Informationen zum Forschungsprojekt

Zugangssteuerung in Erwerbsminderungsrenten

Ziel und Aufgabenstellung

Die soziale Sicherung gegen das Risiko der Erwerbsunfähigkeit ist eine der zentralen sozialpolitischen Leistungen moderner Gesellschaften. Angesichts der steigenden Altersgrenze für die Regelaltersrente ist ein zunehmender Druck auf die Erwerbsminderungsrente zu erwarten. Die Armutsgefährdung unter Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentnern ist jedoch relativ hoch. Bereits in den letzten Jahren ist ein sozialstruktureller Wandel unter den Neuzugängen in Erwerbsminderungsrente zu beobachten (mehr Frauen, Zunahme psychischer Diagnosen, mehr Zugänge aus Beschäftigungslosigkeit sowie aus ALG II-Bezug). Anhaltend hohe Ablehnungsquoten unter den Rentenanträgen zeigen eine hohe Unsicherheit bei den Betroffenen über die Maßstäbe der Erwerbsunfähigkeit an, und eine hohe regionale Varianz in der Häufigkeit des Erwerbsminderungsrentenzugangs lässt Unterschiede in der lokalen Bewilligungspraxis vermuten.

Das Projekt untersucht die Zugangssteuerung in Erwerbsminderungsrenten. Wir begreifen den Zugang in EM-Renten als einen mehrstufigen Prozess mit Entscheidungspunkten (Entscheidung über eine Antragstellung, über eine Reha, über eine befristete bzw. eine unbefristete Rente), in dem mehrere Akteure – Ärztinnen und Ärzte und Gutachterinnen und Gutachter, unterschiedliche Kostenträger, Reha-Träger, Rentenversicherung – als Gatekeeper beteiligt sind. Hierfür werden wir das Entscheidungsfeld und die beteiligten Expertinnen und Experten identifizieren, Selbstverständnis, Handlungsrationalitäten und Ressourcen der Gatekeeper erfassen, das Zusammenwirken der unterschiedlichen Gatekeeper rekonstruieren. Wir erwarten aus dieser Analyse Erkenntnisse, wie sich die Risiken einer geminderten Erwerbsfähigkeit in das System der sozialen Sicherung transformieren. Auf dieser Grundlage können wir Probleme und Möglichkeiten zur Weiterentwicklung einer für moderne Arbeitsmärkte gerüsteten sozialen Sicherung gegen Erwerbsunfähigkeit diskutieren.

Vorgehen

Die Untersuchung ist in einen organisationssoziologischen und netzwerktheoretischen Rahmen eingebettet und nutzt verschiedene Methoden. Um Unterschiede in der Zugangssteuerung in EM-Renten auch unterhalb der gesetzlichen Ebene zu identifizieren, findet die Untersuchung in drei Regionen innerhalb Deutschlands statt. Die Untersuchung stützt sich auf ca. 70 leitfadengestützte Interviews mit Personen, die in Antrags- und Bewilligungsverfahren für EM-Renten beteiligt sind oder beratend hinzugezogen werden. Auf Grundlage einer exemplarischen Fallbearbeitung werden mit der Think-Aloud-Methode Entscheidungsprozesse und -kriterien von beteiligten Expertinnen und  Experten rekonstruiert. Mit Dokumentenanalysen werden die relevanten Rahmenbedingungen für die Zugangssteuerung erschlossen. Im Rahmen einer Literaturanalyse wird der Forschungsstand zur Zugangssteuerung aufgearbeitet; hierbei werden auch quantitative Entwicklungen zum Zugang in EM-Rente einbezogen.

Projektdaten

Laufzeit des Projektes
01.09.2013 - 30.09.2017

Forschungsabteilung
Arbeitsmarkt – Integration – Mobilität

Leitung:
Prof. Dr. Martin Brussig

Bearbeitung:
Manuela Schwarzkopf (bis 31.03.2017), Dr. Patrizia Aurich-Beerheide

Finanzierung:
Hans-Böckler-Stiftung