedingungen für die Realisierung. In: Christian Brüggemann, Björn Hermstein und Rita Nikolai: Bildungskommunen. Bedeutung und Wandel kommunaler Politik und Verwaltung im Bildungswesen. Weinheim [u.a.]: Beltz Juventa, S. 91–107
Hackstein, Philipp / Micheel, Brigitte / Stöbe-Blossey, Sybille, 2023: Familiengrundschulzentren im Sozialraum: Gelingensbedingungen für eine kontextsensible Zusammenarbeit zwischen Grundschule und Familien. In: Matthias Forell, Gabriele Bellenberg, Lukas Gerhards und Lena Schleenbecker: Schule als Sozialraum im Sozialraum. Theoretische und empirische Erkundung sozialräumlicher Dimensionen von Schule. Münster [u.a.]: Waxmann, S. 97–107
Hackstein, Philipp / Micheel, Brigitte / Stöbe-Blossey, Sybille, 2022: Familienzentren im Primarbereich: Herausforderungen und Perspektiven für die kommunale Steuerung. In: impaktmagazin "Familiengrundschulzentren – Bitte Nachmachen!", S. 10–25 | Lesen
Hackstein, Philipp / Micheel, Brigitte / Stöbe-Blossey, Sybille, 2022: Familienorientierung von Bildungsinstitutionen: Potenziale von Familienzentren im Primarbereich. Duisburg: Inst. Arbeit und Qualifikation. IAQ-Report 2022-09 | DOI-Link| Info | Lesen
Born, Andreas / Klaudy, Elke Katharina / Micheel, Brigitte / Risse, Thomas / Stöbe-Blossey, Sybille (Hrsg.): , 2019: Familienzentren an Grundschulen. Abschlussbericht zur Evaluation in Gelsenkirchen. Duisburg: Inst. Arbeit und Qualifikation. IAQ-Forschung 2019-04 | DOI-Link | Lesen
Vorträge zum Projekt
Philipp Hackstein: Zusammenarbeit von Schule und Eltern als Grundlage für besseres Lernen: Potenziale von Familienzentren im Primarbereich. Zusammenarbeit mit Eltern – Familiengrundschulzentren im Fokus, online, "SchuMaS meets...", 13.05.2024
Philipp Hackstein: Multiprofessionelle Kooperation in Familienzentren im Primarbereich: Zusammenarbeit zwischen Grundschule und Familien ganzheitlich gestalten. 11. Tagung der Gesellschaft für empirische Bildungsforschung (GEBF): Bildung verstehen – Partizipation erreichen – Transfer gestalten, Symposium "Von Vielfalt profitieren – Eine ganzheitliche Förderung von Schülerinnen und Schülern durch multiprofessionelle Kooperation gestalten" (Chairs: Dr. Monique Ratermann-Busse, Philipp Hackstein, Susanne Enssen; Diskutantin: Prof. Dr. Nina Bremm (FAU)), Universität Potsdam, 18.03.2024 Weitere Informationen
Philipp Hackstein: Sozialraumorientierung als Basis für eine kontextsensible Zusammenarbeit mit Eltern. Sozialräumliche Öffnung - Sozialräumliches Arbeiten - Sozialraumorientierung. Die Bedeutung des „sozialen Raums“ für Kinder, Familien und für die Ausgestaltung von Ganztagsbildung, Jugendherberge Duisburg Sportpark, ISA – Institut für soziale Arbeit e. V., 06.03.2024
Philipp Hackstein: Familiengrundschulzentren und Schulentwicklung: Vom Nebeneinander zum Miteinander. Fachtag Gemeinsam statt nebeneinander. Familiengrundschulzentren in NRW, Düsseldorf, Wübben Stiftung Bildung, 06.09.2023 Weitere Informationen
Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey: Familiengrundschulzentren: Kommunale Strategien zur Förderung von Kindern im Grundschulalter. Fachtagung Familiengrundschulzentren, Wübben Stiftung Bildung, Düsseldorf, 06.09.2023 Vortragsfolien
Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey: Sozialräumliche Partnerschaft - Familienbezogene Infrastruktur zur Stärkung der Gesundheit. Fachtag "kinderstark - NRW schafft Chancen" Sozialraumorientierung und Gesundheitsförderung. Witten, 19.06.2023 Vortragsfolien
Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey: Familienzentren in Kitas und Grundschulen. Fachforum 11. Fachkongress Kinder- und Jugendarmut des Landes Nordrhein-Westfalen, Essen, 22.05.2023 Vortragsfolien
Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey: Familienzentren und Familiengrundschulzentren; Forum 1: Sozialräumliche Partnerschaft - Familienbezogene Infrastruktur zur Stärkung der Gesundheit. 6. Ruhrgebietskongress zur Kinder- und Jugend-Gesundheit. Essen, MedeCon Ruhr, 18.03.2023 Vortragsfolien
Philipp Hackstein, Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey: Rahmenbedingungen für eine integrierte Angebotsentwicklung von Familiengrundschulzentren. Netzwerkveranstaltung: Familiengrundschulzentren im Ruhrgebiet, Haus der Technik, Essen, Institut für soziale Arbeit e.V., 14.06.2022
Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey, Philipp Hackstein, Dr. Brigitte Micheel: Familiengrundschulzentren: Potenziale und Perspektiven für Kommunen. Entwicklungskonferenz, Wübben Stiftung, Livestream , 09.05.2022 Vortragsfolien Weitere Informationen