Informationen zum Forschungsprojekt

Report Dual Studierende – Zur aktuellen Lage in einem hybriden Ausbildungsformat

Überblick

Das Angebot dualer Studiengänge als eine hybride Ausbildungsform, angesiedelt zwischen dem Berufsbildungs- und dem Hochschulsystem, hat sich im Zeitraum 2010 bis 2020 etwa verdoppelt und zu diesem Zeitpunkt eine Anzahl von knapp 1.700 dualen Studiengängen in der Erstausbildung erreicht (vgl. BIBB-Datenbank AusbildungPlus). Damit reagieren Hochschulen und Betriebe auf die verstärkte Nachfrage der SchulabgängerInnen mit Hochschulzugangsberechtigung, bei denen diese Bildungsform immer beliebter wird. Die Situation der dual Studierenden und ihre Stellung im Gefüge des dreiseitigen Vertragsverhältnisses an mindestens zwei Lernorten ist bereits in einer Reihe von Studien und Forschungsprojekten untersucht worden. Mehrfach sind in Studierendenbefragungen auf Länder- und Bundesebene die Gründe für eine Entscheidung zur Aufnahme eines dualen Studiums sowie die Erwartungen der StudienanfängerInnen erfragt worden, das bildungsbiografische Umfeld sowie der sozioökonomische Hintergrund beleuchtet worden. Eine deutliche Forschungslücke ließ sich für die Frage nach den Verträgen und Verabredungen, die zwischen dual Studierenden und den betrieblichen PraxispartnerInnen einerseits sowie zwischen Ausbildungsbetrieben und Hochschulen andererseits bestehen, ausmachen. Aus qualitativen Studien war bekannt, dass in diesem Bereich eine große Vielfalt besteht und sich daraus eine weitreichende Bandbreite der Absicherung und der Regelungsdichte der betrieblichen Praxisphasen in dualen Studienmodellen ergibt. Dieser rechtliche Rahmen bestimmt die Praxis, welche die dual Studierenden während ihrer betrieblichen Ausbildungs- und Einsatzzeiten vorfinden sowie die Qualität ihrer Ausbildung. Im Fokus der hier skizzierten Studie standen eben diese vertraglichen und betrieblichen Bedingungen der Praxisphasen im Studium.

Der Untersuchung lagen folgende Leitfragen zugrunde:

  1. Was wird in den Verträgen, die zwischen dual Studierenden und ihrem Ausbildungsbetrieb bestehen, geregelt und in welcher Form? Inwiefern spielen dabei Musterverträge (z.B. von Dachverbänden) eine Rolle, um Orientierung, Sicherheit und (Mindest)standards zu garantieren?
  2. In welchem Umfang existieren Kooperationsvereinbarungen zwischen den beiden Lernorten ‚Betrieb‘ und ‚Hochschule‘, was regeln diese und wo liegen die jeweiligen Zuständigkeiten?
  3. Inwiefern gelten für dual Studierende weitergehende Regulierungen ihrer betrieblichen Ausbildung auf der Grundlage von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen?
  4. Wie gestaltet sich die Umsetzung aller Vorgaben verschiedener Regulierungsebenen in den Praxisphasen im Ausbildungsbetrieb? Wo zeigen sich Defizite und Handlungsbedarfe in diesem Zusammenhang?
  5. Welche Regelungen gibt es bezüglich der beruflichen Zukunft dual Studierender, sowohl innerhalb des Ausbildungsbetriebs, wie Karriereprogramme und Übernahmevereinbarungen, als auch hinsichtlich weiterer Qualifizierungsschritte, wie z.B. ein Masterstudium.

Vorgehen

Zur Beantwortung dieser forschungsleitenden Fragen wurde eine bundesweit angelegte Befragung dual Studierender durchgeführt. Auf der Grundlage der in der Datenbank AusbildungPlus aktuell vorliegenden Zahlen war von knapp 110.000 dual Studierenden in Studiengängen zur Erstausbildung auszugehen. Zur Durchführung der Befragung wurde ein online gestützter Fragebogen mit geschlossenen und einigen (teil)offenen Fragen konstruiert, der nach einem Pretest im Feld zum Einsatz kam. Die erhobenen Daten aus der Studierendenbefragung wurden SPSS-gestützt ausgewertet. Im ersten Schritt erfolgte eine Grundauszählung, deren eindimensionale Häufigkeitsverteilungen zentrale Informationen über die Ausprägungen der untersuchten Variablen gaben. Ziel war es, anhand der nominal- und ordinalskalierten Variablen einen breiten Interpretationsspielraum zu eröffnen. In einem zweiten Schritt wurden Korrelationen berechnet als Grundlage einer vertieften Analyse und zur Darlegung von Zusammenhängen zwischen verschiedenen Variablen.

Zur Ergänzung und Validierung der in der Studierendenbefragung gewonnenen Daten und Ergebnisse wurden an drei Hochschulen Gruppendiskussionen mit dual Studierenden durchgeführt. Die Standorte wurden so ausgesucht, dass ein möglichst breites Spektrum hinsichtlich der Angebotsstruktur sowie der Vertragstypen dualer Studienangebote berücksichtigt wurde. Es wurden acht bis zehn Studierende als Fokusgruppe zu jeweils einer Gruppendiskussion eingeladen und die Durchführung erfolgte in einem digitalen Format, um den Zeitaufwand für die Teilnehmenden möglichst gering zu halten und weitere (coronabedingte) Organisationsaufgaben zu vermeiden.

Der konkrete Forschungsablauf gliederte sich in die vier folgenden Module:

Modul 1: Konstruktion des Samples der Onlinebefragung / Feldzugang
Modul 2: Studierendenbefragung
Modul 3: Gruppendiskussionen
Modul 4: Berichtslegung / Transfer der Ergebnisse

Zentrale Ergebnisse

Duales Studium – teuer und oft unzureichend abgesichert

Ein duales Studium verursacht hohe Kosten. Bei 80 % der Befragten liegen Betrieb und Hochschule nicht am selben Ort, was oft Pendelzeiten oder doppelte Haushaltsführung erfordert. Knapp ein Viertel hat sogar zwei Wohnorte. Zwei Drittel erhalten dafür keinerlei finanzielle Unterstützung vom Arbeitgeber. Besonders problematisch wird es, wenn zusätzlich Studiengebühren anfallen – insbesondere an privaten Hochschulen. Jede*r dritte Studierende dort muss diese Kosten allein tragen, teils über 1.000 € im Monat.

Fast die Hälfte der Studierenden muss Ausbildungsmittel und Semesterbeiträge selbst finanzieren – obwohl in der Berufsausbildung eine Kostenübernahme gesetzlich vorgeschrieben ist, im dualen Studium aber nicht. Ohne angemessene Vergütung ist ein duales Studium für viele nur schwer finanzierbar.

Vergütung reicht häufig nicht aus

Viele wählen das duale Studium wegen der erhofften finanziellen Unabhängigkeit – werden jedoch enttäuscht. Jeder Fünfte verdient weniger als 935 € im Monat, in KMUs sogar jeder Dritte. Besonders niedrig fällt die Vergütung in Forst- und Landwirtschaft aus: Drei Viertel erhalten dort unter 935 €. Mehr als die Hälfte ist auf Unterstützung von Eltern oder Partnerin angewiesen, jeder Sechste jobbt zusätzlich – trotz hoher Studienbelastung.

Vertragslücken und unklare Regelungen

Viele dual Studierende unterschreiben mit dem Ausbildungsvertrag ihren ersten Arbeitsvertrag – häufig ohne umfassendes Wissen über Inhalte und Rechte. Ein Drittel weiß nicht, ob für sie ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung gilt. Bei einem weiteren Drittel ist keine jährliche Vergütungserhöhung vorgesehen – obwohl der Arbeitsanteil im Betrieb mit der Zeit steigt.

Bei rund einem Viertel ist die Freistellung für Hochschulzeiten nicht vertraglich geregelt, bei Prüfungszeiten sogar bei mehr als einem Drittel. Studierende sind dadurch auf die Kulanz der Betriebe angewiesen. Anders als in der Berufsausbildung, wo ein Rechtsanspruch auf Freistellung besteht, fehlt dieser im dualen Studium.

Besonders kritisch: Über zwei Drittel unterliegen Bindungsklauseln, die sie nach Studienabschluss für bis zu sechs Jahre an den Betrieb binden – bei vorzeitigem Austritt drohen Rückzahlungen. Solche Klauseln sind gesetzlich nicht ausgeschlossen.

Unsichere Übernahme, geringe Planungssicherheit

Nur 58 % der dual Studierenden haben eine Übernahmevereinbarung – obwohl die meisten im Betrieb bleiben wollen. Im Gesundheits-, Sozial- und Erziehungsbereich sowie in KMUs ist die Übernahmequote besonders niedrig. Nur ein Viertel der Vereinbarungen liegt schriftlich vor, jede*r Siebte ist an Bedingungen wie Notenschnitt gebunden. Drei Viertel der übernommenen Studierenden erhalten einen unbefristeten Vertrag, der Rest meist nur für ein Jahr.

Qualitätsmängel in den Praxisphasen

Zwar bewerten 67,3 % die Qualität der Praxisphasen mit „(sehr) gut“, dennoch ist rund ein Drittel unzufrieden – besonders mit der Betreuung und der fehlenden Abstimmung zwischen Hochschule und Betrieb. 32,7 % kritisieren, dass Wissensvermittlung im Betrieb kaum stattfindet, 44,4 % berichten von fehlender inhaltlicher Abstimmung. 41,8 % bemängeln die Betreuung, etwa jede*r Fünfte bekommt kein Feedback oder kann eigene Wünsche zur Praxisgestaltung nicht einbringen.

Nur ein Drittel der Studierenden erhält ECTS-Punkte für die Praxisphasen. 43,9 % erhalten keine, 22,1 % wissen nicht, ob sie welche bekommen. Das untergräbt eine realistische Anerkennung des Workloads. Auch bei Ausstattung und Lernmitteln gibt es Probleme: 10 % fehlt es an grundlegenden Materialien, 15,7 % arbeiten mit veralteten, nicht digitalen Mitteln.

Publikationen zum Projekt

Krone, Sirikit / Niehoff, Annika, 2023: Report Dual Studierende. Zur aktuellen Lage in einem hybriden Ausbildungsformat. Berlin: DGB-Bundesvorstand| Info | Lesen

Vorträge zum Projekt

Dr. Monique Ratermann-Busse, Dr. Sirikit Krone: Berufliche Bildung zwischen Akademisierung und dem Lernort Praxis. IAQ debattiert: Dual studieren im Blick. Berufliche Bildung zwischen Akademisierung und dem Lernort Praxis. Mit: Dr. Sirikit Krone, Dr. Monique Ratermann-Busse, wiss. Mitarbeiterinnen, Abt. BEST am IAQ; Susanne Braun, politische Referentin beim DGB – Bundesvorstand, Abt. Jugend und Jugendpolitik; Dr. Hans-Jürgen Metternich, Ausbildungskoordinator/Leiter PL Ausbildung & Ideenmanagement bei der Evonik Industries AG, digital, 27.11.2023  Weitere Informationen

Dr. Sirikit Krone: Der Jobeinstieg dualer Studienabsolvent:innen – Karriere inklusive? AEPF-Tagung 'Lehren und Lernen neu gedacht – Konsequenzen für das zukünftige Bildungswesen', 21. – 23. September, Universität Stuttgart, 22.09.2022  Weitere Informationen

Dr. Sirikit Krone: Ergebnisse der Evaluierungsstudie zum Dualen Studium. Fachgespräch der AG Bildung und Forschung der SPD-Bundestagsfraktion zum Dualen Studium, Berlin, 04.07.2022

Projektdaten

Laufzeit des Projektes
01.12.2021 - 31.08.2023

Forschungsabteilung
Bildung, Entwicklung, Soziale Teilhabe

Leitung:
Dr. Sirikit Krone

Bearbeitung:
Annika Niehoff

Finanzierung:
DGB Bundesvorstand

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