Informationen zum Forschungsprojekt
Mehr Rechte für die einen – mehr Druck für die anderen?
Lebensphasenbezogene Zeitoptionen und ihre Auswirkungen auf die betriebsinterne Arbeitsorganisation (ZOBAO)
Hintergrund
Gesetzgeber und Tarifparteien kommen mit der Einführung unterschiedlicher Möglichkeiten temporärer Arbeitszeitverkürzungen den Bedürfnissen nach lebensphasenbezogener Arbeitszeitflexibilität vieler Beschäftigter entgegen. Erfahrungen u.a. bei Post und Bahn, der EVG und IG Metall zeigen, dass die in den Tarifverträgen angebotene Wahl zwischen Freizeit und Geld von den Beschäftigten gut angenommen wird. Zusammen mit der Elternzeit, der Familienpflegezeit und den verschiedenen Rechten auf Teilzeit, existiert damit ein bunter Strauß an Möglichkeiten, die Arbeitszeit an die Anforderungen der jeweiligen Lebensphase anzupassen.
Bislang wenig bekannt ist jedoch, wie die neuen Regelungen in den Betrieben umgesetzt werden und wie die unterschiedlichen rechtlichen und tariflichen Ansprüche zusammenwirken.
Fragestellung
Im Zentrum unseres Vorhabens steht daher die Frage, wie gut die Betriebe auf die temporären Freistellungen und Arbeitszeitreduzierungen ihrer Mitarbeitenden vorbereitet sind und wie sie den Arbeitszeitausfall kompensieren: Werden Arbeitgeber, wie Kritiker des Konzepts "Zeit statt Geld" bemängeln, vor kaum zu lösende Probleme gestellt – oder entwickeln sich neue, innovative Konzepte des Personalmanagements? Können die neuen Rechte zu einer verbesserten Work-Life-Balance der Beschäftigten führen und einen Beitrag zur eigenverantwortlichen Gestaltung einer „guten Erwerbsbiografie“ leisten – oder gehen die vermehrten Rechte für die Kernbelegschaften auf Kosten der Randbelegschaften und schlecht in den Arbeitsmarkt eingebundenen Gruppen? Anknüpfend an die These der „Dualisierung“ auf dem deutschen Arbeitsmarkt (u.a. Dingeldey 2010, Eichhorst/Tobsch 2015, Eichhorst/Marx 2011, 2019) gilt zudem ein besonderes Interesse der Frage, ob/wann die neuen Rechte zu einer Vertiefung der Kluft zwischen verschiedenen Gruppen der Belegschaften bzw. der Erwerbsbevölkerung führen („mehr Rechte für die einen – mehr Druck für die anderen?“) und ob/wann sie einen positiven Beitrag zur Lösung der Zeit- und Flexibilitätsbedarfe von Beschäftigten und Unternehmen leisten. Nicht zuletzt beschäftigen wir uns mit der Frage, welche strategischen Herausforderungen durch die neuen Zeitrechte für die betriebliche Mitbestimmung entstehen.
Vorgehen
Die Analyse beruht auf zwei Methoden: Acht qualitativen Betriebsfallstudien und einer repräsentativen quantitativen Betriebsbefragung.
Ziel der quantitativen Betriebsbefragung ist die Erfassung der Verbreitung, Ausgestaltung und aktiven Nutzung gesetzlicher, tariflicher und betrieblicher temporärer lebenslaufbezogener Freistellungen und Arbeitszeitverkürzungen. Dadurch wird erstmalig ein Überblick über die Inzidenz und die Organisation lebenslaufbezogener Arbeitszeitverkürzungen geschaffen.
Mittels der in unterschiedlichen Branchen durchzuführenden Fallstudien gewinnen wir vertiefte Einblicke darüber, wie lebenslaufbezogene Arbeitszeitverkürzungen in den Betrieben konkret umgesetzt werden, wie betriebliche Akteure mit den über die Lebensphasen variierenden An-/Abwesenheiten und Arbeitszeitumfängen ihrer Beschäftigten umgehen, wie strategisch sie diese angehen und welche Lösungen sie für die daraus resultierenden Herausforderungen finden.
Vorträge zum Projekt
Dr. Angelika Kümmerling, Timothy Rinke, Vanessa Schmieja: Arbeitnehmerbezogene Zeitrechte und Wahloptionen: Auswirkungen auf die Arbeitsorganisation und Kompensationsstrategien aus betrieblicher Sicht. 11. Symposium der Arbeitszeitgesellschaft, Wien, 22 Sep 2023, 22.09.2023 Weitere Informationen
Dr. Angelika Kümmerling, Timothy Rinke, Vanessa Schmieja: More rights for some - more pressure for others: Life-phase oriented working time options and its impact on work organization. 41st Conference of the International Working Party on Labour Market Segmentation, 14 – 16 September, Paris, 16.09.2023 Weitere Informationen
Dr. Angelika Kümmerling: Sind die Arbeitszeitwünsche heute und zukünftig mit den Anforderungen des Fachkräftemangels vereinbar? BMAS: Online Workshops des neuen Zukunftsdialogs#2: „Zukunft der Arbeit - Welche Arbeitszeiten wollen wir?“ , 22.06.2023
Dr. Angelika Kümmerling: Arbeitszeit und Arbeitswünsche im Zeitalter der Arbeitskräfte-knappheit. Eine Bestandsaufnahme vor dem Hintergrund der Fachkräftestrategie der Bundesregierung. IAQ debattiert: Zeitoptionen, 4-Tageswoche … Arbeitszeitpolitik im Spannungsfeld zwischen Arbeitszeitautonomie und Fachkräftesicherung, 19.06.2023