Informationen zum Forschungsprojekt

Mehr Rechte für die einen – mehr Druck für die anderen?
Lebensphasenbezogene Zeitoptionen und ihre Auswirkungen auf die betriebsinterne Arbeitsorganisation (ZOBAO)

Hintergrund

Gesetzgeber und Tarifparteien kommen mit der Einführung unterschiedlicher Möglichkeiten temporärer Arbeitszeitverkürzungen den Wünschen vieler Beschäftigter nach lebensphasenbezogener Arbeitszeitflexibilität entgegen. Erfahrungen u.a. bei Post, Bahn und der metallverarbeitenden Industrie zeigen, dass die in den Tarifverträgen angebotene Wahl zwischen Freizeit und Geld von den Beschäftigten gut angenommen wird. Zusammen mit der Elternzeit, der Familienpflegezeit und den Rechten auf Teilzeit existiert damit eine Vielzahl an Instrumenten, die Arbeitszeit an die Anforderungen der jeweiligen Lebensphase anzupassen. Bislang wenig bekannt ist jedoch, wie die neuen Regelungen in den Betrieben umgesetzt werden, wie die diversen rechtlichen und tariflichen Ansprüche zusammenwirken und welche Effekte die mit der Nutzung von Zeitrechten verbundenen Arbeitszeitausfälle auf die Arbeitsorganisation einerseits und diejenigen Beschäftigten, die Zeitrechte nicht nutzen (können) andererseits, haben.

Fragestellung

Im Zentrum des Vorhabens stand die Frage, wie gut Betriebe auf temporäre Freistellungen und Arbeitszeitreduzierungen von Beschäftigten vorbereitet sind und wie sie den Arbeitszeitausfall kompensieren: Welche Rollen spielen interne (z.B. Mehrarbeit, Leistungsverdichtung) und externe (Neueinstellungen, Leiharbeit) Kompensationsstrategien und Prozessoptimierungen? Und wie strategisch gehen Personalverantwortliche bei der Entscheidung für eine Kompensationsmaßnahme vor? Werden Arbeitgeber vor dem Hintergrund des Personalkräftemangels vor kaum zu lösenden Problemen gestellt oder entwickeln sie neue, innovative Konzepte des Personalmanagements? Führen die neuen Rechte zu einer verbesserten Work-Life-Balance der Beschäftigten und leisten sie einen Beitrag zur eigenverantwortlichen Gestaltung einer „guten Erwerbsbiografie“ – oder gehen die vermehrten Rechte für die Kernbelegschaften auf Kosten der Randbelegschaften und schlecht in den Arbeitsmarkt eingebundener Gruppen?

Vorgehen

Das Forschungsprogramm strukturierte sich entlang von zwei Leitfragen: Die Frage der Verbreitung, Ausgestaltung und aktiven Nutzung gesetzlicher, tariflicher und betrieblicher temporärer lebenslaufbezogener Freistellungen und Arbeitszeitverkürzungen beantworteten wir mittels einer repräsentativen quantitativen Betriebsbefragung (n = 1015) mit dem Ziel, erstmalig einen Überblick über die Verbreitung und subjektive Bewertung der Bedeutung lebenslaufbezogener Arbeitszeitverkürzungen zu erhalten, aber auch mehr über die Vorgehensweise und Herausforderungen bei der Kompensation von Arbeitszeitausfällen zu erfahren.

Die Frage, wie lebensphasenspezifische Arbeitszeitverkürzungen in den Betrieben konkret umgesetzt werden, wie betriebliche Akteure mit den über die Lebensphasen variierenden An-/Abwesenheiten und Arbeitszeitumfängen ihrer Beschäftigten umgehen und welche Lösungen sie finden, analysierten wir mittels sechs qualitativer Betriebsfallstudien in fünf unterschiedlichen Branchen.

Ergebnisse

Sowohl die quantitativen als auch die qualitativen Ergebnisse zeigen, dass lebensphasenorientierte Arbeitszeitreduzierungen inzwischen eine große Rolle in den Betrieben spielen. Insbesondere die Elternzeit als Zeitrecht, aber auch informelle Regelungen, sind weit verbreitet. Trotz der hohen Verbreitung in den Betrieben weisen die Fallstudien darauf hin, dass diese oftmals wenig strategisch bei der Kompensation der durch die Inanspruchnahme von temporären Arbeitszeitreduzierungen entstehenden Arbeitsausfälle vorgehen und diese häufig situativ und ad-hoc erfolgt. Die quantitative Befragung zeigt entsprechend, dass Betriebe eher zu schnell umzusetzenden internen Maßnahmen wie internen Vertretungen und Mehrarbeit greifen und externe Maßnahmen wie Arbeitnehmerüberlassungen und der Rückgriff auf externe Dienstleister eine deutlich geringere Rolle spielen. Insgesamt, so zeigen unsere Befragungen, schätzen Betriebe die Existenz von Instrumenten der temporären Freistellung oder Arbeitszeitverkürzung als wichtig ein, auch wenn sie bezüglich ihrer Kompensation häufig vor Herausforderungen stehen - dies umso mehr, je mehr die Betriebe eine Personalstrategie der „unteren Linie“ gefahren haben.

Publikationen zum Projekt

Haarmann, Silvie / Rinke, Timothy / Kümmerling, Angelika, 2025: Arbeitnehmer:innenorientierte Zeitrechte zur Flexibilisierung von Arbeitszeit im Lebensverlauf – eine Herausforderung für Betriebe? In: sozialpolitik.ch 1.4 | DOI-Link

Kümmerling, Angelika / Rinke, Timothy, 2025: Zur Nutzung von Zeitrechten und Zeitoptionen in deutschen Betrieben. In: WSI-Mitteilungen 77 (2), S. 132–138 | DOI-Link

Kümmerling, Angelika / Rinke, Timothy, 2025: Zeitrechte von Beschäftigten und ihre betriebliche Umsetzung. Ergebnisse einer quantitativen Betriebsbefragung. Duisburg: Inst. Arbeit und Qualifikation. IAQ-Report 2025-05 | DOI-Link| Info | Lesen

Rinke, Timothy / Kümmerling, Angelika, 2025: Folgen der Inanspruchnahme von Elternzeit für das Verhältnis zwischen Führungskräften und Belegschaft – Ergebnisse einer repräsentativen Betriebsbefragung. In: Sozialer Fortschritt 74 (2–3), S. 135–155 | DOI-Link

Klammer, Ute, 2024: Vier-Tage-Woche oder lebensphasenbezogene Zeitoptionen? Arbeitszeitpolitik zwischen kollektivem "new normal" und individueller Arbeitszeitflexibilität. In: Sozialer Fortschritt 73 (1), S. 37–46

Kümmerling, Angelika, 2024: Eine bessere Work-Life Balance für die einen, mehr (Zeit-)Druck für die anderen? Arbeitnehmer:innenorientierte Zeitrechte im Fokus. In: Joachim Lange, Michaela Evans-Borchers, Lena Marie Wirth, Silke Völz, Manfred Hülsken-Giesler, Gerhard Finking: Vereinbarkeit von Beruf und Pflege. Koordination und Kooperation von Arbeit in Betrieben und Sorgenetzwerken. Rehburg-Loccum: Evangelische Akademie Loccum, ISBN: 978-3-8172-4024-1| Info

Kümmerling, Angelika / Rinke, Timothy / Schmieja, Vanessa / Klammer, Ute, 2023: Keine Zeit mehr für Erwerbsarbeit? Lebensphasenbezogene Arbeitszeiten als betriebliche Herausforderung. Duisburg: Inst. Arbeit und Qualifikation. IAQ-Report 2023-10 | DOI-Link| Info | Lesen

Vorträge zum Projekt

Dr. Angelika Kümmerling: Mehr Rechte für die einen – mehr Druck für die anderen? Zeitoptionen für Beschäftigte und die Folgen für die betriebliche Arbeitsorganisation. ISWA - Praxiswebinar. Wie können Pflege und Beruf besser vereinbart werden?, 27.11.2024  Weitere Informationen

Dr. Angelika Kümmerling, Timothy Rinke: Verbreitung und betriebliche Umsetzung von lebenslaufbezogener Arbeitszeitflexibilität – Ergebnisse einer repräsentativen Betriebsbefragung. 12. Symposium der Arbeitszeitgesellschaft, 10. - 11. Oktober 2024 in Berlin, 11.10.2024  Weitere Informationen

Silvie Haarmann, Dr. Angelika Kümmerling, Timothy Rinke: Mehr Rechte für die einen – mehr Druck für die anderen: Tragen lebensphasenbezogene Zeitoptionen zu einer Dualisierung des Arbeitsmarktes bei? LABOR.A® 2024: FILL THE GAP! Hans-Böckler-Stiftung, Berlin und digital, 19.09.2024  Weitere Informationen

Timothy Rinke: Arbeitszeiten im Lebensverlauf – Chancen und Herausforderungen für Beschäftigte und Betriebe. Input auf der Plenumssitzung des Bündnis Sorgearbeit fair teilen, 10.09.2024

Silvie Haarmann, Dr. Angelika Kümmerling, Timothy Rinke: More Rights for Some – More Pressures for Others: To what extent do provisions on the reduction of working time affect the work organisation of companies in Germany. 42nd Conference of the International Working Party on Labour Market Segmentation (IWPLMS), 5. bis 6. September 2024, Copenhagen, 06.09.2024  Weitere Informationen

Dr. Angelika Kümmerling, Timothy Rinke: More rights for some - more pressure for others: Do life-phase-related time options contribute to the dualisation of the labour market. SASE Annual Conference, Limerick, Irland, 27–29 June 2024, 27.06.2024  Weitere Informationen

Dr. Angelika Kümmerling: Arbeitszeitwünsche und Präferenzen für 4-Tage-Woche. DIFIS Workshop: 4-Tage-Woche – Eine Lösung für alle? Bremen, 15.03.2024  Weitere Informationen

Dr. Angelika Kümmerling: Eine bessere Work-Life Balance für die einen, mehr (Zeit-)Druck für die anderen? Arbeitnehmer:innenorientierte Zeitrechte im Fokus. Vereinbarkeit von Beruf und Pflege - Koordination und Kooperation von Arbeit in Betrieben und Sorgenetzwerken, 17.-18.1.2024, Loccum, 17.01.2024  Weitere Informationen

Dr. Angelika Kümmerling: Flexibel, länger, mehr? Arbeitszeiten im Spannungsfeld zwischen Fachkräftemangel und Beschäftigtenwünsche. Betriebsräteversammlung, Cargill, Teistungen, 23.11.2023

Dr. Angelika Kümmerling: Zeitoptionen, 4-Tageswoche … Arbeitszeiten im Spannungsfeld zwischen Arbeitszeitautonomie und Fachkräftesicherung. "Vier Tage sollst Du arbeiten?" Chancen und Risiken für Gute Arbeit. DGB Emscher Lippe in Kooperation mit katholischer u. evangelischer Kirche, 17.11.2023

Timothy Rinke, Dr. Angelika Kümmerling, Vanessa Schmieja: The Handling of Employee- and Life-Phase-Oriented Time Rights in Companies: More Rights for Some - More Pressure for Others? Workshop “Organisations and Social Sustainability at Work”, Sønderborg, AKempor – Arbeitskreis Empirische Personal- und Organisationsforschung, 09.11.2023

Dr. Angelika Kümmerling, Timothy Rinke, Vanessa Schmieja: Arbeitnehmerbezogene Zeitrechte und Wahloptionen: Auswirkungen auf die Arbeitsorganisation und Kompensationsstrategien aus betrieblicher Sicht. 11. Symposium der Arbeitszeitgesellschaft, Wien, 22.09.2023  Weitere Informationen

Timothy Rinke: Mehr Rechte für die einen, mehr Druck für die anderen? (Erste) Erkenntnisse zur betrieblichen Organisation lebensphasenbezogener Arbeitszeitreduzierungen. Weniger arbeiten, besser leben? Erkenntnisse zur 4-Tage-Woche aus Forschung und Praxis, Hamburg, KDA der Nordkirche, 15.09.2023

Dr. Angelika Kümmerling: Sind die Arbeitszeitwünsche heute und zukünftig mit den Anforderungen des Fachkräftemangels vereinbar? BMAS: Online Workshops des neuen Zukunftsdialogs#2: „Zukunft der Arbeit – Welche Arbeitszeiten wollen wir?“, 22.06.2023

Dr. Angelika Kümmerling: Arbeitszeit und Arbeitswünsche im Zeitalter der Arbeitskräfte-knappheit. Eine Bestandsaufnahme vor dem Hintergrund der Fachkräftestrategie der Bundesregierung. IAQ debattiert: Zeitoptionen, 4-Tageswoche … Arbeitszeitpolitik im Spannungsfeld zwischen Arbeitszeitautonomie und Fachkräftesicherung, 19.06.2023

Projektdaten

Laufzeit des Projektes
01.01.2022 - 31.03.2025

Forschungsabteilung
Arbeitszeit und Arbeitsorganisation, Institutsleitung

Leitung:
Prof. Dr. Ute Klammer, Dr. Angelika Kümmerling

Bearbeitung:
Timothy Rinke, Vanessa Schmieja (bis 30.09.2023), Silvie Haarmann

Finanzierung:
Hans-Böckler-Stiftung

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